• Maad Osta
    • Energie-Spezialist-Ingenieur
    • AtonRâ

China: Das Reich in der Mitte und die Energiewende

China spielt bei der Energiewende eine zentrale Rolle: bei der angestrebten Dekarbonisierung seiner Wirtschaft ebenso wie bei der Entwicklung und Produktion sauberer Technologien.

Es macht kaum Sinn, über den Klimawandel zu sprechen, ohne auf China einzugehen. Das Reich der Mitte hat sich zu einem starken Energiekonsumenten entwickelt: Fast ein Viertel des weltweiten Energiebedarfs und der Treibhausgasemissionen entfallen heute auf China. Der Aufstieg zum grössten Energieakteur der Welt steht in direktem Zusammenhang mit dem starken chinesischen Wirtschaftswachstum der letzten Jahre. Industrialisierung und Urbanisierung sind hier die Stichworte. Eine Klimastrategie, bei der die spezifischen Auswirkungen dieses Landes nicht berücksichtigt sind, ist daher undenkbar.

Trotz der seit 2005 fast verdoppelten CO2-Emissionen hat sich die Kohlenstoffintensität, das heisst die Menge der CO2-Emissionen im Verhältnis zum Pro-Kopf-BIP, fast halbiert. China trägt also mehr zur Umweltverschmutzung bei, aber das Wachstum erfolgt auf sauberere Weise. Im September 2020 kündigte die chinesische Regierung zum Erstaunen der internationalen Gemeinschaft einen langfristigen Dekarbonisierungsplan an. Erklärtes Ziel: CO2-Neutralität bis 2060. Bereits vor 2030 soll mit der Reduzierung der CO2-Emissionen begonnen werden. Zuletzt wurde im 14. Fünfjahresplan (2021-2025) das Ziel genannt, bis 2025 einen Anteil von 20% nicht-fossiler Primärenergiequellen zu erreichen (gegenüber aktuell 16%). Und der Kohleverbrauch soll ab 2025 zurückgefahren werden.

Diese klimapolitischen Ambitionen werden bereits umgesetzt: 2022 investierte China rund 546 Milliarden US-Dollar in die Energiewende – das sind fast 50% der weltweiten Ausgaben. Die 546 Milliarden wurden vor allem für Investitionen in Photovoltaik, Windkraft und die Elektrifizierung des Verkehrswesens bereitgestellt.

China hat ein doppeltes Interesse an sauberen Technologien (Cleantech): Erstens will es Lösungen zur Erreichung seiner Klimaziele entwickeln, und zweitens weltweit grösster Produzent all dieser Technologien werden. So wie die Petro-Monarchien die Versorgung mit fossilen Brennstoffen kontrollieren, hat China das Potenzial, der „Elektrostaat“ der Zukunft zu werden, also das Land, das die Lösungen für die Dekarbonisierung und Elektrifizierung der Welt liefert.

Bei einem genaueren Blick auf die Herstellung der verschiedenen Cleantech-Produkte wird einem die Dominanz Chinas klar. Ob bei Solarmodulen (80% der weltweiten Produktion), Batterien (über 70%), Windturbinengondeln (55%) oder Elektrolyseuren (über40%) – China nimmt einen soliden Spitzenplatz ein. Auch bei der Raffination von Rohstoffen ist China ein beherrschender Akteur und kontrolliert fast 35% der weltweiten Nickelkapazitäten, 50-70% der Lithium- und Kobaltkapazitäten sowie 90% der Raffination von seltenen Erden. Damit hat China die Produktion eines Grossteils der Metalle, Komponenten und Technologien, die zur Dekarbonisierung der Welt nötig sind, fest im Griff.

Die USA und Europa reagieren mit Massnahmen, die dieser Dominanz entgegenwirken sollen. Der Inflation Reduction Act der Regierung Biden beinhaltet finanzielle Hilfen für die inländische Clean-Tech-Produktion. In Europa wird ein Green Deal Plan ausgearbeitet, mit dem das gleiche Ziel, das heisst die Standortverlagerung, erreicht werden soll.

Die Bemühungen des Westens um eine Verringerung seiner Abhängigkeit von China dürften jedoch kaum zu einer vollständigen Ausgrenzung Chinas führen. Erstens ist China nach wie vor der grösste Cleantech-Markt der Welt und kann sich daher selbst tragen. Zweitens macht Chinas starke Dominanz im den Wertschöpfungsketten vorgelagerten Bereich – Metallgewinnung und -raffination – das Land zu einem unverzichtbaren Akteur. Die Entwicklung einer Alternative ist in der für die Energiewende zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.

China ist und bleibt ein Hauptakteur der Cleantech-Produktion und die angestrebten Standortverlagerungen werden nicht auf seine Kosten gehen. Jedwede Klimastrategie ist nur unter Einbeziehung Chinas denkbar, und an internationaler Zusammenarbeit führt kein Weg vorbei, wenn der nachhaltige Übergang zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft gewährleistet sein soll.

 

Maad Osta

AtonRâ

Maad Osta ist Inhaber eines Masters in Energiemanagement und nachhaltiger Entwicklung der EPFL und kam 2018 als Energieingenieur zu AtonRâ. Sein Haupttätigkeitsfeld ist die Grundlagenforschung für die Anlagestrategie «Sustainable Future». Zuvor arbeitete Maad Osta als Projektingenieur und später als Projektmanager für ein Unternehmen des Gas- und Energiesektors.

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