Healthcare
Cyrill Zimmerman
Bellevue Asset Management
«Der Gesundsheitsektor: eine starke Innovationskraft»
Die Coronavirus-Krise hat die Stärke des Sektors deutlich unter Beweis gestellt. Im Vergleich zu anderen Titeln haben die Pharmawerte die jüngsten Marktabschwächungen gut überstanden. Das Wachstumspotenzial ist beeindruckend, da mehrere Segmente aufgrund ausgezeichneter Fundamentaldaten und einer starken Innovationsfähigkeit an Bedeutung gewinnen, wie Cyrill Zimmermann hier betont.
Was sind die Wachstumstreiber im Healthcare-Sektor?
Ich sehe drei grosse Wachstumstreiber. Zunächst ist es die Demografie, die in den Industrieländern zur Überalterung führt. Das hat sich auch mit Covid nicht verändert und wurde diesen Juli durch die UNO erneut bestätigt. Der zweite Treiber sind Veränderungen im Lebensstil. Darunter meine ich etwa die schlechte Ernährung, zu wenig Bewegung und viel Stress; dies führt dann zu Übergewicht und Fettleibigkeit. Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen deshalb auch in Gegenden zu, die bisher eher traditionelle Lebensweisen und Ernährungsformen gepflegt hatten. Dies sieht man nicht nur in Ländern wie den USA oder Mexiko, sondern vermehrt auch in Japan oder in den arabischen Ländern.
Der dritte Wachstums-treiber sind die Innovationen in den beiden Bereichen Biotechnologie Medizintechnik. Zudem nimmt die Mittelschicht insbesondere in den Emerging Markets zu. Hier sticht China heraus. Diese Mittelschicht hilft bei der Finanzierbarkeit des Gesundheitssystem – neben den staatlichen Stellen.
Insgesamt ein robustes Umfeld, also. Was sind die Gründe?
Ja. Die Gesundheitsindustrie zeichnet sich durch ihre Innovationsstärke aus, was letztlich auch für Anleger sehr attraktiv ist. Es macht die Industrie zudem konjunkturresistent und führt dazu, dass wir jährliche Wachstumsraten von 5 bis 6 Prozent sehen, in einzelnen Subsektoren sind sie noch höher.
In diesen Untersektoren haben die Digital-Health-Aktien jedoch einen ziemlich grossen Rückschlag erlitten, was auf die Korrektur der Technologiewerte zurückzuführen ist….
Absolut. Längerfristig wissen wir: Es geht darum, die Effizienz im Gesundheitssystem zu steigern. Allein in den USA rechnet das Beraterhaus McKinsey damit, dass man jährliche Kosten von 300 Milliarden USD einsparen könnte. Zum Beispiel beim Spitalwesen, das auch in den USA ineffizient ist. Aber auch in anderen Gebieten, in welchen das Gesundheitswesen noch nicht so gut ausgebaut ist. Wir sehen unter anderem einen Mangel an Ärzten und Probleme beim Zugang zu neuen Behandlungsmethoden. Hier versprechen wir uns viel vom technologischen Fortschritt. Kürzlich wurde ein Produkt für die Diabetesbehandlung zugelassen, das den Blutzuckerspiegel mittels Sensoren misst und diese Daten an ein beliebiges mobiles Gerät übermittelt. So kann die Ausschüttungsrate einer Insulinpumpe reguliert werden, womit eine Fernüberwachung von Diabetikern ermöglicht wird.
Wie stark ist die USA als grösster Markt im Bereich Healthcare dominierend?
Die USA bilden mit Gesundheitsausgaben von über 10’000 USD pro Person im Jahr den grössten Markt, und es befinden sich da auch die grössten Anbieter, die insgesamt einen Umsatz von über 700 Milliarden USD pro Jahr erwirtschaften. So sind die USA insbesondere in den Bereichen Biotech und Medtech die Innovationsführer.
Wie sieht es mit der Schweiz aus?
Hinsichtlich Ausgaben pro Person sind wir auf Platz zwei! Das ist die Seite der Verbraucher. Natürlich sind wir auch auf der Seite der Produzenten sehr gut mit den beiden grossen Pharma-Giganten Roche und Novartis sowie hervorragenden Medtech-Pionieren wie Straumann, Sonova, Tecan oder auch mit Mettler Toledo, Ypsomed und Medartis sehr gut aufgestellt. Nichtsdestotrotz: Die Venture-Capital-Kultur, die in den USA enorm hohe Investitionen vorallem im Bereich Biotech ermöglichen, ist nicht vergleichbar.
Und wie sieht es mit Emerging Markets aus? Immerhin haben Sie vor ein paar Jahren einen entsprechenden Fonds aufgelegt?
Interessanterweise holt China sehr stark im Bereich Medtech aber auch Biotech auf. Zudem sind die Chinesen in Bereichen der medizinischen Dienstleistungen wie spezialisierte Kliniken oder Healthcare-IT-Firmen gut aufgestellt, zumal sie auch Lösungen auf der Basis der künstlichen Intelligenz anbieten. Produktionsländer wie Indien machen enorme Sprünge im Bereich Generika. Es werden inzwischen im grossen Stil auch Biosimilars hergestellt – die Nachahmerprodukte von patentabgelaufenen Biotech-Medikamenten. Eine spannende Firma ist diesbezüglich die indische Biocon, die für Brustkrebs eine zugelassene Indikation hat. Wir sind ferner in die grösste indische Spitalkette, Appollo Hospitals, investiert. Desweiteren ist Südkorea im Biosimilars Bereich mit den beiden Firmen Celltrion und Samsung Biologics erfolgreich unterwegs. Unter dem Strich sind wir auch bei den breiteren Healthcare Strategien im Vergleich zum MSCI World Healthcare Index weniger stark in den USA investiert, während wir Asien übergewichten.
Welche Rolle spielen die grossen Tech-Unternehmen, wie Apple, Google oder Amazon? Vor ein paar Jahren zitterte die Industrie angesichts der Pläne der Giganten ja noch.
Einzelne Unternehmen werden sicher in der Zukunft mit den Technologie-Giganten in den USA oder China noch stärker zusammenarbeiten. Etwa wenn es um Big Data oder die Analyse von Daten geht. Oder auch bei der Logistik ist eine Zusammenarbeit mit Amazon denkbar. Doch bei Medikamenten und Medtech-Produkten ist der Sicherheitsstandard und die Komplexität hoch. Die Eintrittsbarrieren im Gesundheitssektor sind folglich enorm hoch.
Welche Firmen werden den Markt in den nächsten 5 Jahren prägen?
Wegen diesen hohen Eintrittsbarrieren gehen wir nicht von grösseren Verschiebungen aus, insbesondere im klassischen Pharma-Business. Die Kosten für die Entwicklung von Therapieformen sind tendenziell gestiegen. Es braucht nach wie vor rund 10 Jahre für die Entwicklung eines Medikaments und das kostet im Normalfall rund eine halbe Milliarde Dollar. Nicht zu vergessen: Erst einmal entwickelt, heisst noch lange nicht, dass ein Produkt auf dem Markt kommt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wirkstoff die Phase 1 übersteht, liegt bei lediglich 10 Prozent.
Wie sieht es abseits von Big Pharma aus?
Wir haben beispielsweise interessante Unternehmen in China oder in Indien im Bereich der Telemedizin auf dem Radar. Etwa Ping An Good Doctor oder die bereits erwähnte Appollo Hospitals. In den USA bildet das Telemedizin Unternehmen Teladoc mit seinen 80 Millionen. Kunden den First Mover. Europa ist aufgrund der Datenschutz-Bestimmungen diesbezüglich etwas zögerlicher. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir bei zunehmendem Kostendruck auch Lösungen in einzelnen Bereichen sehen werden, etwa wenn es darum geht, einen Dermatologen oder Psychiater zu konsultieren. Denn die Kosten von Facetime-Konsultationen sind um ein Vielfaches geringer als ein Besuch beim Arzt.
Welche Strategie verfolgen Sie mit Bellevue?
Wir waren immer schon aktive Investoren. Im Bereich Healthcare ist passives Investieren oft ein ungewollt aktiver Entscheid: Die meisten haben deshalb zu viel Large Caps, zu viel Pharma und sind nicht global diversifiziert. Wir investieren aktiv mit einem starken Fokus auf werthaltige Mid Caps, setzen auf lokale Champions in den Emerging Markets, die den kostengünstigen Zugang zu Medizin sicherstellen sowie auf ausgewählte Innovationsführer in Industrieländer.
Biografie
Cyrill Zimmerman
Bellevue Asset Management
Cyrill Zimmerman ist Head of Healthcare Funds & Mandates und Mitglied der Geschäftsleitung von Bellevue Asset Management. Er gründete Adamant Biomedical Investments im Jahr 2001 und leitete die Investmentboutique bis zu ihrer Übernahme durch Bellevue im Jahr 2014. Bellevue wurde von Martin Bisang und Ernst Müller-Möhl gegründet und begann 1993, sich mit der Investmentgesellschaft BB Biotech auf den Gesundheitssektor zu spezialisieren. Das in diesem Sektor investierte Vermögen beläuft sich bis Ende 2021 auf 10,9 Milliarden CHF. Cyrill Zimmerman hält einen Doktortitel der Universität Zürich.
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Die Agentur SPHERE ist auf Investor Relations spezialisiert. Sie gibt das Magazin SPHERE heraus, das den Fachleuten der Vermögensverwaltung und der Vermögensverwaltung in der Schweiz gewidmet ist, und organisiert Finanzveranstaltungen für dasselbe Publikum. Sie stützt sich auf die Kompetenzen und das solide Netzwerk ihrer Partner, die seit mehr als fünfzehn Jahren in der Banken- und Finanzindustrie tätig sind.
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Für den englischen Historiker Eric Hobsbawm gab es das Zeitalter der Revolutionen, das Zeitalter des Kapitals und das der Imperien. Hier zog er die Trennlinie zwischen dem 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Heute würde er die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts wahrscheinlich als Zeitalter der Transformation bezeichnen. Neue Technologien, gesellschaftliche Herausforderungen und ökologische Notstände – die Welt muss sich in rasantem Tempo neu erfinden. Betroffen sind alle Sektoren, und in jeder Ausgabe wollen wir beleuchten, wie dieser Wandel Form annimmt. Beginnen wir mit der Ernährung und ihren zahlreichen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen.
Wie schnell verändert sich die Nahrungsmittelindustrie?
Die Nahrungsmittelindustrie begann ihre Transformation erst mit der „grünen Revolution“ in den 1960er Jahren, der Nutzung der Agrochemie und der Einführung von Düngemitteln, Pestiziden, Bewässerungssystemen und – später, in den 1990er Jahren – mit den gentechnisch modifizierten Organismen, den OGM. Anders als in anderen Branchen wie Software und Biotechnologie ist seit den 2000er Jahren kein neuer Nahrungsmittelgigant entstanden. Ein Unternehmen wie Google oder Moderna steht in der Nahrungsmittelindustrie noch nicht am Start. Grund für diese Transformationslücke sind fehlende Innovationen. Die zehn grössten Nahrungsmittelkonzerne haben zwischen 2015 und 2020 gerade einmal 2 Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung investiert. Im IT-Sektor und in der Biotechnologie beziffert sich das Investitionsvolumen auf 45 Milliarden bzw. 42 Milliarden. Heutzutage ist die Lebensmittelproduktion hochgradig ineffizient und völlig aus dem Gleichgewicht geraten: Sie trägt 30% bis 33% zu den Treibhausgasemissionen bei, wobei ein Drittel der Produktion verschwendet wird. Deshalb ist eine grundlegende Umgestaltung der Produktionsketten erforderlich.
Könnten Sie die Entwicklung der Nahrungsmittelindustrie beschreiben und die Akteure nennen, die sie dauerhaft umwälzen werden?
Seit einiger Zeit ist eine neue Dynamik zu beobachten, die zur Entstehung einer neuen Anlageklasse geführt hat: Agri-Foodtech. Im Jahr 2010 noch vollkommen unbekannt, repräsentierte sie 2021 bereits ein jährliches Investitionsvolumen von über 50 Milliarden US-Dollar. Das Wachstumstempo von Agri-Foodtech hat sich gemessen an den Investitionen, die sich zwischen 2020 und 2021 fast verdoppelt haben, gewaltig beschleunigt. Angesichts der Grösse des traditionellen Lebensmittelmarkts von 8.000 Milliarden US-Dollar sind dem Wachstumspotenzial dieses Sektors praktisch keine Grenzen gesetzt.
Welche Bereiche werden in den kommenden 5 Jahren von Foodtech abgedeckt?
Wir beobachten durch politische Entscheidungen angetriebene strategische Investitionen, mit denen die Ernährungssicherheit derjenigen Volkswirtschaften garantiert werden soll, denen es an Widerstandsfähigkeit mangelt und die hochgradig von Importen abhängig sind. Dazu gehören Investitionen in Technologien zur Produktion alternativer Proteine und von Fleisch aus Zellkulturen – ein Bereich, der hauptsächlich von China vorangetrieben wird – und alternative landwirtschaftliche Systeme wie vertikale Hydroponik-Farmen für die Golfstaaten.
Ferner steht zu hoffen, dass die Segmente und Technologien, die zielführende Lösungen für die klimatischen, ernährungstechnischen und gesundheitlichen Herausforderungen bieten, in fünf Jahren eine wichtigere Rolle im Foodtech-Spektrum einnehmen werden, als weniger ausgeklügelte Technologien mit nicht nachgewiesenen sozialen und ökologischen Vorteilen.
Wie würden Sie das typische Profil des neuen Verbrauchers beschreiben?
Der neue Konsument ist sprunghaft und unentschlossen. Er wechselt seine Ernährungsweisen wie seine Hemden. Gleichzeitig ist er auch sehr engagiert und kann eine gesamte Branche mit einem Shitstorm in die Knie zwingen. Was wir essen, hat heute eine politische, soziale, identitätsstiftende und ethische Dimension erreicht. Unsere Ernährungsgewohnheiten können uns aus einer Gruppe von Menschen ausschliessen oder ein Gefühl der Gemeinschaftszugehörigkeit erzeugen. Das Essen, das seit jeher Menschen anlässlich einer Mahlzeit zusammenbringt, hat sich zu einem Akt der Rebellion, des Misstrauens oder der Spaltung innerhalb einer Gruppe, eines Haushalts oder einer Familie entwickelt. Wir arbeiten zum Beispiel mit Tastewise zusammen, um die Beweggründe der ‚neuen Konsumenten‘ zu analysieren und auszuwerten. Tastewise scannt in Echtzeit Millionen von Restaurantmenüs, Rezepten, Diskussionen und öffentlichen Bewertungen auf Google Review, Yelp, Trip Advisor und in sozialen Netzwerken.
Hat die generelle Entwicklung des Verbraucherverhaltens hin zu mehr Gesundheit durch bessere Ernährung, Transparenz und ständigem Zugang zu Lebensmitteln zur Folge, dass die Ernährung auf seiner Prioritätenliste ganz nach oben rückt?
In den europäischen Gesellschaften scheint sich die Maslowsche Bedürfnispyramide seit der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine umgekehrt zu haben. Wir legen immer mehr Wert auf essenzielle Bedürfnisse wie Lebensmittelsicherheit, Zugang zu Zutaten und Sicherheit alternativer Energiequellen. Bis vor zehn Jahren war dies noch nicht der Fall. Die Ernährung hält sich an der Spitze unserer Agenda, denn die Pandemie hat sie in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt.
Während die USA durch Metaverse und Kryptowährungen abgelenkt sind, ist Europa bei Technologien, die langfristige Lösungen für die klimatischen, energetischen und ernährungstechnischen Herausforderungen bieten, einen Schritt voraus. Das Ökosystem aus öffentlichen Institutionen, Universitäten und Forschungszentren in diesem Bereich bietet europäischen Unternehmern eine vergleichsweise robustere Infrastruktur zur Entwicklung von Technologien, die diesen Übergang flankieren.
Wie bewerten Sie die Investitions-möglichkeiten, die durch die Anforderungen an Transparenz und Nachhaltigkeit im Lebensmittelbereich entstehen?
Unsere Ansicht nach ist die Digitalisierung ein Schlüssel zu mehr Transparenz, Nachhaltigkeit und Rückverfolgbarkeit. Die Produktionsketten in der Lebensmittelindustrie weisen von allen Branchen das niedrigsten Digitalisierungsniveau auf. Wir sehen attraktive und konkrete Investitionsmöglichkeiten in den Bereichen der künstlichen Intelligenz, Big Data, Sensoren und Blockchain-Anwendungen entlang der Lebensmittelkette.
Muss die Nahrungsmittelproduktion zur Bekämpfung von Lebensmittelmangel und Klimawandel sowie zur Erfüllung der Konsumbedürfnisse einer wachsenden urbanen Bevölkerung nicht völlig neu überdacht werden?
Die Regionalisierung und Relokalisierung der Nahrungsmittelproduktion ist auf dem Vormarsch und soll politische, gesundheitliche und makroökonomische Schocks wie Inflation und schwankende Rohstoffpreise besser abfedern. Darüber hinaus müssen die Veränderungen infolge der globalen Erwärmung antizipiert werden. Eine solche Transformation kann nur über einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont und mit der Unterstützung technologischer Fazilitatoren erfolgen.
Welche Investitionsmöglichkeiten entstehen hierdurch?
Möglichkeiten gibt es viele. Für PeakBridge sind folgende Bereiche besonders interessant und entwicklungsfähig: alternative Systeme, die auf Präzisionslandwirtschaft, innovativen und proprietären Anbau- und Verarbeitungsprozessen beruhen oder Systeme ohne Bodenbearbeitung, alternative Proteine und neue Lebensmittel, die durch verschiedene Technologien wie Fermentation gewonnen werden, die Aufwertung von bisher wenig genutzten Lebensmitteln und die Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung.
Welche Megatrends prägen die Nahrungsmittelindustrie?
Unsere Lebensmittelsysteme sind mit sechs grossen Herausforderungen konfrontiert: geopolitische Risiken, Nachhaltigkeitsrisiken, Bevölkerungswachstum und mangelnde Widerstandsfähigkeit der Nahrungsmittelketten, sich ändernde Verbraucheranforderungen in Bezug auf Gesundheit, Ernährung und CO2-Bilanz, Mangel an Finanzierungen für Innovationen und die fehlende Digitalisierung.
Diese Herausforderungen werden durch das aktuelle politische und wirtschaftliche Umfeld noch verschärft: steigende Preise für Energie und Agrarrohstoffe und eine drohende Unterbrechung von Lieferketten.
Welche Sektoren bieten in diesem Zusammenhang das grösste Potenzial?
Wir glauben, dass es fünf bisher kaum genutzte Sektoren oder Segmente mit Potenzial gibt, in denen Europa gegenüber den USA eindeutig einen Schritt voraus ist.
Erstens: innovative Zutaten. Die Herstellung optimierter Zutaten oder die Lösung bestehender Probleme wie zum Beispiel Beschaffung, Qualität, Kosten, Nährwert- und Geschmacksprofil oder gesetzliche Bestimmungen.
An zweiter Stelle stehen Technologien für alternative Proteine: nachhaltige Alternativen zu tierischen Proteinen mit Schwerpunkt auf Fazilitatoren und technologisch differenzierenden Produkten.
Drittens sind Digitalisierung und Lebensmittelsysteme 4.0 mit Schwerpunkt auf der Transformation der Wertschöpfungsketten nach der Ernte ein strategisch wichtiges Segment für PeakBridge. Viertens können durch die Digitalisierung Probleme bei der Rückverfolgbarkeit, Sicherheit, Produktion und Verschwendung von Lebensmitteln gesteuert werden.
Uns interessiert die Schnittstelle zwischen Ernährung und Gesundheit, das heisst Verbesserungen in puncto ‚richtige Ernährung‘, Gesundheit und Wohlbefinden durch Produkte und Dienstleistungen mit nachweislichen Vorteilen.
Und schliesslich alternative landwirtschaftliche Systeme, die die Produktion von Nahrungsquellen neu definieren. Diese Systeme verändern die bestehende Anbaumethoden oder entwickeln Verfahren ohne Bodenbearbeitung, die eine unbedingte Notwendigkeit sind, wenn man aus den konventionellen landwirtschaftlichen Mustern ausbrechen und bisher wenig erforschte Zutaten anbauen will.
Biografie
Erich Sieber
PeakBridge
Erich Sieber ist einer der Gründer und Partner von PeakBridge, einer auf Foodtech spezialisierten Risikokapital-gesellschaft, die er 2017 mit Nadav Berger ins Leben gerufen hat. Sieber und Berger sind Pioniere für Investments in der Nahrungsmittel-industrie, da sie den ersten Fonds aufgelegt haben, der dieses Anlagethema besetzt. Als ehemaliger Partner des Innovationsfonds von Nestlé arbeitete Erich Sieber für das Weltwirtschaftsforum und das deutsche Finanzministerium. Er besitzt einen Bachelor in Handel, Wirtschaft und Recht der Universität St. Gallen (HSG) einen dreisprachigen MBA der EAP-ESCP (Paris-Oxford-Berlin) und einen Master of Law (LLM) in Finanzrecht der Universität Genf.
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«Der Gesundsheitsektor: eine starke Innovationskraft»
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Automation, Konnektivität, Internet of Things, künstliche Intelligenz, Virtualisierung, Cloud Computing, Digitalisierung und neue Technologien beschleunigen derzeit die Metamorphose einer Branche, die sich wieder über attraktive Wachstumsaussichten freuen kann. Die zahlreichen Unternehmensinnovationen wirken sich auf die gesamte Wertschöpfungskette aus. Hier entstehen eindeutig mehrere neue Anlagethemen für Investoren.
Inwieweit sind Industriewerte von der weltweiten Konjunktur-verlangsamung betroffen?
Steigende Zinsen, Inflationsdruck oder Ausschläge an den Devisenmärkten sind für uns Epiphänomene, die wir kaum kommentieren, denn wir investieren eher mit einem längerfristigen Horizont. Die Konjunkturschwäche wirkt sich logischerweise auch auf die Bewertungen der von uns abgedeckten Unternehmen aus, aber wir betrachten dies eher als Einstiegsmöglichkeit. Wir wollen verstehen, welche Trends oder Megatrends die Entwicklung des Sektors in den nächsten 10, 15 oder 20 Jahren bestimmen werden – das ist der wichtigste Aspekt für uns.
Welche Megatrends werden die Dynamik von Industriewerten auf mittlere und lange Sicht bestimmen?
Als erstes würde ich die Automatisierung nennen – ein fundamentales Anlagethema, das wir unter anderem mit unserer Robotics-Strategie besetzen. Diesen Trend haben wir bereits frühzeitig erkannt, weil sich die Schere zwischen den Arbeits- und den Automatisierungskosten immer weiter öffnet: Erstere werden weiter steigen, letztere sinken. Hier sind tiefgreifende, gewaltige Veränderungen im Gange, die durch die Covid-Krise im Jahr 2020 und den Krieg in der Ukraine in diesem Jahr noch beschleunigt wurden. Die Probleme entlang der Lieferketten haben alle Akteure gezwungen, ihre Vertriebswege zu überdenken und erneut in die Relokalisierung der Produktionsstandorte zu investieren.
Für welche Anlagethemen im Industriesektor interessieren Sie sich abgesehen von der Automatisierung besonders?
Derzeit werden das Thema ‚Nachhaltigkeit‘ und die diesbezüglichen Auswirkungen auf die Nachfrage nach Industrieprodukten viel diskutiert. Die Entwicklung der Elektromobilität ist ein Teil dieser Logik, denn will man Elektroautos auf die Strasse bringen, ob mit oder ohne Fahrer, sind auch künftig industrielle Anlagen und Prozesse unumgänglich. Ein wichtiger Vektor, der heute im Vordergrund steht, ist die Frage, wie diese Industrieanlagen und Prozesse nachhaltiger werden können.
Hierzu werden wir uns zunehmend auf die Digitalisierung und die damit verbundenen Fortschritte verlassen, insbesondere für die Modellierung und Simulation. Ziel ist, mit weniger Einsatz mehr oder besser zu produzieren. In diesem Bereich ist eine ganze Branche auf dem Vormarsch. Wenn heute vom Industriesektor die Rede ist, denkt man umgehend an Technologie. Sie ist entscheidend für die Beurteilung, ob Unternehmen in der Lage sind, eine Zukunftsprojektion zu entwickeln. Wenn ein Unternehmen noch nicht in den Modus ‚Industrie 4.0‘ hochgeschaltet hat, sind Probleme in der Zukunft vorprogrammiert. Die Konvergenz zwischen Technologie und Industrie nimmt unaufhaltsam zu.
In welchen Branchensegmenten erkennen Sie das höchste Wachstumspotenzial?
Wir richten unser Augenmerk auf alle Katalysatoren, die eine radikale Veränderung der Funktionsweise von Produktionsstandorten bewirken. Im Englischen gibt es dafür den Begriff „enabler“. Damit meine ich Anwendungen, die zur Programmierung und Animation von Robotern entwickelt und implementiert werden. Sie integrieren Software, Sensoren und verschiedene Programme für künstliche Intelligenz. Enabler dienen zur Verarbeitung von Daten und sorgen dafür, dass bestimmte Aufgaben geplant und dann von Maschinen ausgeführt werden können. Das Komplizierte daran ist nicht der eigentliche Bau der Roboter, sondern ihre Ausstattung mit Intelligenz.
An welche Unternehmen denken Sie dabei?
In dieser Enabler-Branche hat sich der deutsche Hersteller Infineon als ein Marktführer durchgesetzt. Infineon entstand durch die Ausgliederung des Halbleitergeschäfts von Siemens und stellt unter anderem Leistungshalbleiter, zunehmend aber auch Sensoren und Mikrocontroller her, die in der Automobilbranche und in relativ vielen anderen Bereichen verwendet werden.
In puncto Informatik, ohne die Automation und Robotik undenkbar sind, denke ich an Unternehmen wie Altair Engineering und Synopsys. Diese beiden Unternehmen verfolgen wir sehr aufmerksam. Synopsys ist vor allem im Bereich Dematerialisierung von Industrieprozessen bekannt.
An dieser Stelle würde ich gerne auf den Gesundheitssektor zu sprechen kommen, um auch Intuitive Surgical zu erwähnen – ein Unternehmen, das sich auf Roboterchirurgie spezialisiert hat. Was mir im Gesundheitssektor auch auffällt, ist die Konvergenz zwischen Sensoren und Software. Dieser Trend ist in der Industrie derzeit die wichtigste Determinante. Die Unternehmen des Sektors müssen die neuen Technologien perfekt beherrschen.
Wie würden Sie das Konzept der Industrie 4.0 definieren?
Generell zielt dieses Konzept vor allem darauf ab, den Einsatz und Verbrauch von Ressourcen zu reduzieren und die Produktion zu optimieren. Konkret geht es hier um die rationellere, effizientere und intelligentere Ressourcennutzung. Schauen Sie sich hierzu nur einmal an, was das Internet of Things (IoT, Internet der Dinge) heute in der Welt der Industrie alles ermöglicht. IoT-Anwendungen steigern die Effizienz automatisierter Prozesse, optimieren die Lagerverwaltung und übernehmen sogar die Steuerung ganzer Industrieanlagen. Auch in den Kundenbeziehungen und im Kundendienst generieren sie eine Aufwärtsdynamik, die ganz neue Dimensionen eröffnet. Unternehmen können damit die verschiedenen Phasen ihrer Wertschöpfungskette besser antizipieren und planen. Dreh- und Angelpunkt ist immer wieder dieselbe Idee der Konvergenz zwischen neuen Technologien und Herstellungsprozessen. Uns als Investoren beschert diese Entwicklung letztendlich höhere Margen und eine bessere Wettbewerbsfähigkeit.
Welche neuen Technologien beschleunigen aus Ihrer Sicht zurzeit den Vormarsch der Industrie 4.0?
Das haben wir bereits angesprochen: Die Transformation des Fertigungssektors erfolgt heute hauptsächlich durch Digitalisierung, die immer zahlreichere und leichter zugängliche Lösungen bietet. Das Instrumentarium ist immens. Dazu gehört auch das Internet der Dinge (immer häufiger verwendet: der Begriff ‚industrielles Internet der Dinge‘) – Big Data und die gesamte dazugehörige Analytik, Cloud Computing, Machine Learning und natürlich künstliche Intelligenz. KI ist ein riesiges Forschungsgebiet, auf dem in den nächsten Jahren noch enorme Fortschritte erzielt werden,
denn Maschinen müssen immer intelligenter werden. Entsprechend sind bei Sensoren, Software und Programmierung bahnbrechende Entwicklungen zu erwarten.
Welche Hauptachsen verfolgt Ihre Anlagestrategie?
Unser erklärter Schwerpunkt liegt auf diesen Megatrends, die langfristig Wert schaffen, weil sie tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen. Konjunkturelle Erwägungen blenden wir möglichst aus, um zu verhindern, dass wir ohne klare Orientierung in alle Richtungen laufen. Daher haben wir etwa fünfzehn Megatrends identifiziert, die das Geschehen über die nächsten fünfzehn Jahre hinaus bestimmen – Nachhaltigkeit und Technologie stehen dabei im Mittelpunkt. Ausgehend von diesen Megatrends legen wir dann einzelne Thematiken fest. Anlagethemen entstehen an der Schnittstelle mehrerer Trends, wobei wir immer dem gleichen Konvergenzkonzept folgen, das uns intensiv beschäftigt.
Sobald unsere Themen feststehen, können wir unsere festen Überzeugungen zum Ausdruck bringen, indem wir uns nicht von Marktereignissen mitreissen lassen, die zu kurzfristigen Reaktionen führen – denn das wäre für unsere Kunden nicht unbedingt von Vorteil. Unsere Überzeugungen sind gewissermassen unser Kompass.
Welche Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes haben sich aus Ihrer Sicht bereits einen Vorsprung gesichert?
Lassen wir den industriellen Sektor vorübergehend beiseite und wenden wir uns einem Unternehmen wie Alphabet zu. Mit geht es um das grundlegende Konzept der Konvergenz. Die mit künstlicher Intelligenz entwickelten Anwendungen werden sich letztendlich massiv auf den gesamten Industriesektor auswirken. Daher ist Alphabet als einen enormer Katalysator einzustufen. Gleiches gilt für Salesforce. Das Unternehmen gehört zwar nicht zum verarbeitenden Gewerbe, aber die angebotenen Lösungen revolutionieren die Vertriebs- und CRM-Funktionen von Unternehmen.
Zurück zu den Industrieunternehmen: Infineon und Synopsys habe ich bereits erwähnt, könnte aber auch Siemens hinzufügen – das Unternehmen ist im Bereich Automation sehr fortschrittlich. Und da wäre auch NXP in der „Enabling“-Kategorie und seine sehr innovativen Produkte, mit denen es vor allem die hohe Nachfrage aus dem Automobilsektor bedient. Abschliessen möchte ich mit den ganz grossen Experten für Automation, den Japanern – Fanuc verfolgen wir in diesem Segment mit grossem Interesse!
Können Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe heute eine nachhaltige Politik verfolgen und gleichzeitig auch ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern?
Diese Ziele schliessen sich meines Erachtens nicht gegenseitig aus. Ganz im Gegenteil. Noch vor zehn Jahren stellte sich die Situation etwas anders dar. Sich über die Auswirkungen eines Werks auf die Umwelt Gedanken zu machen war nicht populär. Umweltsünder profitierten in der Regel von höheren Bewertungen, da ESG-Verpflichtungen noch nicht Standard waren. Dieses Verhältnis hat sich mittlerweile komplett umgekehrt. Der Markt belohnt die guten Schüler, die anderen werden abgestraft. Ich sehe da keinerlei Widerspruch, sondern halte dies für eine sehr positive Entwicklung.
Biografie
Hans Peter Portner
Pictet Asset Management
Hans Peter Portner kam 1997 zu Pictet Asset Management. Er leitet das Team für thematische Aktien. Portner begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 1992 als Portfoliomanager bei UBS Brinson in Basel, wo er sich auf internationale Aktien spezialisierte. 1997 wechselte er als Senior Investment Manager zu Pictet Asset Management in Genf, wo er weiterhin für internationale Aktien zuständig war. Von 1999 bis 2001 war er in gleicher Funktion in London tätig. Hans Peter Portner verfügt über einen Master in Wirtschaft der Universität Bern und ist darüber hinaus Chartered Financial Analyst (CFA).
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