Investment Lösungen
- Peter Kraus
- Leiter Small Cap Equities
- Berenberg Wealth and Asset Management
Die Aussichten für europäische Small Caps verbessern sich
In der Schweiz sowie im europäischen Umfeld gibt es zahlreiche vielversprechende Nebenwerte, die sich nicht vor den Grossen verstecken müssen. Viele dieser Unternehmen sind in ihrem Bereich gar Weltmarktführer. Für einen Einstieg scheint aktuell ein günstiger Zeitpunkt zu sein, schreibt Peter Kraus.

Nebenwerte haben im Vergleich zu Standardwerten in den letzten zwei Jahren den stärksten Kurseinbruch seit Jahrzehnten erlebt. Vor allem europäische klein- und mittelkapitalisierte Wachstumswerte wurden durch sehr schnell steigende Zinsen und das rezessive Umfeld hart abgestraft. Es war ein extremes Szenario. Nach dem Corona-Lockdown, dessen Auswirkungen durch unterbrochene Lieferketten noch ausgestrahlt haben, dem Inflations- und Zinsschock und dem Ausbruch des Ukraine-Krieges sehen wir die niedrigsten Bewertungen seit zehn Jahren. Im Vergleich zu Large Caps sind Small Caps sogar günstiger bewertet als zum Höhepunkt der Finanzkrise in 2008. Ebenso spricht für Small Caps, dass sie im ersten Jahr des Aufschwungs nach ihrem Tiefstand rund 50 Prozent der relativen Performance erzielen.
Aktuell deuten Frühindikatoren darauf hin, dass sich die Konjunktur auf niedrigem Niveau stabilisiert oder verbessert, nachdem auch das produzierende Gewerbe den Tiefpunkt erreicht haben könnte. Positive Signale aus den USA lassen sogar Hoffnungen auf ein Goldilocks-Szenario aufkeimen. Auch in Europa verbessern sich zuletzt die Konjunkturindikatoren von tiefen Niveaus. Die Inflationsraten sinken, und die Notenbanken sind im Wesentlichen mit dem Zinserhöhungszyklus durch. Es spricht vieles dafür, dass wir die dunkelsten Stunden gesehen haben, bevor die Sonne wieder aufgeht.
Die Stunde der Nebenwerte
Der konjunkturelle Sonnenaufgang, die Erholung in einem frühen Stadium, ist die Stunde der Nebenwerte. Es spricht vieles dafür, dass der langfristige Outperformance-Trend, den wir bei Nebenwerten seit Jahrzehnten gesehen haben, ungebrochen ist. Allerdings gibt es einen Unterschied beim Aufholpotenzial: Angesichts der gestiegenen Zinsen ist die Nettoverschuldung heute ein wichtiges Kriterium.
Hoch verschuldete Unternehmen, die refinanzieren müssen, haben ein Problem. Qualitätsunternehmen mit hohen Kapitalrenditen und starken Bilanzen jedoch profitieren von strukturellen Wachstumstrends. Solchen Unternehmen dürfte es leichter fallen, die Erträge und den Cashflow pro Aktie stärker zu steigern als der Markt, wenn sich die Anzeichen der Erholung verdichten.
Eine weitere strukturelle Besonderheit der Nebenwerte in Europa besteht darin, dass sie von Analysten oft kaum wahrgenommen werden. Im Vergleich zu den USA gibt es in Europa nur eine Handvoll Large und Mega Caps wie Louis Vuitton oder ASML, die mit zweistelligen Wachstumszahlen beeindrucken und die Aufmerksamkeit von Analysten und Investoren auf sich ziehen. Die Stars aus der zweiten und dritten Reihe erscheinen indes kaum auf dem Radar.
Viele dieser Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung bis zu fünf Milliarden Euro haben sich in ihren Nischen als globale Marktführer etabliert. Mit ihrer Innovationskraft profitieren sie von der Digitalisierung, von Veränderungen im Gesundheitswesen oder nachhaltigen Technologien, was nicht selten mit mittelfristigen Wachstumsraten von 15 Prozent oder mehr einhergeht.
Fokus auf Halbleiterbranche
Aktuell sind europäische Hidden Champions unter anderem in der Halbleiterindustrie zu finden. Unternehmen wie das Schweizer Unternehmen Inficon oder die italienische Technoprobe erfüllen das Anforderungsprofil mit Blick auf eine internationale Vorreiterrolle und starke Margen, die es ihnen ermöglichen, inflationsgetriebene Preissteigerungen abzufedern und signifikant in Forschung und Entwicklung zu investieren.
Doch auch in anderen Branchen gibt es solche Hidden Champions, beispielsweise bei Skan, dem Schweizer Hersteller von Isolatoren für die sterile Abfüllung injizierbarer Medikamente. Die unterliegenden Treiber sind robust: 75 Prozent aller neuen Medikamente werden in Zukunft hochpreisige Biologika/Injektionspräparate sein, die Isolatoren für die aseptische Abfüllung benötigen. Das Unternehmen zeigt ein starkes Wachstum in Verbindung mit steigenden Margen, hohen Renditen sowie eine Netto-Cash-Position. An solchen Modellen mangelt es im Small-Cap-Segment keineswegs.
Peter Kraus
Berenberg Wealth and Asset Management
Peter Kraus ist seit Oktober 2017 Head of Small Cap Equities bei Berenberg. Er war ab dem Jahr 2000 zunächst für 3 Jahre als Aktienanalyst für eine Corporate Finance Beratung in München tätig, bevor er in 2003 zu Deka Investment nach Frankfurt wechselte. 2006 wechselte er zu Allianz Global Investors als Fondsmanager für europäische Micro und Small/Mid Caps. Peter Kraus studierte an der Universität Mannheim Betriebswirtschaftslehre und ist CFA Charterholder.