Investment Lösungen

  • Interview mit Thomas Heller
  • Chief Investment Officer
  • Belvédère Asset Management

«Das Blatt könnte sich bald zugunsten Deutschlands wenden»

Der Einbruch der grössten Volkswirtschaft Europas hat die Märkte aufgeschreckt. Thomas Heller, CIO von Belvédère Asset Management ordnet den Einbruch ein. Er rechnet nicht mit drastischen Zinsschritte durch die Nationalbanken.

-

èie deutsche Wirtschaft ist auch im dritten Quartal leicht geschrumpft. Was sind hier die Gründe?

Die deutsche Wirtschaftsleistung ist im dritten Quartal gemäss ersten Berechnungen tatsächlich leicht zurückgegangen, und zwar um 0.1% zum Vorquartal. Der Rückgang war allerdings geringer als erwartet (-0.3%) und das Vorquartal wurde leicht nach oben revidiert (von 0.0% auf +0.1%). Die Details zu den Drittquartalszahlen sind noch nicht bekannt, diese folgen erst mit der zweiten Schätzung Ende November. Gemäss Mitteilung des Statistischen Bundesamtes belastete insbesondere der rückläufige private Konsum die konjunkturelle Entwicklung.

Einige sprechen schon von Deutschland als kranken Mann Europas? Ist das gerechtfertigt?

Deutschland ist wachstumsmässig innerhalb Europas ein “Nachzügler”, leidet unter Chinas Wachstumsschwäche, dem derzeit zu beobachtenden Lagerabbau und den hohen Energiepreisen. Die schwächere Verfassung Deutschlands zeigt sich auch im Rückgang des Leistungsbilanzüberschusses, der mit über 4% aber immer noch beachtlich ist. Zudem stehen über alles betrachtet andere EU-Länder wie Italien oder Frankreich nicht wirklich besser da. Das Bild Deutschlands als “kranker Mann” ist wohl weniger eine Folge des zyklischen Abschwungs sondern entsteht eher unter dem Eindruck der teilweise in die Jahre gekommenen Infrastruktur, missglückter Grossprojekte wie des Berliner Flughafens oder der notorischen Verspätungen der Deutschen Bahn.

Was heisst das insgesamt in Bezug auf die Geldpolitik der EZB und der SNB?

Natürlich halten sich die Notenbanken alle Optionen offen, das heisst sie schliessen weitere Zinserhöhungen nicht explizit aus. Dennoch ist davon auszugehen, dass es angesichts der Wachstumsverlangsamung und der rückläufigen Inflation zu keinen weiteren Leitzinserhöhungen mehr kommen wird. Es gilt auch die Auswirkungen der markanten und rasanten Anhebungen der letzten anderthalb Jahre – die mit Verzögerung in der Realwirtschaft ankommen – zu beobachten. Der nächste Zinsschritt wird eher einer nach unten sein, nicht nach oben. Allerdings kaum vor Mitte des nächsten Jahres.

Welche Folgen hat dies aus Sicht der Anleger?

Solange die konjunkturelle Schwächephase anhält, hat es ein zyklischer Markt wie der deutsche relativ zu weniger konjunktursensitiven Märkten schwer. Wobei: Unter der Annahme, dass die konjunkturelle Talsohle in den nächsten 1-2 Quartalen erreicht ist und die Märkte eine Erholung antizipieren, könnte sich das Blatt bald zugunsten Deutschlands wenden.

 

Thomas Heller

Belvédere Asset Management

Biografie Thomas Heller ist seit April 2022 CIO bei Belvédère Asset Management. Davor machte er sich als Leiter Research und Chief Investment Officer (CIO) der Schwyzer Kantonalbank (SZKB) einen Namen. Thomas Heller studierte Volkswirtschaft an der Universität Zürich und ist eidg. diplomierter Finanzanalytiker und Vermögensverwalter.