Aktiven Dialog

  • Interview mit Fabio Pellizzari und Rocchino Contangelo
  • Fabio Pellizzari, Head of ESG-Strategy & Development
  • Rocchino Contangelo, Head of Research, Global ESG Integrated
  • Zürcher Kantonalbank

Nachhaltig Investieren erfordert einen aktiven Dialog

Investment Stewardship ist derzeit in vielerlei Munde. Doch was steckt hinter diesem Begriff? Und lässt sich damit die Welt zum Guten verändern? Fabio Pellizzari und Rocchino Contangelo, Nachhaltigkeitsspezialisten im Asset Managements der Zürcher Kantonalbank, geben Antworten.

Investment Stewardship ist ein integraler Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie des Asset Managements der Zürcher Kantonalbank. Er umfasst den Dialog mit Unternehmen (Engagement) und die Stimmrechtswahrnehmung (Voting). Engagement und Voting kommen sowohl in aktiven als auch passiven Swisscanto Anlagefonds zur Anwendung. Das Asset Management der Zürcher Kantonalbank publizierte dazu kürzlich den «Active Ownership Report», der umfassend über die Aktivitäten informiert.

Die Stimmkraft des einzelnen Investors wird umso wirksamer, je mehr Stimmrechte er für nachhaltige Ziele bündeln kann. Deshalb partizipiert das Asset Management der Zürcher Kantonalbank an weltweit agierenden Engagement-Initiativen wie etwa Climate Action 100+, Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD), Climate Bond Initiative. Kürzlich ist es zusätzlich der Klimainitiative des Forums pour l’Investissement Responsable (FIR) beigetreten. Diese Initiative und der in Frankreich ansässige Investorenverband unterstützt Investor:innen, börsenkotierte französische Unternehmen zu erhöhten Klimaschutzbemühungen und Transparenz zu bewegen.

Fabio Pellizzari und Rocchino Contangelo

Fabio Pellizzari, wie wirkt sich das Engagement des Asset Managements der Zürcher Kantonalbank auf die Nachhaltigkeitsagenda der Unternehmen aus?

Fabio Pellizzari (FP): Wir stehen im direkten Dialog mit 100 bis 200 Schweizer Unternehmen. Es findet ein initiales Treffen statt, gefolgt von verschiedenen Follow-up Meetings, in denen Ziele definiert sowie deren Umsetzung verfolgt werden. In den Gesprächen mit dem Management und dem Verwaltungsrat adressieren wir allfällige UN Global Compact Verstösse, definieren CO2-Reduktionsziele oder sprechen Themen der guten Unternehmensführung an. Sollte ein Dialog mittel- bis langfristig nicht erfolgreich verlaufen, erwägen wir beispielsweise eine Abwahl von Verwaltungsratsmitgliedern via Stimmrechtswahrnehmung, die Ablehnung von Vergütungsanträgen oder Nichterteilung der Décharge. Weiter kann der Gesellschaft kein weiteres Kapital zugeführt oder der Aktienanteil im Portfolio untergewichtet und als Ultima Ratio schliesslich veräussert werden. Schliesslich haben wir einen CO2-Absenkpfad unserer nachhaltigen Anlagefonds definiert, dem wir verpflichtet sind.

Wie kommunizieren Sie mit ausländischen Unternehmen?

FP: Engagement- und Voting-Aktivitäten delegieren wir teilweise an renommierte Partner wie Sustainalytics. In unserem Auftrag führt Sustainalytics bei über 300 global agierenden Unternehmen den Dialog mit dem Topmanagement. Wo notwendig oder sinnvoll, unterstützt das Asset Management der Zürcher Kantonalbank im Rahmen seiner Mitgliedschaften Investoreninitiativen zu ESG-Themen und partizipiert damit an kollaborativen Engagements.

Rocchino Contangelo, Ihr Team führt selber Engagement-Gespräche mit Schweizer Emittenten. Können Sie uns ein paar konkrete Erfolge nennen.

Rocchino Contangelo (RC): Seit mehreren Jahren stehen wir in Kontakt mit Holcims Führungsriege. Der Zementkonzern gilt hierzulande als der grösste CO2-Emittent. Dank des Engagements von uns und anderen Investoren hat sich Holcim zu einer ambitionierten Dekarbonisierungsstrategie, der Science Based Targets Initiative (SBTi) und zur CO2-Neutralität verpflichtet.

Mit Gurit, einem Zulieferer der Windkraft-Industrie, standen wir im Hinblick auf dessen Nachhaltigkeitsreporting in Kontakt. Zumal Gurit-Produkte in hohem Grad nachhaltig sind, konnten wir das Unternehmen von dem Nutzen einer umfassenden Nachhaltigkeitsberichterstattung überzeugen. Dank der Offenlegung zu ESG-Aspekten verbesserte Gurit sein ESG-Rating bei einem angesehen ESG-Ratinganbieter. Gurit hat sich so attraktiver für Investoren gemacht.

Mit Volkswagen führen wir seit 2019 regelmässig Engagement-Gespräche. Im Fokus der ersten Gespräche

standen die Erhöhung des Bewusstseins für Elektrofahrzeuge und Dekarbonisierungsstrategien im Mobilitätssektor. Auch dank unseres Engagements definierte der Autobauer ehrgeizige Emissionsreduktionsziele. Im September 2020 erhielt VW von der SBTi die Bestätigung, dass die Klimaziele des Konzerns die Voraussetzungen für die Begrenzung der Erderwärmung auf «deutlich unter 2 Grad Celsius» erfüllen.

In unserem Active Ownership Report sind noch weitere konkrete Anwendungsfälle aufgeführt.

Was ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Gespräch?

RC: Unsere Kapazitäten im Research des Asset Managements helfen uns, die Geschäftsmodelle und Industrien besser zu verstehen. In diesem Kontext publizieren wir laufend sogenannte Themen Assessments etwa zu Carbon Pricing, Elektromobilität oder Cleantech. Wir analysieren Unternehmen und Staaten nach gesamthaft 46 ESG-Kriterien und stellen sie einem Branchenvergleich gegenüber. Die ESG-Beurteilung erfolgt ganzheitlich. Schneidet ein Unternehmen in einer Dimension, zum Beispiel im Hinblick auf das «G», unterdurchschnittlich ab, ist dies per se noch kein Grund für eine Veräusserung oder einen Ausschluss. Vielmehr versuchen wir, identifizierte Optimierungsmöglichkeiten im Rahmen unserer Engagement- und Voting-Aktivitäten aufzuzeigen und zu nutzen.

Angenommen, eine Unternehmung hat einen sehr schlechten ESG-Score. Was dann?  

RC: Wenn Unternehmen im Hinblick auf den ESG-Gesamtscore im Vergleich zu deren Vergleichsgruppe weit unterdurchschnittlich abschneiden, ist eine Veräusserung angezeigt beziehungsweise wir sehen unter Umständen vor einer Investition ab.

Ich möchte aber betonen, Probleme umgehen, indem man Titel veräussert, ist kein sehr wirksames Mittel.  Stattdessen versuchen wir, investiert zu bleiben und Unternehmen durch unsere Investment Stewardship-Aktivitäten zu nachhaltigeren Praktiken zu bewegen. Ferner sollten die Unternehmungen transparent über ESG-Berichte und aktiv mit den ESG-Datenprovidern das Gespräch suchen. Gleichwohl gilt: Unternehmen, die gegen den Klimawandel lobbyieren, werden über Zeit vollständig aus dem Portfolio entfernt.

Inwiefern kommt die Integration von ESG-Kriterien in den Anlageprozess eigentlich Anleger:innen zugute?

RC: Investment Stewardship leistet einen Beitrag, potenzielle finanzielle Risiken, verursacht beispielsweise durch den Klimawandel, für unsere Anleger:innen zu reduzieren. Gleichzeitig erhöhen wir damit potenziell die Chance für Unternehmen, nachhaltige Businessmodelle aufzugleisen bzw. auszubauen. Davon dürften mittel- bis langfristig auch Anleger:innen profitieren.

Fabio Pellizzari, weshalb sind die Fonds Ihrer Produktlinie «Responsible» überhaupt in kontroverse Titel wie etwa Holcim investiert?

FP: Inwiefern Beton wirklich kontrovers ist, sei mal dahingestellt. Die Gebäude, in welchen wir wohnen und arbeiten, bestehen zu grossen Teilen aus den CO2-intensiven Baustoffen Zement, Stahl und Glas. Ohne Dach über dem Kopf wird es schwierig. Gleiches gilt für ein Portfolio. Für eine nachhaltige, ökonomische Entwicklung braucht es eine Transitionsphase mit entsprechendem Technologiewechsel. Ein Beispiel hier ist rezyklierter Beton, wie er beispielsweise beim Stadion Letzigrund eingesetzt wurde. Die «Responsible»-Produktlinie setzt den Akzent eben auf die Transition hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Ein grundsätzlicher Ausschluss des Unternehmens aus «Responsible»-Produkten wäre kontraproduktiv.

Weshalb? Wenn Unternehmen kein oder zu wenig Kapital bekommen, sind sie gezwungen sich nachhaltig auszurichten?

FP: Theoretisch mag das zutreffen, doch in der Praxis beschaffen sich solche Unternehmen Kapital von Investoren, denen Nachhaltigkeit eine untergeordnete Rolle spielt. Deshalb ist es pragmatischer und in der Folge auch zielführender, wenn wir einen kontinuierlichen Dialog über Nachhaltigkeitsziele führen und unsere Stimmkraft dafür einzusetzen. 2022 stimmten wir in rund 15 Prozent der Traktanden gegen die Empfehlungen des Managements. Unser Abstimmungsverhalten ist öffentlich einsehbar. Letztlich geht es darum, die Vorteile nachhaltigen Wirtschaftens für Investoren, Unternehmen und für die Gesellschaft als Ganzes aufzuzeigen.

Gleichwohl sind viele Retailkunden irritiert, wenn beispielsweise Zementhersteller oder Mineralölkonzerne in einem «Responsible»-Portfolio liegen.  

FP: Bestehende, konventionelle Geschäftsmodelle in nachhaltige Geschäftsmodelle umzubauen, ist technisch komplex und deshalb teuer und zeitaufwändig. Die Entwicklung CO2e-armer oder -neutraler Produkte und Dienstleistungen erfordert Forschung und Entwicklung, die finanziert werden muss. Auch die Skalierung solcher nachhaltiger Businessmodelle benötigt Zeit und Geld. Die Finanzierung muss teilweise aus dem Verkauf konventioneller Produkte und Dienstleistungen erfolgen. Letzteres lässt sich ohnehin nicht vermeiden. Denn Produkte wie etwa konventionell produzierte Baumaterialien lassen sich a) nicht in der benötigen Menge und b) nicht zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten auf die Schnelle durch CO2-neutrale Alternativen substituieren. Das Verständnis für diese umfassende und komplexe Transition fehlt oftmals. Dabei ist es wichtig, dass grossen Konzernen diese Transition gelingt.

Weitere Informationen zu den nachhaltigen Swisscanto Anlagefonds finden Sie unter:

Nachhaltige Anlagefonds für institutionelle Anleger in der Schweiz (zkb.ch)

Nachhaltigkeit

  • Fabio Pellizzari
  • Leiter ESG Strategie & Business Development im Asset Management
  • Zürcher Kantonalbank

Nachhaltigkeit trotz(t) Krisen

Münden die globalen Herausforderungen zusehends in einem Desinteresse an nachhaltigen Anlagen? Eine Einschätzung von Fabio Pellizzari, Leiter ESG Strategie & Business Development im Asset Management der Zürcher Kantonalbank.

Fabio Pellizzari, Leiter ESG Strategie & Business Development im Asset Management der Zürcher Kantonalbank: «Unsere Kundinnen und Kunden investieren mehr und mehr in nachhaltige Produkte.»

Es sind Zeiten der Unsicherheit. Sind nachhaltige Anlagen deshalb weniger gefragt?

Nicht wirklich. Noch während der Finanzkrise 2008 verzeichneten nachhaltige Anlagen viele Geldabflüsse und das Thema verlor an Dynamik. Nun ist das Gegenteil der Fall. Unsere Kundinnen und Kunden investieren mehr und mehr in nachhaltige Produkte. Auch die aktuelle SustainableInvestmentsStudie der Hochschule Luzern bilanziert: Traditionelle Fonds verlieren relativ gesehen, das Interesse für nachhaltige Anlagen steigt entsprechend.

Was ist Ihre Erklärung dafür?

Die ökologischen und sozialen Probleme sind omnipräsent und betreffen Gesellschaften immer konkreter. Extreme Wetterereignisse wie Waldbrände, Wirbelstürme oder heftige Niederschläge häufen sich weltweit. Wegen des weiterhin steigenden Meeresspiegels werden manche Inselstaaten und Städte in Küstenregionen mutmasslich komplett verschwinden. Der wärmere Ozean wirkt sich massiv auf die Biodiversität aus und lässt Korallenriffe absterben. Und an Land: Laut Zahlen des Living Planet Reports des WWF hat der Bestand der Wirbeltiere in den vergangenen 50 Jahren global um 60 Prozent abgenommen. Bis 2030 wollen nun 200 Staaten mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz gestellt haben. Dies wurde jüngst am UNO-Biodiversitätsgipfel in Montreal beschlossen. Ohne solche Verpflichtungen wird es wohl auch nicht funktionieren. 

Doch gewisse Regionen sind schon längst stark bedroht.

In der Tat gibt es Regionen, die seit Jahren unter extremen Dürren leiden. Die Böden sind entsprechend ausgelaugt und vertrocknet – ursprünglich nutzbare Flächen geben nichts mehr her.

Die Folgen?

Humanitäre Krisen. Manche Länder sind dauerhaft auf Hilfsgüter angewiesen. Und mitunter brechen die Menschen auch auf, verlassen ihre Heimat. Hierzulande wiederum führen diese sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte zu einem Umdenken, besonders bei der jüngeren Generation. Viele achten deshalb auch bei ihren Anlagen auf Nachhaltigkeit. 

Anzahl nachhaltiger Fonds in der Schweiz seit 2016 (jeweils per 30. Juni)

 

Anzahl nachhaltiger Fonds in der Schweiz seit 2016 (jeweils per 30. Juni)

Quelle: IFZ Sustainable Investments Studie 2022 

Die Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen steigt, und mit ihr auch die Greenwashing-Vorwürfe. Ist dies berechtigt?

Greenwashing liegt beispielsweise dann vor, wenn Nachhaltigkeitsattribute in einem Produkt beworben, diese in der Realität jedoch nicht umgesetzt werden. Der Schweizer Markt hat meines Erachtens kein systematisches Greenwashing-Problem. Viele Missverständnisse entstehen aufgrund einer Nichtübereinstimmung der Kundenerwartungen mit den effektiven Attributen der angebotenen Produkte. Erhöhte Transparenz und Ausbildung der Belegschaft – insbesondere am Point-of-Sale – sind hier wichtige Gegenmassnahmen, in welche auch die Zürcher Kantonalbank investiert. Investorinnen und Investoren sollten sich unter anderem darüber informieren, welche nachhaltigen Ansätze im Produkt verfolgt werden.

Wie performen nachhaltige Produkte?

Oftmals mindestens gleich gut wie traditionelle Anlagen. Durch das Antizipieren von Trends profitieren diese Produkte vom Wachstumspotenzial der anstehenden Transition, indem etwa in bestimmte Technologien oder Branchen investiert wird. Auch Risikoüberlegungen spielen eine wichtige Rolle. Denn Corporate-Governance-Probleme oder Umweltskandale können der Reputation einer Unternehmung schaden und das Portfolio negativ belasten.

Weshalb wird dennoch traditionell angelegt?

Weil schlussendlich die Kundschaft über ihr Vermögen entscheidet und bei passiven Produkten den gewünschten Index vorgibt. Wir bieten jedoch auch in diesem Bereich nachhaltigere Produkte an, die entsprechende Kriterien berücksichtigen. Aktiv verwaltete Vermögen legen wir standardmässig nachhaltig an.

Responsible, Sustainable, SDG, ESG – an Begriffen mangelt es nicht. Doch was unterscheidet SDG- von ESG-Investitionen?

Der entscheidende Unterschied ist das Was beziehungsweise das Wie. Bei den UN Sustainable Development Goals, kurz SDGs, steht das Was im Fokus, also die Produkte und Dienstleistungen von Unternehmungen und wie diese zu ökologischen und sozialen Lösungen beitragen. 

Bei der ESG-Integration – kurz ESG – geht es nicht darum, wie nachhaltig Produkte oder Dienstleistungen einer Unternehmung sind, sondern: Wie nachhaltig ist die Unternehmung überhaupt geführt und wie wirken sich Nachhaltigkeitsrisiken auf den zukünftigen Aktionärswert aus.

Was heisst dies konkret?

Angenommen, eine Unternehmung betreibt in einer wasserkargen Region Stromerzeugungsanlagen. Ist das Wasser knapp, können die Anlagen nicht mehr gekühlt und müssen somit heruntergefahren werden. Folglich wird kein Strom generiert, was zu Umsatzeinbussen führt. Bei der ESG-Betrachtung wird nun beispielsweise gefragt, wie sich diese Situation auf den Aktionärswert auswirkt.

Hier beginnen die Missverständnisse.

Richtig, denn die ESG-Betrachtung entspricht oft nicht dem, was Retailkundinnen und -kunden unter Nachhaltigkeit verstehen. Sie denken hierbei nicht an eine nachhaltige Unternehmensführung, sondern an nachhaltige Produkte mit positivem Effekt.

Plakativ: Tesla schneidet in unserem ESG-Score beispielsweise bei vielen Kriterien nicht so gut ab. Themen sind hier sicherlich Arbeitsbedingungen, Humankapital, Sicherheitsfragen hinsichtlich des Autopiloten aber auch Corporate-Governance-Aspekte wie etwa die fehlende Separierung CEO/Chairman. Die Unternehmung wurde zum Beispiel auch aus dem Nachhaltigkeitsindex S&P 500 ESG entfernt. Im Was ist die Firma hingegen sehr gut. So ist Tesla etwa bei der Elektrifizierung des Verkehrs und bei den Batterien führend.

Anderes Beispiel: Philip Morris ist gemäss unserer Einschätzung ein hervorragend geführtes Unternehmen mit einer vorbildlichen Corporate Governance, führend im Bereich der Talentrekrutierung. Zudem hat sich das Unternehmen zu Netto-Null verpflichtet. Die ESG-Bewertung ist somit sehr hoch. Im Was hingegen: schlecht. Tabak ist sehr schädlich und lässt sich nicht mit dem Ziel 3 der UN Sustainable Development Goals vereinbaren, das Gesundheit und Wohlergehen für alle fordert.

Der Blickwinkel ist somit entscheidend ...

Für viele Investorinnen und Investoren ist es herausfordernd, die verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeitsleistung einer Anlage in ein ganzheitliches Verständnis zu bringen. Ein ESG-Rating erfasst primär die operative Exzellenz. Jedoch werden wichtige Aspekte wie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der wirtschaftlichen Tätigkeit oder auch kontroverse Aspekte nicht oder nicht genügend stark reflektiert. Um eine ganzheitlichere Sichtweise zu erreichen, fliessen bei uns nebst dem ESG-Score immer auch Kontroversen, die Nachhaltigkeitsbeurteilung der angebotenen Produkte und der CO2e-Fussabdruck in die Beurteilung mit ein.

Was trägt zu mehr Klarheit bei?

Die Selbstregulierung der Schweizerischen Bankiervereinigung sieht vor, dass die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kundschaft erfasst werden. Es ist elementar zu verstehen, was eine Kundin oder ein Kunde tatsächlich will, wenn es um nachhaltige Anlagen geht. Weil dann eben, wie bereits ausgeführt, gegebenenfalls Philip Morris im Portfolio sein kann, Tesla jedoch nicht. Im EU-Raum geht die Regulierung mit MiFID II, SFDR und EU-Taxonomie noch deutlich weiter: Letztere gibt vor, welche Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig gelten und welche nicht.

Neu gelten aber auch Gas– und Atomkraft als nachhaltig.

Die EU hatte bereits vor der Energiekrise politischen Druck – etwa von Frankreich und anderen Atomstaaten –, Gas- und Atomkraft in die EU-Taxonomie aufzunehmen. Sie gelten nun tatsächlich als nachhaltig – wenn auch nur unter bestimmten Bedingungen.

Atomenergie ist CO2-effizient und hat einen ähnlichen Ausstoss wie Windkraft. Es ist jedoch weiterhin unklar, wie die stark radioaktiven Brennstäbe entsorgt werden sollen. Fukushima hat gezeigt, dass ein Restrisiko einer Nuklearkatastrophe nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Ferner stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, heute noch Kernkraftwerke zu planen, die rund 20 Jahre für die Umsetzung benötigen. Die Energie daraus kommt zu spät. Wir benötigen andere Lösungen.

Wobei auch Gas nicht zu den Lösungen gezählt wird.

Gas ist im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern die `klimafreundlichste´ Form. In der Transitionsphase wird Gas somit sicher wichtig bleiben. Insbesondere an windstillen, bewölkten Tagen werden die erneuerbaren Energien wohl nicht ausreichend Strom produzieren, um sämtliche Menschen zu versorgen und den Wirtschaftskreislauf aufrechtzuerhalten. Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zum Aufbau von Speicherkapazitäten sind somit essenziell, um die Bedeutung von Gas langfristig zu reduzieren.

Fakt ist: Durch die Aufnahme von Gas- und Atomkraft in die EU-Taxonomie hat sich die EU angreifbar gemacht. Das vergangene Jahr hat deutlich gemacht, dass es bei der Energie grosse Abhängigkeiten zu vermeiden gilt und es alternativer Quellen bedarf.

Welche Rolle spielt Gas- und Atomkraft in den SustainableFonds von Swisscanto?

Gas- und Atomkraft werden von den Ausschlusskriterien unserer Sustainable-Fonds erfasst.

Wie sehen nachhaltige Anlagen in fünf bis zehn Jahren aus?

Vermutlich nicht viel anders als heute – jedoch regulierter und standardisierter.

Viele Unternehmen werden sich Netto-Null-Ziele und einen Dekarbonisierungspfad gesetzt haben. Sehr wahrscheinlich werden in der Schweiz deutlich mehr Elektromobile auf der Strasse unterwegs sein. Der Strommix wird vermutlich mehr erneuerbare Energien enthalten und neue Heizungen mit Erdwärme betrieben werden. Es ist damit zu rechnen, dass mehr Güter lokal produziert werden und dass sich vermehrt pflanzenbasierte Lebensmittel durchsetzen. All diese Veränderungen werden sich auch im Portfolio widerspiegeln.

Rechtliche Hinweise: Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen wurden nicht im Einklang mit Rechtsvorschriften zur Förderung der Unabhängigkeit von Finanzanalysen erstellt und unterliegen auch keinem Verbot des Handels im Anschluss an die Verbreitung von Finanzanalysen.