Investment Lösungen

  • Interview mit Pierre Mouton
  • Head Long Only Strategies
  • NS Partners

„Europa hat die Dynamik, die sich rund um das Smartphone entwickelt hat, verpasst“.

Seit 2007 ist der Eurostoxx50 um knapp 10% gestiegen. Der S&P500 hingegen hat sich mehr als verdreifacht. Europäische Aktien hinken aus mehreren Gründen hinterher, die Pierre Mouton hier näher beleuchtet. Der erste Grund ist seiner Meinung nach das Fehlen der grossen Tech-Unterrnehmen.

 

Francesco Mandala

Seit der Einführung des Euro im Jahr 2002 haben sich europäische Werte systematisch schlechter entwickelt als die grossen globalen Indizes, einschliesslich des SMI. Welche Gründe rechtfertigen dieses Zurückfallen?

In Wirklichkeit haben sich europäische Aktien bis zum Ausbruch der Subprime-Krise recht gut entwickelt. Die Performance der Finanzwerte war besonders gut. In dieser Zeit erreichten die europäischen Banken ihre Allzeithochs. Im April 2007 war die UBS-Aktie für über 70 Franken zu haben!

Seit 2008 hingegen zeichnet sich die Leistungslücke deutlich ab. Im Vergleich zu den nordamerikanischen Märkten, die in Bezug auf Bevölkerung, Entwicklung oder institutionelle Investitionen am besten vergleichbar sind.

Wie erklären Sie sich das dann?

Ein Nachteil für Europe ist, dass grosse Marktführer im Technologiesektor, abgesehen von ASML mit einer Marktkapitalisierung von 350 Milliarden Euro, fehlen. Weiter ist die sektoralen Verteilung der Märkte ein Grund. Es dominieren die Finanzbranche, der Energiesektor und die Versorger dominiert. Ohne in einen primären Ultraliberalismus verfallen zu wollen, sind dies dennoch Sektoren, die in gewissem Masse dem Wohlwollen der Staaten und ihrer Regierungen unterliegen.

In welchem Sinne?

Die Banken sind für mich ein perfektes Beispiel dafür. In den USA haben sie seit der Finanzkrise eine beispielhafte Erholung vollzogen. In Europa hingegen dümpeln die Aktien der Banken vor sich hin. Sie sind noch weit von ihrem Stand von 2007 entfernt, da die Unternehmen in erster Linie politischen Erwägungen folgen. Die Aufsichtsbehörde hat das europäische Bankensystem fest im Griff. Die eingeführten Aufsichtsregeln sind natürlich sinnvoll, aber sie sind für Anleihegläubiger viel günstiger als für Aktienkäufer. Auch der latente Protektionismus in Europa ist ein Thema hier. Jedes Land achtet eifersüchtig danach, seine nationalen Banken zu erhalten, anstatt einen gesunden Wettbewerb mit der Schaffung grosser Gruppen auf kontinentaler Ebene entstehen zu lassen.

Welche Faktoren haben Europa daran gehindert, selbst seine Tech-Leader zu produzieren?

Leider war kein Unternehmen in Europa in der Lage, sich in das aussergewöhnliche Ökosystem einzufügen, das sich nach dem Erscheinen des Apple iPhone im Jahr 2007 rund um das Smartphone gebildet hat. Dieses Ökosystem umfasst heute Halbleiterhersteller, Betreiber von Rechenzentren, Softwarehersteller und Dienstleistungsplattformen. In den letzten Jahren hat sich die Digitalisierung, durch den Durchbruch in der künstlichen Intelligenz noch verstärkt. In diesem Universum hat es Europa bisher nirgends geschafft, sich zu positionieren.

Ich glaube auch, dass die USA ein anderes Verhältnis zum Kapital, zu seiner Dynamik und zu dessen Einsatz haben. Nach dem Vorbild der Ölgesellschaften von dazumal, zögern die amerikanischen Unternehmen nicht, alles aus ihrer Bilanz zu streichen, was Kapital verbraucht und was nicht zu den strategischen Kernaktivitäten beiträgt. In Europa gibt es immer noch viele Unternehmen, die alles in ihrer Bilanz behalten wollen, ohne sich allzu sehr um die Opportunitätskosten zu kümmern.

Unter welchen strukturellen Ungleichgewichten leidet Europa?

Die Handelsströme in Europa sind noch weit davon entfernt, optimal zu fliessen. Die Mitgliedstaaten der EU können in bestimmten Sektoren recht protektionistisch sein. Insbesondere wenn es darum geht, nationale Champions, die nicht unbedingt für den internationalen Wettbewerb gerüstet sind, zu schützen.

Auch die Energieversorgung macht Europa sehr verwundbar. Im Gegensatz zu den USA, die seit nunmehr 20 Jahren von der Förderung von Schieferöl profitieren, importiert Europa viel und zahlt dafür die Rechnung. Seit 2010 hat die USA die Ölproduktion mehr als verdoppelt und ist sind heute der grösste Produzent der Welt. Die Energiekosten haben sich für die US-amerikanischen Unternehmen nur marginal verändert.

Welche Aussichten sehen Sie für europäische Aktien insgesamt in den nächsten Jahren?

Interessant ist, dass der grösste Beitrag der Sektoren zur Wertentwicklung der europäischen Märkte von Finanzwerten geleistet wird. Das ist oft ein gutes Zeichen, zumal die europäischen Banken recht hoch kapitalisiert sind. Dafür hat die Regulierungsbehörde gesorgt! Das ideale Szenario wäre, wenn die europäischen Banken freie Bahn für Fusionen hätten, wie Sergio Ermotti es sich gewünscht und Emmanuel Macron es in Aussicht gestellt hat. Europa muss nun in diesem Sektor europäische Champions aufbauen.

Pierre Mouton

NS Partners

Pierre Mouton ist seit 2003 bei NS Partners. Er leitet die Long-Only-Strategien der Gruppe und ist ausserdem Mitglied des Anlagekommittees. Er begann seine Finanzkarriere 1993 bei AG2R La Mondiale, wo er Geldmarkt-, Anleihen- und Aktienportfolios verwaltete, bevor er 2000 zu Fiduciary Trust in Genf wechselte und später als Portfoliomanager zu NS Partners stiess. Im Jahr 2004 war er Mitbegründer von Messidor Finance, bevor er 2010 zu NS Partners zurückkehrte. Pierre Mouton hat einen Bachelor- und einen Masterabschluss in Finanzen, Versicherungsmathematik und Portfoliomanagement von der SKEMA Business School in Lille, Frankreich.