Interview Chairman

  • Interview mit Markus Wintsch
  • Chief Executive Officer
  • swisspartners

„Es würde mich nicht überraschen, wenn die Zahl der Finanzdienstleister in drei bis fünf Jahren unter 1000 sinken würde“

Alternde Portfolios, ermüdete Geschäftsmodelle, regulatorischer und generationeller Druck: Markus Wintsch spricht offen über die tiefgreifenden Veränderungen, die das Umfeld unabhängiger Vermögensverwalter umgestalten. Seiner Einschätzung nach könnte der Markt in den kommenden Jahren über ein Drittel seiner Akteure verlieren. Die Konsolidierung erscheint ihm unausweichlich – doch sie lässt sich nicht verordnen. Nur wenige Anbieter sind darauf wirklich vorbereitet. Deshalb plädiert er für eine strategische Neuausrichtung: eine klare Positionierung, ein gezielter Ausbau der Dienstleistungen und der Aufbau sinnvoller Partnerschaften – mit Kohärenz, ohne zwanghaftem Streben nach Grösse.

Von Jérôme Sicard

Der Vermögensverwaltungs-sektor befindet sich im Umbruch. Dennoch lässt die Konsolidierung auf sich warten. Warum?

Sie haben Recht. Seit Jahren ist von Konsolidierung die Rede, doch sie bleibt sehr marginal. Ich denke, dass sich dies bald ändern wird, aber nicht aufgrund der Regulierung, auch wenn der neue Rahmen der FINMA bereits einige hundert Akteure zum Rückzug veranlasst hat. Was wirklich ins Gewicht fallen wird, ist die Demografie. Es ist die Alterung sowohl der Endkunden als auch ihrer Vermögens­verwalter. Viele Portfolios werden noch immer von Relationship Managern betreut, die kurz vor der Pensionierung stehen. Ein Übergabeprozess ist jedoch komplex und kostspielig. Es müssen geeignete Nachfol­ger gefunden werden, es muss sicherge­stellt werden, dass die Kunden diese akzep­tieren, und es muss ein Übergang finanziert werden, der mindestens drei bis fünf Jahre dauern wird. Viele kleine Strukturen verfü­gen einfach nicht über die entsprechenden Kapazitäten. Und genau das dürfte eine gro­sse Welle von Ausstiegen auslösen.

Nur wenige Vermögensverwalter sind struk­turell oder kulturell darauf vorbereitet. Einige sehen Chancen für externes Wachstum, aber viele konzentrieren sich zunächst auf ihr Überleben. Konsolidierung erfordert Weitblick – und Mut. Und diese beiden Eigenschaften sind noch recht selten. Es feh­len auch die Mittel: Kapital, operative Ener­gie, Zeit. Viele Strukturen sind vom Tagesge­schäft absorbiert und haben weder die Res­sourcen noch die Verfügbarkeit, um über einen tiefgreifenden Wandel nachzudenken.

Warum sind so wenige Manager in der Lage, zu fusionieren?

Da ist zunächst einmal die persönliche Dimension. Eine Fusion bedeutet, auf einen Teil seines Einkommens zu verzichten. Ausserdem macht sie nur Sinn, wenn eine echte Kompatibilität besteht – auf allen Ebe­nen: Teams, Kultur, Methoden. Und dann sind da noch die Egos, die es zu managen gilt, mit manchmal recht trivialen Überlegungen. Wer übernimmt den Posten des CEO? Wo wer­den die Büros sein? Welche Kaffeemaschine wird aufgestellt? Oft sind es solche Details, die schon vor der Diskussion über Investitio­nen zu Blockaden führen. Wenn die Grundla­gen nicht stimmen, scheitert die Fusion.

Hinzu kommt die Komplexität der Aktionärs­struktur. Viele Unternehmen befinden sich im Besitz mehrerer Gesellschafter mit sehr unterschiedlichen Ansichten. Einige wollen aussteigen, andere weitermachen, und die Jüngeren haben oft nicht die Mittel, um die Anteile zu kaufen. Das führt zu Blockaden. Schliesslich gibt es noch einen identitätsbe­zogenen Aspekt: Diese Unternehmen spie­geln ihre Gründer wider. Sie zu einer Fusion aufzufordern, bedeutet manchmal, sie zu bit­ten, einen Teil von sich selbst aufzugeben.

Können die Audits der FINMA als Auslöser dienen?

Nicht wirklich. Nach dem, was ich höre, laufen die Audits recht gut. Die Regulierung übt einen echten Druck auf die Strukturen aus, aber er bleibt überschaubar. Was den Sektor verändern wird, ist die Anhäufung: steigende Kosten, eine sich verschlech­ternde Vision, sich ändernde Kundenerwar­tungen. Es ist eher diese Kombination, die sich als entscheidend erweisen wird.

Was wird die Konsolidierung beschleunigen?

Mehrere Faktoren. Unter Druck stehende Einnahmen, immer strengere Compliance-Anforderungen und Depotbanken, die ein Mindestvolumen erwarten, um die Bezie­hung aufrechtzuerhalten. Einige ziehen es vor, Vermögensverwalter unterhalb einer bestimmten Betragsschwelle nicht mehr zu bedienen. Hinzu kommt der Generations­druck: Junge Kunden haben andere Erwar­tungen. Wenn Sie darauf nicht reagieren, schneiden Sie sich selbst ab.

Man muss auch über das Serviceniveau sprechen. Kunden wollen heute umfassen­dere Lösungen: Steuerberatung, grenz­überschreitende Verwaltung, Konsolidie­rung, Digitalisierung. Nur wenige Akteure können all das alleine anbieten. Das reak­tive Modell mit begrenztem Umfang wird – nicht mehr ausreichen.

Wenn nicht die Vermögensverwalter selbst, wer wird dann diese Konsolidierungsbewegung vorantreiben?

Ich sehe vier Arten von Akteuren.

Konsoli­dierer wie Quaestor Coach, Cinerius und Focus Financial Partners. Ihre Modelle sind unterschiedlich erfolgreich, und einige haben den Schweizer Markt sogar verlassen.

Private-Equity-Fonds mit einem offensive­ren Ansatz: kaufen, zusammenlegen, ratio­nalisieren, weiterverkaufen.

Depotbanken. Einige haben Übernahmen oder Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen getätigt, aber es gibt keine wirklich bedeutenden Entwicklungen. Viele beobachten die Lage.

Und schliesslich Family Offices oder sogar Treuhänder. Diese sind oft die interessan­testen Akteure. Sie denken langfristig, brin­gen ihre Kunden und ihr Netzwerk mit, las­sen die Teams an Ort und Stelle und den­ken strategisch.

Die glaubwürdigsten Investoren auf lange Sicht sind diese Family Offices und Treu­händer, sofern sie eine gewisse Grösse haben. Sie verfügen über Geduld, Syner­gien und eine echte industrielle Logik.

Es gibt etwa 1’600 von der FINMA zugelassene unabhängige Vermögensverwalter. Wird ihre Zahl ebenso stark zurückgehen wie bei den Privatbanken in der Schweiz?

Es würde mich nicht überraschen, wenn sie in drei bis fünf Jahren unter die Marke von 1’000 fallen würde. Das ist meiner Meinung nach eine recht vorsichtige Schätzung. Es werden neue, hochwertige Strukturen mit sehr erfahrenen Profilen entstehen, aber der Trend wird eindeutig rückläufig sein.

Die erste Filterwelle erfolgte auf regulatori­scher Ebene über die Zulassungen. Die nächste wird ganz natürlich sein: Einige werden verschwinden, weil sie keine Nach­folger haben, andere, weil sie nicht skalie­ren können. Wieder andere werden sich dafür entscheiden, auszusteigen, anstatt in einem Umfeld weiterzumachen, das für sie zu restriktiv geworden ist.

Was wird aus diesen 600 Unternehmen, die verschwinden werden?

Die meisten werden schliessen. Die Kun­den werden zu Depotbanken wechseln. Einige Strukturen werden fusionieren, andere werden ihre Portfolios verkaufen. Das vorherrschende Szenario wird jedoch die Liquidation sein. Wenn ein Unterneh­men heute weder den Willen noch die Mit­tel hat, sich weiterzuentwickeln, bezweifle ich, dass es dies morgen tun kann.

Es wird auch schrittweise Ausstiege geben: Kundenberater werden reibungslos die Verantwortung abgeben, die Kunden wer­den sich anderswo neu orientieren, die Geschäftstätigkeit wird langsam auslaufen.

Welche Rolle will swisspartners in diesem Zusammenhang spielen?

Wir haben gerade eine Zürcher Finanz­boutique mit drei Kundenberatern integ­riert. Wir sind offen für alle Gespräche, für den Kauf kleiner Teams, von Unternehmen unserer Grösse oder sogar das Zusam­mengehen mit grösseren Strukturen. Vor allem aber müssen sie mit unserem Modell kompatibel sein, damit es Sinn macht. Die Kultur zählt: Kundschaft, Anlagestil, Werte. Ohne dies bleibt eine Transaktion nur eine Papierübung.

Wir wissen, dass die Unternehmensführung oft der Knackpunkt ist. Viele Unternehmen befinden sich im Besitz von geschäftsfüh­renden Gesellschaftern mit sehr unter­schiedlichen Visionen. Das macht jede Transaktion komplexer. Und oft sind die Preisvorstellungen realitätsfern. Man „ver­kauft” eine Kundenbeziehung nicht wie einen gewöhnlichen Vermögenswert.

Wir glauben an den Dialog. Wenn die Denkweisen, Ambitionen und Modelle übereinstimmen, dann lohnt es sich, weiter zu verhandeln. Aber wir jagen nicht nach Grösse. Was uns interessiert, ist, etwas Langfristiges auszubauen.

Und die Allianz Schweizer Vermögens­verwalter?

Die Allianz umfasst heute 42 Mitglieder, die alle mehr als eine Milliarde unter Verwaltung haben. Es handelt sich nicht um einen Berufs­verband, sondern um eine Interessenge­meinschaft. Die ursprüngliche Idee war, bewährte Praktiken auszutauschen, die Zusammenarbeit zwischen Gleichgesinnten zu stärken und eine gemeinsame Stimme zu entwickeln. Wir organisieren Arbeitsgrup­pen, erleichtern den Austausch mit Verwahr­stellen und IT-Anbietern und entwickeln gemeinsame Projekte. Angesichts ihrer Grö­sse und der Qualität ihrer Strukturen sind die Mitglieder der Allianz natürlich dazu aufge­rufen, eine zentrale Rolle bei der Konsolidie­rung zu übernehmen.

Welches Gewicht kann die Allianz bis 2030 erreichen?

Heute verwalten unsere Mitglieder gesamt­haft rund 150 Milliarden Franken und beschäf­tigen 1’800 Mitarbeiter. Bis 2030 könnten es 200 Milliarden sein. Aber über die Zahlen hinaus zählt der kollektive Einfluss: gegen­über Regulierungsbehörden, Dienstleistern und dem Arbeitsmarkt. Wenn wir dieses Segment der Branche gut strukturieren, kann es zu einer wichtigen Referenz werden.

Wie wird sich der Beruf über die Konsolidierung hinaus entwickeln?

Jeder Vermögensverwalter muss seine Strategie klar definieren. Alles beginnt mit drei Fragen: Wer sind Ihre Kunden, wo sind sie ansässig und was bieten Sie ihnen an? Dann muss man sich für ein Modell entschei­den. Entweder positioniert man sich als Spe­zialist und ist bestrebt sich als Brancheninti­mus in einem bestimmten Bereich – z.B. Schweizer Aktien, Private Equity, Kryptowäh­rungen usw. Zu etablieren. Aber das setzt eine überdurchschnittliche Performance voraus. Oder Sie sind ein Generalist, eine zentrale Anlaufstelle. Diese Entscheidung wurde bei swisspartners getroffen. Wir decken die Bereiche Vermögensverwaltung, Treuhand, Immobilien, Family-Office-Dienst­leistungen, Vermögenskonsolidierung und Versicherungen ab. Unsere Kundschaft ist überwiegend schweizerisch und vermö­gend. Hier liegt unser grösster Mehrwert.

Auch die Beziehung zum Kunden verändert sich. Was früher ein Pluspunkt war, ist heute Standard: digitale Tools, Transparenz, Unter­stützung in mehreren Rechtsordnungen.

Schliesslich hängt der Fortbestand des Unternehmens vom Team und der Qualität der Mitarbeiter ab, die es zusammen­bringt. Wir investieren in Bildung, Ausbil­dungsprogramme und Partnerschaften mit Schulen. Man muss in der Lage sein, die nächste Generation anzuziehen, auszubil­den und zu halten.

Was wird den Erfolg eines Schweizer Vermögensverwalters in den nächsten 10 Jahren ausmachen?

Die Fähigkeit, sich anzupassen, eine klare Vision zu haben und das Vertrauen ver­schiedener Kundengenerationen zu gewin­nen. Die Grösse kann helfen, aber sie ent­scheidet nicht alles. Was zählt, ist, relevant zu sein. Wer zu spät reagiert, wird überholt. Wer sich selbst hinterfragen und voraus­schauend handeln kann, bleibt im Rennen.

Markus Wintsch

swisspartners

Markus Wintsch ist CEO und Partner von swisspartners. Er trat 1995 in die Gruppe ein. Damals war er erst der sechste Mitarbeiter. Im Jahr 2001 wurde er zum CEO ernannt und übernahm die strategische Leitung des Unternehmens. Im Jahr 2017 übernahm er die Leitung des Group Management Board, das er bis heute leitet. Markus begann seine Karriere bei der UBS, wo er von 1992 bis 1995 als Senior Relationship Manager tätig war.

Er ist ausserdem Vizepräsident der Allianz Schweizer Vermögens­verwalter, einer Interessengemeinschaft, die Vermögensverwaltungs­gesellschaften mit einem Vermögen von über einer Milliarde vereint. Die Allianz hat sich zum Ziel gesetzt, den Austausch bewährter Praktiken zwischen den Mitgliedern zu fördern und den Dialog mit Verwahr­stellen, Dienstleistern und Aufsichtsbehörden in einer Branche zu strukturieren, die sich derzeit in einem Umbruch befindet.

 

EAM-Lösungen
Instrument

Instrument

Aurélie Léger
Indosuez Wealth Management
„Für Vermögensverwalter ist der Kredit zu einem Instrument zur Gewinnung neuer Kunden geworden.“

EAM-Lösungen
Instrument

Instrument

Aurélie Léger
Indosuez Wealth Management
„Für Vermögensverwalter ist der Kredit zu einem Instrument zur Gewinnung neuer Kunden geworden.“

SPHERE

The Swiss Financial Arena

Seit der Gründung im Jahr 2016 unterstützt und vernetzt SPHERE die Community der Schweizer Finanzbranche. SPHERE ermöglicht den Austausch, sei es mit dem vierteljährlich erscheinenden Magazin, den beiden Sonderausgaben für institutionelle Anleger, der Website, den Newsletter und den Veranstaltungen, die das ganze Jahr hindurch durchgeführt werden. Toutes les parties prenantes de la finance, l’un des plus importants secteurs économiques de Suisse, ont ainsi à leur disposition une plateforme où il leur est possible d’échanger, de s’informer et de progresser.

Route de Florissant 2
CH-1206 Genève

P +41 22 566 17 32

© 2023 Sphere Magazine