EAM-Lösungen
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Das 60-40-Portfolio: Ein widerstandsfähiges Modell im Härtetest der Märkte
Seit über 20 Jahren ist das 60-40-Modell – 60% Aktien und 40% Anleihen, in den europäischen Ländern häufiger 50-50 – der Massstab für den Aufbau ausgewogener Portfolios. Nach der Krise von 2022 sahen viele jedoch sein Ende voraus. Zu Unrecht, wie sich herausstellte. Das Modell ist keineswegs veraltet, sondern verkörpert die Widerstandsfähigkeit und Einfachheit, welche private und institutionelle Anleger in einem immer komplexeren Finanzumfeld benötigen.
Seit über 20 Jahren ist das 60-40-Modell – 60% Aktien und 40% Anleihen, in den europäischen Ländern häufiger 50-50 – der Massstab für den Aufbau ausgewogener Portfolios. Nach der Krise von 2022 sahen viele jedoch sein Ende voraus. Zu Unrecht, wie sich herausstellte. Das Modell ist keineswegs veraltet, sondern verkörpert die Widerstandsfähigkeit und Einfachheit, welche private und institutionelle Anleger in einem immer komplexeren Finanzumfeld benötigen.
Das 60-40-Portfolio beruht auf einer einfachen Logik: Es verbindet das Streben nach Rendite, das hauptsächlich von Aktien getragen wird, mit der Stabilität, die durch Staats- und Unternehmensanleihen vermittelt wird. In der Vergangenheit hat diese Kombination dazu beigetragen, dass Finanzkrisen relativ gelassen überstanden werden konnten. Wenn die Aktienmärkte fallen, tendieren Staatsanleihen aus den wichtigsten Industrieländern, den USA und Deutschland, zu einer Aufwertung und bieten so ein Sicherheitspolster, das die Verluste der riskanten Anlagen im Portfolio abfedert.
Diese negative Korrelation war lange Zeit der Schlüssel zu ausgewogenen Anlagestrategien. Sie ermöglichte es, Verluste in volatilen Phasen zu begrenzen und gleichzeitig in ruhigen Phasen ein regelmässiges Einkommen zu erzielen.
Die scharfe Korrektur der Anleihen im Jahr 2022 änderte die Lage. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten bewegten sich Anleihen – sowohl Staats- als auch Unternehmensanleihen – und Aktien in die gleiche Richtung, nämlich nach unten. In jenem Jahr verlor der S&P500 beispielsweise 18,1 % einschliesslich Dividenden, während der Bloomberg Aggregate Total Return Bond Index 13 % einbüsste. Ein Phänomen, das für alle heute amtierenden Finanzprofis ein Novum darstellt. Keiner von ihnen hatte zu diesem Zeitpunkt eine solche Situation erlebt. Dieses Szenario veranlasste daher einige Beobachter, die Angemessenheit des 60-40-Modells in Frage zu stellen.
In der Praxis ist die Dekorrelation zwar nicht mehr so systematisch, aber das 60-40-Modell behält seinen Wert. Selbst wenn Anleihen und Aktien gleichzeitig fallen, kann die Präsenz von Anleihen in einem Portfolio die Schwankungsbreite begrenzen. Das Hauptziel, die Gesamtvolatilität zu senken, wird also weiterhin erreicht, auch wenn die Schutzmechanismen weniger wirksam sind als früher.
Was vermutlich überflüssig geworden ist, ist nicht ein Allokationsmodell, sondern vielmehr eine Anlagephilosophie. In der Vergangenheit hatten professionelle und private Vermögensverwalter Zugang zu besseren Informationen als die grosse Öffentlichkeit. Dies ermöglichte es ihnen manchmal, ihre Portfolios an das finanzielle Umfeld anzupassen und dem „Retail“ einen Schritt voraus zu sein. Das ist heute nicht mehr der Fall. Heutzutage hat jedermann Zugang zu einem Informationsstand über die Makro- oder Mikroökonomie, der mit dem der Profis vergleichbar ist. Dadurch geht ein wichtiger strategischer Vorteil verloren.
Eine realistische Einschätzung der erwarteten Portfoliorenditen ist nun möglich. Dazu muss man nur die potenzielle Rendite von Anleihen und Aktien über einen längeren Zeitraum hinweg bewerten. Je länger der Zeithorizont, desto geringer ist die Schwankungsbreite, da die Fundamentaldaten alle anderen Faktoren überlagern werden. Blackrock erstellt derartige Prognosen für die kommenden Jahre. Nach ihren jüngsten Schätzungen dürfte ein 60-40-Portfolio in den nächsten zehn Jahren ohne Berücksichtigung von Gebühren eine durchschnittliche USD-Rendite zwischen 4,35 % und 6,61 % pro Jahr erzielen. Wie man sieht, gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass 60-40 nicht mehr funktioniert. Was ein Anleger vernünftigerweise von einer solchen Allokation erwarten kann, hängt in erster Linie von den langfristigen Renditen von Aktien und Anleihen ab.
Man muss die Zusammensetzung des Portfolios nicht ständig an kurzfristige Schwankungen anpassen, sondern im Gegenteil einer Strategie treu bleiben, unabhängig von den vorübergehenden Emotionen. Man muss die Unsicherheit der Märkte akzeptieren und investiert bleiben. Änderungen an der Zusammensetzung des Portfolios können vorgenommen werden, wenn sich das Finanzregime ändert. Dies geschieht jedoch nur selten.
Das Wichtigste ist, der Einfachheit den Vorzug zu geben. Warren Buffett, der Weise von Omaha, beweist seit Jahrzehnten, dass es nicht nötig ist, die Komplexität zu übertreiben, um solide Ergebnisse zu erzielen. Geduld ist ebenfalls unerlässlich, denn es ist die Zeit, nicht das Timing, die zu einer guten Performance führt.
Es reicht nicht aus, eine Vermögensallokation zu haben, die dem eigenen Risikoprofil entspricht. Man muss auch die richtigen Anlagevehikel finden, um seine Strategie umzusetzen. In diesem Punkt ist es wichtig, kompromisslos zu bleiben. Ein aktiver Fonds, der über drei oder fünf Jahre im dritten oder vierten Quartil seiner Kategorie eingestuft wird, gehört nicht mehr ins Portfolio. Im Zweifelsfall ist es besser, einen liquiden ETF zu bevorzugen. Ebenso ist bei strukturierten Produkten Vorsicht geboten, da sie oft teuer sind und keinen echten Sekundärmarkt haben.
Um die Ergebnisse zu optimieren, muss man das Rendite-Risiko-Verhältnis im Auge behalten, denn jedes Ziel, das von diesem grundlegenden Duo abweicht, wird früher oder später die Performance einschränken. Managementprofis, die gleichzeitig versuchen würden, ihre Vergütung und die Portfolioperformance zu maximieren, verfolgen zwei unvereinbare Ziele. Langfristig können die erhofften Renditen nur durch die Disziplin einer gut durchdachten Allokation erreicht werden, die ohne Zugeständnisse an die Qualität der Instrumente ausgeführt wird. Somit wird die Frage nach der Nachhaltigkeit des 60-40-Modells nicht in Frage gestellt. Vorausgesetzt, man hält sich an die Grundregeln des Investierens.
Für Schweizer Anleger, die mit historisch niedrigen Anleihezinsen konfrontiert sind, stellt sich eine zentrale Frage: Was tun, wenn die erwartete Rendite von Staatsanleihen im kommenden Jahrzehnt gegen Null tendiert? Das bereitet starkes Kopfzerbrechen. Alternativen zu finden, wird unerlässlich, denn in einen Vermögenswert ohne erwartete Rendite zu investieren, macht keinen Sinn mehr. In diesem Zusammenhang wird es notwendig, den Aufbau des Portfolios zu überdenken, ohne dabei auf die Qualitäten der Diversifizierung zwischen Aktien und Anleihen zu verzichten. Die Lösungen existieren.
Das 60-40-Modell ist in erster Linie eine Möglichkeit, ein Risikobudget zu definieren. Es ist nach wie vor beliebt, weil es die Erwartungen der meisten Anleger – Privatanleger und institutionelle Investoren – an die risikobereinigte Performance widerspiegelt. Dies ist auch der Grund für die Aufmerksamkeit, welche seinen Ergebnissen gewidmet wird.
In einem Finanzumfeld, in dem Unsicherheit und Volatilität zur Norm geworden sind, sind Einfachheit, Disziplin und Flexibilität wertvoller denn je. Anstatt komplexen, oft wenig profitablen Strategien hinterherzujagen, sollten sich Anleger lieber auf bewährte Prinzipien stützen.
Angesichts der Herausforderungen moderner Märkte verkörpert das 60-40-Modell Kontinuität. Es gibt zwar Möglichkeiten, es zu verbessern, aber es hat sich dennoch als dauerhaft wirksam erwiesen. Wenn die Dekorrelation zwischen Aktien und Anleihen in Zukunft weniger stark ist, muss man mehr Volatilität als in der Vergangenheit in Kauf nehmen, um ein ähnliches Ergebnis zu erzielen.
Jean-Sylvain Perrig
Premyss
Jean-Sylvain Perrig ist Gründer und CEO von Premyss, einem Unternehmen, das unabhängige Vermögensverwalter und Family Offices in den Bereichen Asset Allocation, Portfoliostrategie und Marktanalyse begleitet. Jean-Sylvain verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Vermögensverwaltung und der strategischen Beratung. Er hatte Führungspositionen bei führenden Schweizer Banken inne, unter anderem als Chief Investment Officer. Zudem war er Präsident der Swiss Financial Analysts Association (SFAA), deren Ziel die finanzielle Weiterbildung von Investmentprofis ist. Jean-Sylvain hat einen Masterabschluss in Unternehmensführung der HEC Lausanne sowie das eidgenössische Diplom als Finanzanalyst.
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