Interview Chairman
- Interview mit Laurent Pellet
- Limited partner, Global Head EAM
- Bank Lombard Odier
« UVV müssen ein Angebot bereitstellen, das sowohl anspruchsvoller ist als auch den neuen Erwartungen der Kunden besser entspricht. »
Zwischen regulatorischem Druck, steigenden Kosten und dem Aufkommen einer neuen Generation von Anlegern verändert sich das unabhängige Modell derzeit rapide. Im Zentrum dieses Wandels erreichen viele Strukturen mittlerweile die Grösse kleiner Banken und setzen neue Standards für die Branche. Laurent Pellet analysiert unverblümt die Dynamiken, die heute die Konturen des Berufsstands neu definieren.
Von Jérôme Sicard
Wie hoch ist das derzeitige verwaltete Vermögen der rund 1’600 von der FINMA zugelassenen Vermögensverwalter?
Leider fehlen uns hierzu noch Informationen. Alles deutet darauf hin, dass die von den Vermögensverwaltern in der Schweiz verwalteten Volumina in derselben Grössenordnung liegen wie die historischen Schätzungen. Wir sprechen also von einer Gesamtsumme, die zwischen 400 und 500 Milliarden Franken liegt. Im Jahr 2017 haben die Crédit Suisse und die Universität St. Gallen eine Studie durchgeführt, in der von einem Betrag von rund 400 Milliarden die Rede war.
Bei der Meldepflicht der FINMA im Juni 2020 haben sich 1’934 Unternehmen registriert. Im Jahr 2025 haben nur etwa 1’500 eine Lizenz erhalten, was einem Rückgang von rund 20 % entspricht. Dieser Rückgang spiegelt in erster Linie eine Konsolidierungsbewegung wider. Zahlreiche Akteure haben sich für einen Zusammenschluss entschieden, was eher zu einer Konzentration der Bestände als zu einer tatsächlichen Erosion des Marktes geführt hat. Die verwalteten Vermögen sind daher insgesamt stabil geblieben.
Wie schätzen Sie die Entwicklung dieser verwalteten Volumina in den nächsten Jahren ein?
Ich denke, dass die Zahl der unabhängigen Verwaltungsgesellschaften weiter zurückgehen wird. Die Kosten im Zusammenhang mit der Regulierung, den Governance-Anforderungen oder auch den technologischen Investitionen sind nach wie vor hoch. Sie belasten kleine Strukturen umso mehr. Viele werden sich dafür entscheiden, sich einem grösseren Akteur anzuschliessen, um die Kosten zu teilen, Zugang zu neuen Kompetenzen zu erhalten und ihr Dienstleistungsangebot zu erweitern. Andere werden ihre Tätigkeit einfach einstellen, entweder weil es keinen Nachfolger gibt oder aus persönlichen Gründen.
Dieser Rückgang wird jedoch nicht zu einem Marktrückgang führen. Nach einer Stabilisierungsphase im Zusammenhang mit der Anpassung an die neuen Gesetze dürften die verwalteten Vermögen im Gegenteil wieder steigen. Die Konsolidierung des Sektors sollte die bestehenden Plattformen stärken und mittelfristig ein nachhaltigeres Wachstum begünstigen.
Immer mehr Vermögensverwaltungsgesellschaften erreichen eine Grösse, die mit kleinen Banken mit einem verwalteten Vermögen von über 5 oder sogar 10 Milliarden vergleichbar ist. Wie beurteilen Sie diesen Trend?
Historisch gesehen basierte das Modell der unabhängigen Vermögensverwalter auf Kundennähe, schlanken Strukturen und der Übertragung von Bankfunktionen an Verwahrstellen. Das Inkrafttreten der neuen Gesetze im Jahr 2020 hat die Situation grundlegend verändert: Die Fixkosten, sei es aufgrund regulatorischer oder technologischer Anforderungen, sind deutlich gestiegen. In diesem Zusammenhang profitieren die grössten Akteure nun von Skaleneffekten und sind in der Lage, ihre Position zu stärken.
Dieses Wachstum lässt sich auch durch die Konsolidierungsbewegung in diesem Sektor erklären. Vermögensverwalter, die nach einer nachhaltigen Lösung suchen, schliessen sich mit stärkeren Akteuren zusammen. Diese können eine professionelle Organisation, eine bewährte Governance, integrierte oder ausgelagerte Risikomanagement- und Compliance-Funktionen sowie eine hochmoderne technologische Infrastruktur anbieten. Im Zuge dieser Zusammenschlüsse wächst das verwaltete Vermögen dieser grossen Akteure natürlich weiter.
Ist mit der Grösse dieser Strukturen langfristig eine Verschärfung der Regulierung zu erwarten?
Die FINMA hat stets den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verteidigt. Einige Verwaltungsgesellschaften erreichen heute eine Grösse, die mit kleineren Banken vergleichbar ist, aber sie verfügen weder über die entsprechende Lizenz noch erfüllen sie die Aufgaben einer Verwahrstelle. Die Aufsichtsbehörde wendet daher einen angepassten Rahmen an, der im Vergleich zu dem für Bankinstitute weniger streng ist. Das Ziel bleibt die Gewährleistung eines angemessenen Sicherheits- und Governance-Niveaus, ohne das Wesen des unabhängigen Modells in Frage zu stellen.
Was sollten heute ihre operativen Prioritäten sein?
Die Priorität für unabhängige Vermögensverwalter bleibt die konsequente Umsetzung der Compliance- und Governance-Anforderungen aus dem FIDLEG und dem FINIG. Sie müssen daher die Prozesse der Eignung und Angemessenheit vollständig in den Kundenalltag integrieren, die Dokumentation automatisieren und alle internen Verfahren und Richtlinien auf dem neuesten Stand halten.
Ebenso wichtig ist es, sich mit vollständigen und einwandfreien Unterlagen auf die aufsichtsrechtlichen Prüfungen und Inspektionen der FINMA vorzubereiten. Schliesslich müssen die unabhängigen Vermögensverwalter ihren Technologiebedarf bewerten, um die Effizienz zu steigern und die operative Komplexität zu reduzieren, insbesondere durch die Automatisierung sich wiederholender Aufgaben. Diese Modernisierung zielt auch darauf ab, das Kundenerlebnis zu verbessern, das zu einem zentralen Differenzierungsmerkmal wird.
Wie passen Sie Ihre Dienstleistungen an die Umstrukturierung der Vermögensverwalter an?
Depotbanken sind nicht mehr nur einfache Verwahrer von Vermögenswerten für unabhängige Vermögensverwalter. Sie erfüllen heute die Rolle eines strategischen Partners. Wir stellen unabhängigen Vermögensverwaltern eine leistungsstarke Technologieplattform zur Verfügung. Diese entwickeln wir kontinuierlich weiter, indem wir neue Funktionen, einen FIX-Handelsprozess oder ein Tool zur Simulation und Bearbeitung strukturierter Produkte integrieren.
Über die Infrastruktur hinaus unterstützen wir sie auch bei der Optimierung ihrer Portfolios, indem wir ihnen Zugang zu anspruchsvolleren Produkten wie nicht börsennotierten Vermögenswerten oder alternativen Lösungen verschaffen. Unser Ziel ist es, ihnen zu ermöglichen, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren, und ihnen gleichzeitig die technologischen Mittel und Anlagelösungen zur Verfügung zu stellen, welche sie benötigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Wo liegen heute ihre wichtigsten Wachstumshebel?
Die Wachstumshebel liegen vor allem in der Spezialisierung und der Fähigkeit, ein wirklich differenziertes Angebot zu bieten. Die Entwicklung von Dienstleistungen mit hohem Mehrwert – in den Bereichen Nachfolge, internationale Besteuerung, Private Assets oder alternative Lösungen – ist ein entscheidender Vorteil, um eine neue Generation von Anlegern anzuziehen.
Die nächste Generation, die Erben, aber auch Unternehmer und sehr vermögende Kunden zeigen ein wachsendes Interesse am unabhängigen Modell, gerade aufgrund seiner Flexibilität, seiner Nähe und seiner gezielten Expertise. Diejenigen, die es verstehen, Individualisierung und Professionalität zu verbinden, werden sich in diese Dynamik einfügen können.
In welcher Hinsicht haben sich die unabhängigen Vermögensverwalter in den letzten Jahren am stärksten verändert?
Die erste grosse Veränderung war die Umsetzung der Gesetze FIDLEG und FINIG. Mit ihrem Inkrafttreten waren Vermögensverwalter verpflichtet, eine Zulassung zu erwerben, ihre Governance zu formalisieren, ihre Kundendokumentation zu strukturieren und ihre Compliance-Verfahren zu verstärken. Dieser Rahmen zwang die Branche zur Professionalisierung und zur Anhebung der Anforderungen.
Die zweite, jüngere Entwicklung betrifft die Einführung externer Technologielösungen: Reporting-Plattformen, Portfoliomanagementsysteme, CRM oder Cloud-Tools. Diese Lösungen ermöglichen die Automatisierung einer Vielzahl von Verwaltungsaufgaben, steigern die Effizienz und verbessern das Kundenerlebnis. Die Digitalisierung ist nicht mehr nur eine strategische Entscheidung, sondern auch ein entscheidender Wettbewerbsfaktor.
Schliesslich haben sich auch die Erwartungen der Kunden gewandelt. Investoren suchen heute zwar nach Performance, aber auch nach mehr Transparenz, Nachhaltigkeit und Diversifizierung. Das wachsende Interesse an Private Assets, Family-Governance-Dienstleistungen, Vermögensstrukturierung oder Impact Investing zwingt unabhängige Vermögensverwalter dazu, ihr Geschäftsmodell zu überdenken. Sie müssen sich stärker spezialisieren und ein Angebot bereitstellen, das sowohl anspruchsvoller ist als auch den neuen Erwartungen der Kunden besser entspricht.
In welchen Bereichen müssen sie sich noch verbessern?
Der wichtigste Schwerpunkt liegt auf einer schnelleren und gezielteren Einführung von Technologien. Natürlich gibt es kein einheitliches Modell, das für alle unabhängigen Vermögensverwalter gilt, aber jede Struktur muss Tools integrieren, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind – ob künstliche Intelligenz, Cloud-Lösungen oder Blockchain. Diese Technologien ermöglichen es, die Effizienz zu steigern, Prozesse zu vereinfachen und letztlich die Kosten besser zu kontrollieren.
Sie sind auch ein wesentlicher Hebel zur Verbesserung des Kundenerlebnisses. Durch den intelligenten Einsatz von Daten und digitalen Tools lassen sich nicht nur die Erwartungen der aktuellen Kunden antizipieren, sondern auch die Bedürfnisse der nächsten Generationen erfüllen, die technikaffiner sind und höhere Ansprüche an die Personalisierung stellen.
Welche grossen Trends werden die Dynamik dieses Sektors in den nächsten Jahren bestimmen?
Die Übertragung von Vermögen an die nächste Generation ist zweifellos der prägendste Trend für die kommenden Jahre. Dieser Übergang betrifft nicht nur die Generation Z, die oft mit „Digital Natives” umschrieben wird, sondern auch die Millennials und einen Teil der Generation X. Vermögensverwalter müssen neue Arten von Vermögenswerten – private, alternative oder sogar digitale – in ihr Angebot aufnehmen und dabei den wachsenden Erwartungen in Bezug auf Nachhaltigkeit und Impact Investing Rechnung tragen.
Gleichzeitig wird die Digitalisierung zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Die nächsten Generationen bevorzugen eine direktere und interaktivere Beziehung über Online-Plattformen, mobile Anwendungen oder soziale Netzwerke. Um die eigenen Aktivitäten langfristig zu sichern, müssen Vermögensverwalter ebenso agil sein.
Laurent Pellet
Limited Partner, Global Head of EAM
Laurent Pellet trat 2017 in die Bank Lombard Odier & Cie SA ein und übernahm 2018 die Verantwortung für die Abteilung der externen Vermögensverwalter für die Gruppe. Nach seinen Anfängen bei Ferrier Lullin & Cie SA war er über 20 Jahre lang in verschiedenen Funktionen bei der Bank Julius Bär tätig. Er verfügt über einen Abschluss in quantitativer Vermögensverwaltung der HEC Genf und einen Abschluss in Digital Finance Law der Universität Genf und der CWMA.
Ausgewogenheit
Jean-Sylvain Perrig
Premyss
Das 60-40-Portfolio: Ein widerstandsfähiges Modell im Härtetest der Märkte
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