Interview Chairman
- Interview mit Kim-Andrée Potvin
- Chief Executive Officer
- Bank Bonhôte
„Technologie verändert grundlegend den Kundenweg und das Kundenerlebnis.“
Kim-Andrée Potvin hat zu Jahresbeginn die Leitung von Bonhôte übernommen. Sie wurde in grossen Konzernen ausgebildet und hat sich in agileren Strukturen bewährt. Nun will sie den unternehmerischen Geist der Neuenburger Bank nutzen, um das Wachstum in mehreren Bereichen zu beschleunigen. Ihre Prioritäten: eine schnellere, besser vernetzte und reaktionsfähigere Bank – mit einer spürbaren Weiterentwicklung des Kundenerlebnisses im Zentrum des Ansatzes.
Von Jérôme Sicard
Welche Erfahrungen aus Ihrer Zeit bei einem grossen Konzern wie BNP Paribas bringen Sie bei Bonhôte ein?
Ich habe gelernt, mich in komplexen Umgebungen zurechtzufinden: Profitcenter zu führen, grosse Teams zu steuern, Transformationsprojekte auf organisatorischer wie technologischer Ebene umzusetzen. Dieses Rüstzeug bringe ich mit. Zugleich bin ich überzeugt, dass in unserem Beruf letztlich alles über den Menschen läuft. Über zehn Jahre lang habe ich hunderte Mitarbeitende geführt, sie mobilisiert, begeistert und rund um ein Projekt vereint. Diese Fähigkeit, Teams in eine starke Dynamik zu bringen, ist für mich ein entscheidender Hebel.
Und was haben Sie aus Ihrer Zeit bei Landolt und Bamboo, in kleineren Strukturen, mitgenommen?
SaGanz klar: den Unternehmergeist. In überschaubaren Strukturen werden Entscheidungen schnell getroffen, sofort umgesetzt und zeigen unmittelbare Wirkung. Diese Umsetzungskraft und Reaktionsfähigkeit haben mir sehr gefallen – das ist ein Umfeld, in dem ich voll aufblühe. Genau das habe ich auch bei Bonhôte wiedergefunden: eine Bank, die in dreissig Jahren von drei auf über hundert Mitarbeitende gewachsen ist und dennoch ihren Unternehmergeist bewahrt hat. Das ist ein Arbeitsumfeld, das zugleich anregend und verantwortungsvoll ist.
Wie profitieren Sie von der Agilität einer Bank wie Bonhôte?
Die Agilität bei Bonhôte ist real und zeigt sich auf allen Ebenen: durch kurze Entscheidungswege, schnelle Umsetzung und eine konsequente Unabhängigkeit. Die Bank existiert seit über zwei Jahrhunderten und befindet sich immer noch im Besitz eines kleinen Aktionärskreises. Diese Stabilität und Unabhängigkeit sichern unsere Autonomie. Das zeigt sich auch in der Organisation: Bonhôte deckt die gesamte Wertschöpfungskette intern ab, inklusive eigenem Handelsraum. Das erlaubt uns, beispielsweise ein Konto für in der Schweiz ansässige Kunden innerhalb von 24 Stunden zu eröffnen.
Auf welche Geschäftsbereiche konzentriert sich Bonhôte heute?
Im Zentrum steht die langfristig ausgerichtete Vermögensverwaltung, unser Kerngeschäft. Ergänzt wird dies durch gezielte Nischenpositionierungen: etwa in der Immobilienanlage mit einem Flaggschifffonds, der die Milliardengrenze überschritten hat, in physischen Edelmetallen mit einem Fonds für nachverfolgbares Gold, im Kunst- und Philanthropiebereich sowie im Service für externe Vermögensverwalter.
Zudem ist das Engagement der Bank für Kundennähe entscheidend: Bonhôte pflegt eine starke regionale Verankerung und verfolgt eine umfassend nachhaltige Ausrichtung – als Arbeitgeberin, Investorin und Dienstleisterin. Bonhôte ist eine der wenigen Schweizer Banken mit einer B Corp-Zertifizierung.
Wie wollen Sie das Asset Management weiterentwickeln?
Bonhôte hat bereits eine eigene Fondspalette aufgebaut, die die wichtigsten Anlageklassen abdeckt. Der nächste Schritt ist ein nachhaltiger Schweizer Aktienfonds. Seit vielen Jahren engagieren wir uns im quantitativen und verantwortungsbewussten Investieren und wollen diese Kompetenz mit innovativen Produkten weiter ausbauen, ergänzend zum Private Banking.
In Bezug auf das Wachstum wollen wir die Distribution unserer Produkte über die eigene Klientel hinaus erweitern – über externe Partner, Plattformen und institutionelle Kunden, in der Schweiz wie im Ausland.
Welche Wachstumsstrategie verfolgen Sie als neue CEO?
Unsere Strategie basiert auf organischem Wachstum, das Bonhôte seit über dreissig Jahren erfolgreich verfolgt, sowie auf gezielten externen Wachstumschancen. In unserem Kerngeschäft, der Vermögensverwaltung, wollen wir unsere Kundschaft weiter ausbauen, gestützt auf unsere Niederlassungen in Genf, Lausanne, Biel, Solothurn, Bern, Zürich und Neuchâtel. Auf der Akquisitionsseite bleiben wir offen für Gelegenheiten, die zu unseren Nischen passen – seien es Portfolios, Teams oder ganze Strukturen. Wichtig ist uns dabei, unseren Werten, unserer regionalen Verankerung und unserem unternehmerischen Bankmodell treu zu bleiben. Dabei kann ich auf die Unterstützung des Verwaltungsrats und insbesondere seines Präsidenten zählen.
Welche Rolle spielen unabhängige Vermögensverwalter in Ihrer Strategie?
Eine sehr wichtige. 2020 haben wir in Zürich Private Client Partners übernommen, ein Family Office, das heute zu 100% uns gehört, aber seinen Namen beibehalten hat, um die notwendige Unabhängigkeit zu wahren. Das Modell funktioniert hervorragend, gerade weil es die gewachsenen Kundenbeziehungen respektiert. Es zeigt auch, dass wir in der Lage sind, andere Vermögensverwalter in unser Ökosystem zu integrieren, ohne sie zu vereinnahmen. Wir suchen aktiv nach weiteren Möglichkeiten dieser Art, besonders in Städten, in denen wir präsent sind. Die Strukturen, die Ressourcen und die Ambition sind da.
Der Bankensektor befindet sich im Wandel. Welche Veränderungen sind für Sie besonders spürbar?
Ich sehe drei zentrale Entwicklungen. Erstens die zunehmende Regulierung. Sie ist angesichts der geopolitischen und finanziellen Lage nachvollziehbar, bedeutet aber für die Banken aufwändigere und kostspieligere Prozesse. Als ich Ende der 1990er Jahre in der Branche anfing, gab es die Compliance-Funktion kaum. Heute ist sie unverzichtbar.
Zweitens hat sich der Markt stark verändert. Er ist reifer, kompetitiver und das organische Wachstum ist nicht mehr vergleichbar mit jenem der 2000er Jahre. Leistung, Innovation und Servicequalität sind heute entscheidend.
Drittens hat sich die Interaktion mit den Kunden stark gewandelt. Neue Technologien verändern die Art und Weise, wie wir kommunizieren, grundlegend und dauerhaft.
Was erwarten Ihre Kunden heute am meisten?
Vieles – aber wenn ich es zusammenfassen müsste: Zuhören, Individualität und Qualität der Umsetzung. Zuhören wird oft unterschätzt. Dann muss das Angebot relevant, leistungsstark und ganzheitlich durchdacht sein. Bei Bonhôte verzichten wir bewusst auf eine harte Segmentierung. Ob der Kunde 500’000 oder 60 Millionen verwaltet, er wird individuell betreut. Das ist ein starker Differenzierungsfaktor, der direkt mit unserer Grösse und unserem Unternehmergeist zusammenhängt.
Und schliesslich muss die Umsetzung schnell, reibungslos und fehlerfrei sein. Technologie ersetzt nicht die menschliche Beziehung – gerade bei Schlüsselereignissen im Leben wie Heirat, Immobilienkauf oder Erbschaft. In solchen Momenten ist die Rolle des Beraters entscheidend. Aber dieser Berater muss heute „augmentiert“ sein, mit effizienten Tools ausgestattet, um einen wirklich personalisierten Service zu liefern.
Inwieweit muss sich eine Bank heute auch in Sprache und Auftritt neu erfinden?
Das ist eine zentrale Herausforderung. Das Bankwesen gehört zu den ältesten Berufen, mit einem Image, das mit Stabilität und Tradition verknüpft ist. Das ist auch legitim, denn wir betreuen das intimste unserer Kunden: ihr Vermögen, ihre Lebensprojekte. Vertrauen entsteht über Zeit. Doch um auch jüngere Generationen anzusprechen, braucht es neue Signale: Agilität, Innovationskraft, ein Verständnis für neue Nutzungsgewohnheiten. Dieses Gleichgewicht suchen wir: moderne Ansprache ohne den Verlust unserer soliden Wurzeln. Das heisst auch, Kommunikations- und Interaktionscodes weiterzuentwickeln. Daran arbeiten wir gezielt.
In welchen Bereichen verändert Technologie die Bank am stärksten?
In der Kundenbeziehung! Dort ist der Effekt am sichtbarsten und unmittelbarsten. Technologie verändert grundlegend den Kundenweg und das Kundenerlebnis. Unser Ziel ist eine Interaktion, die flüssig, intuitiv und vom Kunden gesteuert ist. Er soll entscheiden können, wann und wie er mit seiner Bank kommuniziert – online, persönlich, telefonisch – je nach Bedarf. Das ist für mich der Schlüssel. Diese Freiheit ist es, die das Private Banking heute neu definiert. Deshalb investieren wir stark in unser CRM – es ist heute das Herzstück unserer Infrastruktur.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Datenverarbeitung im Zusammenhang mit dem Kundenerlebnis?
Zum einen geht es um die Nutzung der Daten, zum anderen um ihre Sicherheit. Lange Zeit waren Banken geschlossene Systeme, fast wie Bunker. Daten wurden gespeichert, aber kaum genutzt. Nun bewegen wir uns hin zu offeneren, agileren Architekturen, die zugleich anspruchsvoller sind. Banken verfügen über riesige Mengen an Kundendaten, oft unstrukturiert und daher schwer nutzbar. Mit der Entwicklung der KI haben wir endlich die Werkzeuge, um auch unstrukturierte Daten sinnvoll auszuwerten. Die Anwendungsfälle nehmen zu – von Produktivitätssteigerung über Automatisierung bis hin zu prädiktiver Analyse und Innovation im Serviceangebot.
Das muss aber zwingend mit höchster Sicherheit einhergehen. Der Wechsel in die Cloud war lange ein Tabu für Banken. Heute ist er unvermeidbar – aber er muss kontrolliert erfolgen. Wir arbeiten deshalb auf zwei Ebenen: Daten besser nutzen und dabei ihre Integrität jederzeit wahren.
Kim-Andrée Potvin
Bank Bonhôte
Seit Januar ist Kim-Andrée Potvin CEO der Banque Bonhôte, nachdem sie dort ein Jahr lang als COO tätig war. Zuvor war sie für das operative Geschäft von Bamboo Capital Partners, der Genfer Boutique, die im Bereich Im-pact Investing tätig ist, verantwortlich. Kim-Andrée arbeitete für die Bank Landolt in der gleichen Rolle als COO und für die BNP Paribas-Gruppe, wo sie verschiedene Führungspositionen inne-hatte. Im Jahr 2014 war sie zum COO von BNP Paribas in der Schweiz ernannt worden, um dort die Entwicklung der Finanz-, Betriebs- und IT-Plattformen zu steuern. Kim-Andrée studierte an der McGill University, wo sie einen Bachelor in Finanzen und internationalem Handel erwarb.
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