Digital Solutions
- Dimitri Petruschenko
- Tech-Spezialist
- Petruschenko Consulting
KI-Assistenten: Die Fintech aller Fintechs
In einer technologisch überladenen Landschaft setzen sich KI-Assistenten durch ihre einfache Anwendung und ihren hohen Praxisbezug durch. Sie sind weder Spielerei noch kurzfristiger Hype – sondern verändern still, aber tiefgreifend den Alltag unabhängiger Vermögensverwalter. Intelligente Automatisierung, Datenanalyse, Inhaltserstellung, vernetztes Arbeiten: Diese „Killer-Features“ markieren einen echten Bruch mit vielen Fintech-Versprechen, die bisher kaum eingelöst wurden.
Die digitale Transformation des Finanzsektors hat in den letzten Jahren deutlich an Tempo zugelegt. Künstliche Intelligenz gilt heute als zentraler Hebel für Effizienz, Skalierbarkeit und eine personalisierte Kundenbetreuung. Während Grossbanken längst umfassende Digitalstrategien verfolgen, müssen kleinere Institute technologisch aufholen – und dies in einem zunehmend komplexen regulatorischen und betrieblichen Umfeld. Genau hier wird KI zum strategischen Instrument: Richtig eingesetzt, kann sie Prozesse verschlanken, Risiken reduzieren und Ressourcen schonen. Doch der Weg dahin bleibt technisch, rechtlich und kulturell anspruchsvoll.
Unabhängige Vermögensverwalter (UVV) in der Schweiz spüren diesen Druck besonders stark. Die Einführung von FIDLEG und FINIG hat den regulatorischen Rahmen grundlegend verändert: Zulassungspflicht, Eigenkapitalanforderungen, kontinuierliche Überwachung durch die FINMA oder durch Aufsichtsorganisationen. All das verursacht laufende Kosten und administrative Belastungen – eine Herausforderung, die kleinere Häuser überproportional trifft. Gleichzeitig steckt die Digitalisierung bei vielen noch in den Kinderschuhen – und eine fundierte Auseinandersetzung mit KI steht meist ganz am Anfang. Interne Ressourcen für grössere Technologieprojekte fehlen häufig. In dieser Situation wird KI nicht mehr als Option gesehen, sondern als notwendiger strategischer Schritt.
Im Alltag zeigt sich das Potenzial der KI an vielen Stellen. Ob in der Automatisierung regulatorischer Aufgaben wie KYC, Reporting oder Dokumentation, in der Analyse komplexer Portfoliodaten, bei der datenbasierten Unterstützung von Anlageentscheidungen oder im Kundenservice: KI eröffnet neue Möglichkeiten. Chatbots übernehmen einfache Anfragen rund um die Uhr, Compliance-Systeme überwachen Regelwerke automatisch, im CRM lassen sich Wechselrisiken oder Cross-Selling-Chancen frühzeitig erkennen.
Solche Lösungen steigern nicht nur die Effizienz – richtig implementiert, verbessern sie auch die Betreuungsqualität. Vorausgesetzt, sie werden sinnvoll in bestehende Prozesse integriert.
Doch der Einstieg in KI ist kein Selbstläufer. Die Datenlage stellt einen zentralen Engpass dar: Oft sind Informationen fragmentiert, unstrukturiert oder extern gespeichert. Sie müssen zunächst bereinigt, vereinheitlicht und konsolidiert werden. Viele bestehende Systeme – für Portfoliomanagement, Compliance oder CRM – sind zudem nicht für KI ausgelegt und bedürfen technischer Anpassung.
Ein weiteres Kernthema ist die Nachvollziehbarkeit: In einem regulierten Umfeld müssen KI-gestützte Entscheidungen erklärbar bleiben – sowohl für Berater als auch für Kundinnen und Kunden. Der Einsatz von Cloud-Diensten oder externen Anbietern stellt hohe Anforderungen an Datenschutz, IT-Sicherheit und Governance. Ohne fundiertes Fachwissen oder verlässliche Partner ist die Umsetzung kaum realistisch.
Die FINMA hat mit ihrer Mitteilung 08/2024 erste Leitplanken gesetzt. Sie betont vier Grundprinzipien:
Die Verantwortung bleibt beim Institut; KI darf unterstützen, aber keine Haftung übernehmen.
Modelle müssen robust und datenbasiert sein sowie regelmässig überprüft werden.
Ergebnisse müssen nachvollziehbar bleiben – Black-Box-Ansätze gelten als kritisch.
Und: Datenschutzgesetze und internationale Standards sind strikt einzuhalten, vor allem bei externer Datenverarbeitung.
Zudem erwartet die FINMA eine Bewertung der Auswirkungen auf das Risikoprofil sowie entsprechende Anpassungen interner Kontrollen.
Der Markt reagiert – aber nicht immer zum Vorteil der Institute. Praktisch jeder Softwareanbieter im Wealth Management integriert derzeit eigene KI-Assistenten: PMS-Hersteller entwickeln Chat-Funktionen mit Zugriff auf Portfoliodaten, Compliance-Systeme bieten automatische Regelüberwachung, CRM-Lösungen setzen auf intelligente Kundenanalytik. Doch diese Fragmentierung birgt ein neues Risiko: isolierte KI-Silos.
Jede Lösung bleibt auf ihre eigene Datenwelt fokussiert. Ein KI-Assistent im PMS kennt womöglich keine E-Mails, keine Compliance-Dokumente, keine Meetingnotizen. Der ganzheitliche Blick fehlt – und mit ihm das volle Automatisierungspotenzial.
Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein pragmatischer Einstiegspunkt. Viele Vermögensverwalter nutzen bereits Microsoft 365 als Arbeitsplattform. Der dort integrierte Copilot bietet eine nahtlose Möglichkeit, erste KI-Anwendungen zu testen – ohne grosse Systemwechsel. Verbunden mit Outlook, Teams, SharePoint oder Excel lassen sich alltägliche Aufgaben automatisieren: Texte schreiben, Informationen suchen, Dokumente analysieren.
Der Vorteil liegt in der Integration: Kein zusätzliches Tool, keine komplexe Schnittstelle. Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen lassen sich einhalten, insbesondere bei lokaler Datenverarbeitung in der Schweiz oder EU.
Ähnliche Funktionen bieten Gemini for Workspace (Google) oder ChatGPT Enterprise (OpenAI). Auch sie fügen sich in bestehende Arbeitsumgebungen ein und unterstützen typische Wissens- und Schreibarbeiten.
Für unabhängige Vermögensverwalter ergibt sich so die Möglichkeit, erste Erfahrungen mit KI im vertrauten Umfeld zu sammeln – mit überschaubarem Aufwand und ohne tiefgreifende IT-Umstellungen.
Aber der Einsatz von KI ist mehr als nur Tool-Auswahl. Es geht um grundlegende Hausaufgaben: Datenquellen identifizieren, Qualität prüfen, Zugriffsklarheit schaffen und Interoperabilität sicherstellen. Erst mit einer soliden Datenbasis lässt sich sinnvolle Automatisierung realisieren.
Zugleich braucht es eine fundierte Bewertung der KI-Werkzeuge: Welche technischen Anforderungen bestehen? Welche Implikationen ergeben sich für Datenschutz und IT-Sicherheit?
Die Integration sollte schrittweise erfolgen: Allgemeine Assistenten (wie Copilot) als Einstieg, weitere Systeme (z. B. PMS) je nach Bedarf.
Schliesslich und vielleicht am wichtigsten ist es, die Teams schon in den ersten Entwicklungsphasen einzubeziehen. Frühzeitige Schulung, aktive Einbindung und Austausch von Best Practices sind entscheidend. Eine gut integrierte KI ist keine externe Lösung – sie ist das Ergebnis einer Organisation, die sich das Thema zu eigen gemacht hat.
Parallel dazu braucht es klare Governance: Wer hat Zugriff auf welche Daten? Wer trägt wofür Verantwortung? Wie werden Risiken kontrolliert?
Schliesslich und vielleicht am wichtigsten ist es, die Teams schon in den ersten Entwicklungsphasen einzubeziehen. Frühzeitige Schulung, aktive Einbindung und Austausch von Best Practices sind entscheidend. Eine gut integrierte KI ist keine externe Lösung – sie ist das Ergebnis einer Organisation, die sich das Thema zu eigen gemacht hat.
Eines ist sicher: KI-Assistenten werden zum Standard im Wealth Management. Für unabhängige Vermögensverwalter stellt sich die Frage, ob sie diesen Wandel aktiv mitgestalten – oder Gefahr laufen, den Anschluss zu verlieren.
Doch erfolgreiche Transformation braucht mehr als neue Tools. Entscheidend sind eine klare Strategie, stabile Prozesse, konsolidierte Daten – und die Fähigkeit, KI-Kompetenz im Team aufzubauen.
Wer heute in diese Grundlagen investiert, wird morgen flexibel und sicher auf neue Technologien reagieren können – unabhängig davon, wie schnell sich der Markt verändert.
Wettbewerbsvorteile entstehen nicht durch Tools, sondern durch die Fähigkeit, sie sinnvoll zu nutzen. Die Zukunft gehört hybriden Modellen, die technologische Effizienz mit menschlichem Know-how verbinden. Für unabhängige Vermögensverwalter ist das eine echte Chance, ihre Position zu stärken und langfristig erfolgreich zu bleiben.
Dimitri Petruschenko
Petruschenko Consulting
Als ehemaliger Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von EAM.Technology, einem auf Beratung und ausgelagerte operative Dienstleistungen spezialisierten Unternehmen, verfügt Dimitri Petruschenko über mehr als fünfzehn Jahre Erfahrung im Technologiebereich des Finanzsektors. Im Laufe seiner Karriere arbeitete er insbesondere für Privatbanken, unabhängige Vermögensverwalter und Family Offices. Vor der Gründung von EAM.Technology hatte er verschiedene Führungspositionen bei Schweizer Anbietern von Softwarelösungen für die Bereiche Wealth Management und Asset Management inne.
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