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  • Interview mit Julie Guittard & Mathieu Raynot
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  • Michael Page

„Profile in den Bereichen Compliance, KYC und Regulierung sind weiterhin sehr gefragt”

In einem eher schleppenden Arbeitsmarkt entwickeln sich die Gehälter unterschiedlich schnell. Die Verschärfung der regulatorischen Anforderungen treibt die Nachfrage – und die Vergütung – für Funktionen im Bereich Compliance und Kontrolle in die Höhe. Gleichzeitig führt die Automatisierung zu einem Rückgang der Support-Berufe und währenddessen werden durch KI die Anforderungen im IT-Bereich neu definiert. In dieser sich wandelnden Landschaft entstehen neue Profile, die Finanzen, Technologie, Daten und Nachhaltigkeit miteinander verbinden.

Von Jérôme Sicard

Wie würden Sie die aktuelle Lage auf dem Schweizer Markt beschreiben?

Der Schweizer Markt verzeichnet seit zwei Jahren eine deutliche Abschwä­chung, die im Gegensatz zum Aufschwung nach Covid in den Jahren 2022 und 2023 steht. Wir beobachten einen stagnieren­den Arbeitsmarkt, insbesondere im Ban­kensektor, der sich in einer Konsolidie­rungsphase befindet. Privatbanken ratio­nalisieren ihre Kosten ebenso wie unab­hängige Vermögensverwalter. Hinzu kommt ein unsicheres makroökonomi­sches Umfeld, das durch anhaltende geo­politische Spannungen noch verschärft wird. Die Schweizer Wirtschaft bleibt widerstandsfähig, aber die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt lässt deutlich nach.

Was sind die wichtigsten Gehaltsun­terschiede zwischen Genf und Zürich?

Die Gehälter in Zürich sind historisch gese­hen höher, mit einer Differenz von durch­schnittlich 15 % gegenüber Genf. Dies lässt sich durch die Grösse des Marktes, die Kon­zentration von Unternehmenszentralen und ein dichteres Wirtschaftsgefüge erklären. Allerdings sind auch die Lebenshaltungskos­ten höher, auch wenn die Steuerbelastung insgesamt geringer ist als in der Romandie.

Unterscheiden sich die gesuchten Profile in Bezug auf die Personal-beschaffung von Stadt zu Stadt?

Die Profile sind recht ähnlich, aber Zürich profitiert von einem breiteren Angebot auf­grund der dreimal so grossen Marktgrösse im Vergleich zu Genf. Investmentbanking und Vermögensverwaltung sind in Zürich dank der Nähe zur SIX Swiss Exchange und der hohen Konzentration grosser Finanzinstitute viel besser vertreten.

In Genf suchen Personalvermittler eher nach Profilen mit Schwerpunkt Private Wealth, wobei eine starke Nachfrage nach Private Bankern oder Wealth Plannern besteht. In Zürich sieht die Logik ganz anders aus. Die gesuchten Profile bezie­hen sich eher auf Corporate Banking, Sales & Trading oder auch das Management von Schlüsselkonten in einem institutionellen Umfeld. Die Funktion des Key Account Managers gewinnt dort an Bedeutung.

Die Funktionen im Zusammenhang mit dem Investment Banking konzentrieren sich fast ausschliesslich auf Zürich, und wir sehen auch eine klare Aufteilung der Sup­port-Funktionen. In Genf gibt es eine gezielte Nachfrage nach Datenmanage­ment, verbunden mit oft flexibleren und integrierteren Strukturen. In Zürich kon­zentrieren sich die Einstellungen eher auf Operations Manager, Post-Trade-Spezia­listen oder Collateral Analysts, die für grö­ssere Organisationen tätig sind.

Diese unterschiedlichen Profile spiegeln zwei recht unterschiedliche Kulturen wider. Genf funktioniert oft mit kleineren, flexibleren Strukturen, einem internatio­nalen Kundenstamm und kurzen Entschei­dungswegen. Zürich hingegen ist Teil einer Welt institutioneller Konzerne mit komplexen Organigrammen, einer eher hierarchischen Kultur und einer starken Spezialisierung der Rollen.

Welche Profile sind tatsächlich am gefragtesten?

Profile in den Bereichen Compliance, KYC und Regulierung sind nach wie vor sehr gefragt. Darüber hinaus spielen kauf­männische Funktionen weiterhin eine zent­rale Rolle: Privatbankiers, Vermögensver­walter, Sales in privaten Märkten oder im Asset Management, wobei eine echte Nachfrage nach Profilen besteht, die in der Lage sind, Einnahmen zu generieren.

Welche Funktionen waren früher sehr gefragt und sind es heute weniger?

Supportfunktionen – wie Backoffice, zent­rale Datenverwaltung – sind heute weit weniger gefragt, was zum grossen Teil auf die zunehmende Automatisierung und Digi­talisierung der Prozesse zurückzuführen ist.

Welche Auswirkungen hatte die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS?

Diese Fusion hat eine beträchtliche Anzahl von Bewerbern auf den Markt gebracht – vor allem in der Deutsch­schweiz. Andere Privatbanken, Kantonal­banken oder Regionalbanken haben diese Gelegenheit genutzt, um sowohl neue Mitarbeiter als auch neue Kunden zu gewinnen. So haben ganze Teams das Unternehmen gewechselt, wodurch klei­nere Akteure Marktanteile gewinnen konnten. Es ist jedoch zu beachten, dass die Organisation der Personalabteilung bei der Credit Suisse für den Arbeitsmarkt nicht immer leicht zu entschlüsseln ist, da es sehr spezialisierte Positionen und Bezeichnungen gibt, die ausserhalb des internen Rahmens der Bank manchmal unverständlich sind.

Welche Profile haben sich am schnellsten erholt?

Front-Office-Profile, insbesondere Pri­vatbankiers, Anlageberater und Verwal­tungsassistenten, die eine enge Bezie­hung zu ihren Kunden haben. Sie haben sich schnell erholt, oft im Team oder dank ihres Netzwerks.

Welche Rolle spielt KI bei der Transformation der Backoffice- und IT-Berufe?

KI beschleunigt eine Transformation, die bereits vor etwa zehn Jahren begonnen hat. Support-Berufe – Abstimmung, Berichter­stattung, Buchhaltung usw. – nehmen ten­denziell ab. In der IT entwickeln sich die Profile hin zu Kompetenzen in den Berei­chen Daten, Cybersicherheit und Entwick­lung von Tools, die KI integrieren.

Sind bestimmte Funktionen vom Verschwinden bedroht?

Ja, insbesondere solche, die auf sich wie­derholenden oder standardisierbaren Auf­gaben beruhen, wie im Backoffice oder im traditionellen Kundenservice. Diese Tätig­keiten werden zunehmend durch automati­sierte Lösungen – Chatbots, algorithmische Verarbeitung – ersetzt oder in Outsourcing-Zentren im Ausland ausgelagert, oft in kos­tengünstigere Umgebungen. Diese bereits begonnene Entwicklung wird sowohl durch das Streben nach Effizienz als auch durch technologische Fortschritte vorangetrieben.

Welche neuen Berufsbilder werden entstehen?

Neue hybride Profile zwischen Finanzen, Technologien, Daten und Nachhaltigkeit. Datenanalysten, die sich beispielsweise auf Investitionen und KI-Technologien spe­zialisiert haben, haben eine vielverspre­chende Zukunft vor sich. Auch in den Berei­chen Klimaanalyse, ESG-Modellierung oder Krypto-Regulierung entstehen hoch­spezialisierte und sehr gefragte Kompe­tenzen. Hochspezialisierte und umwor­bene Kompetenzen werden auch in den Bereichen Klimaanalyse, ESG-Modellie­rung oder Krypto entstehen.

Konkret gibt es dafür immer mehr Bei­spiele. Eine grosse Schweizer Bank hat kürzlich einen Digital Banking Lead ernannt, der die Entwicklung ihrer mobilen Schnittstelle der neuen Generation für ver­mögende Kunden leiten soll. In Genf stel­len mehrere Finanzkanzleien nun Juristen ein, die auf Krypto-Regulierung speziali­siert sind, sei es im Rahmen von MiCA oder den FINMA-Anforderungen. Eben­falls in Genf hat eine grosse Verwaltungs­gesellschaft sogar einen Datenwissen­schaftler eingestellt, um ihre ESG-Scoring-Modelle für börsennotierte Aktien zu ver­feinern. Eine andere Privatbank hat ein spezielles ESG-Team aufgebaut und unter anderem eine Klimaanalystin eingestellt, die für die Modellierung des CO2-Fussab­drucks von Anlageportfolios zuständig ist.

Welche Kompetenzen müssen junge Absolventen entwickeln?

Technische Kompetenzen in Bezug auf Finanzprodukte, Daten und Programmie­rung in Verbindung mit soliden Sprach­kenntnissen werden immer wichtiger, ins­besondere in der Schweiz, wo Mehrspra­chigkeit nach wie vor ein echter Vorteil ist.

Es gibt ein echtes Bewusstsein dafür, und wir beobachten eine positive Entwicklung in den Ausbildungsgängen, aber es ist noch ein langer Weg zu gehen. Schweizer Uni­versitäten und Hochschulen wie die Univer­sität Genf, die HEC Lausanne, die Universität St. Gallen oder die EPFL integrieren zuneh­mend Module zu nachhaltiger Finanzie­rung, Datenwissenschaft oder Finanztech­nologien. Es entstehen auch neue gemischte Ausbildungsgänge, die Finanzen und Informatik oder Finanzen und nachhaltige Ent­wicklung miteinander verbinden.

Allerdings befindet sich der Studiengang noch in der Strukturierungsphase. Manch­mal besteht eine Diskrepanz zwischen den akademischen Kompetenzen und den operativen Erwartungen des Marktes.

Investieren Arbeitgeber ausreichend in die Kompetenzentwicklung?

Leider nicht genug; weder in die Ausbil­dung neuer Mitarbeiter noch in die Wei­terbildung der bereits beschäftigten Mit­arbeiter. Es gibt einen echten Ausbil­dungsmangel bei den Berufseinsteigern, da aufgrund der Konsolidierung der Ban­ken immer weniger Lehrlinge ausgebil­det werden und die akademischen Hoch­schulausbildungen oft zu weit von der Praxis entfernt sind.

Wir beobachten einen ständigen Druck auf Produktivität und Ergebnisse. Dies ver­anlasst einige Arbeitgeber dazu, einer schnellen Integration den Vorzug vor der für die Kompetenzentwicklung erforderli­chen langen Zeit zu geben. Investitionen in die Ausbildung sind ein wesentlicher Hebel zur Wertschöpfung, aber sie setzen eine langfristige Vision und Mittel voraus, über die nicht alle Unternehmen verfügen, insbesondere KMU, die in Bezug auf ihr Budget oft weniger gut ausgestattet sind als grosse Konzerne.

Haben NextGen-Profile andere Erwartungen?

Ganz klar ja! Sie suchen vor allem nach Sinn, Transparenz und einer echten Unter­nehmensstrategie. Neben dem Gehalt sind auch Flexibilität, Teilzeitarbeit, Entwick­lungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie Work-Life-Balance entscheidende Kriterien. Laut unserer aktuellen Studie „Talent Trends 2025” steht Flexibilität für 87 % der jungen Talente ganz oben auf der Prioritätenliste. Sie erwarten von ihrem Arbeitgeber gelebte – und nicht nur pro­klamierte – Werte und vor allem eine auf Vertrauen basierende Kultur.

Julie Guittard

Michael Page

Julie Guittard ist Senior Managerin bei Michael Page und auf die Personalvermittlung im Bank- und Finanzdienstleistungssektor in der Westschweiz spezialisiert. Sie verfügt über mehr als 14 Jahre Erfahrung im Talentmanagement. Im Laufe ihrer Karriere hat sie Teams geleitet und eine Vielzahl von Positionen in den Bereichen Risiko, Compliance, Finanzen, Investitionen, Operations und Front Office für Privatbanken, Vermögensverwalter und Vermögensmanager bekleidet.

Mathieu Raynot

Michael Page

Mathieu Raynot kam 2014 zur Abteilung Banking & Financial Services von Michael Page in Genf. Seitdem hat er sich auf technische Berufe in den Bereichen Operations, Risiko & Compliance, Investitionen und Vermögensverwaltung für einen Kundenstamm spezialisiert, der unter anderem Privatbanken, Vermögensverwalter, Family Offices und Asset Managers umfasst. In diesen Finanzberufen begleitet Mathieu Raynot sowohl junge Absolventen wie auch erfahrene Fachkräfte. Darüber hinaus ist er an Schulen und in lokalen Wirtschaftskreisen tätig. Mathieu Raynot hat einen Master-Abschluss in Management mit Spezialisierung auf Geschäftsverhandlungen.

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