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    • Interview mit Emmanuel Petit
    • Head of Fixed Income
    • Rothschild & Co Asset Management

„Weitere Zinssenkungen für die Fed kaum vorstellbar“

Im Jahr 2025 scheint sich zwischen den Vereinigten Staaten und Europa eine starke Desynchronisierung der Volkswirtschaften und der Geldpolitik abzuzeichnen. Laut Emmanuel Petit wird die erfolgreiche Entwicklung des Kreditmarktes massgeblich davon abhängen, wie gut die geldpolitischen Massnahmen an die jeweiligen makroökonomischen Gegebenheiten der Regionen angepasst sind.

Von Jérôme Sicard

Welche markanten Ereignisse bleiben Ihnen von 2024 in Erinnerung?

Der Dreh- und Angelpunkt der Zentralbanken mit der Einleitung eines Zinssenkungszyklus bleibt das wichtigste Element des Jahres 2024 für die Zinsmärkte. Diese Anpassung erfolgte in einem Umfeld, in dem die Inflation zwar zurückging, aber immer noch weit von der Zielmarke von 2 % entfernt war. Die Geldpolitik der Fed und der EZB bewegte sich jedoch trotz ihrer zeitlichen Verzögerung in die gleiche Richtung. Da die Anleger diese Bewegungen vorwegnahmen, konnten die Märkte das ganze Jahr über positiv reagieren. Im letzten Quartal nahm die Unsicherheit jedoch zu. Die Wahl von Donald Trump führte zu einer Divergenz der Erwartungen diesseits und jenseits des Atlantiks. Dies führte in den USA zu einem Anstieg der langfristigen Zinsen, der von Versprechungen zur Ankurbelung der Wirtschaft getragen wurde, während in Europa die kurzfristigen Zinsen aufgrund von Befürchtungen über ein schwächeres Wachstum sanken.

Was waren die Folgen dieser Entwicklungen?

Es waren zwei verschiedene Ursachen, die jedoch die gleichen Auswirkungen hatten, nämlich eine moderate Steilheit der Zinskurven in jeder der beiden Regionen. Insgesamt gelang es den Zentralbanken, 2024 ein relatives Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Für 2025 scheinen sich jedoch Aussichten auf eine sehr unterschiedliche Wirtschaftsdynamik diesseits und jenseits des Atlantiks abzuzeichnen. Das Jahr endet mit einer starken politischen Instabilität in Europa, und obwohl die Wahlurnen in den USA bereits ihr Urteil gefällt haben, könnten die Auswirkungen der potenziell von der Trump-Regierung umgesetzten Massnahmen diese Divergenzen noch verstärken.

Welches ist Ihr Hauptszenario für 2025?

Wir erwarten, dass sich die Volkswirtschaften und die Geldpolitik auf beiden Seiten des Atlantiks im Jahr 2025 nicht mehr synchronisieren werden. Die Zentralbanken scheinen ihren Kurs beizubehalten und die Zinskurven werden weiter steiler, was zu einem erhöhten Risiko bei den langfristigen Zinsen führt. Wenn man sich auf die Markterwartungen verlässt, hat sich der europäische Trend mit vier derzeit geplanten Zinssenkungen an die US-Dynamik angeglichen. Der Endzinssatz der EZB könnte daher über 2 % liegen.

Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die EZB gezwungen sein wird, ein höheres Tempo anzuschlagen. Die Hauptsorge der EZB bleibt natürlich das Wachstum, während die politischen Unsicherheiten ebenso wie die protektionistischen Bestrebungen des neuen US-Präsidenten nach wie vor schwer wiegen. Gerade in den USA scheint es für die Fed schwer vorstellbar, weitere Zinssenkungen vorzunehmen, vor allem wegen der Inflationsrisiken, die mit dem Programm der künftigen US-Regierung verbunden sind. Bisher ist es der Zentralbank gelungen, die Inflation näher an das Inflationsziel heranzuführen, ohne eine Rezession auszulösen, und damit das fast idyllische Szenario der „Immaculate Disinflation“ zu verwirklichen. Es scheint wahrscheinlich, dass der neutrale Zinssatz nun auf einem höheren Niveau liegen könnte, als sie es zuvor angenommen hatte.

Wie kann man sich in einem solchen Umfeld zurechtfinden?

Der Arbeitsmarkt wird man genau beobachten müssen, ebenso wie die Auswirkungen der von Präsident Trump versprochenen Massnahmen. Es ist nicht auszuschliessen, dass die US-Zentralbank im Laufe des Jahres 2025 die Zinsen anheben wird. Das neue Jahr dürfte jedoch die Kontinuität von 2024 mit einer allmählichen Steilheit der Zinskurven fortsetzen. Agilität wird der Schlüssel sein, da sich Chancen aus Ereignissen und Entscheidungen ergeben könnten, die je nach Region widersprüchliche Auswirkungen haben.

Alles in allem wird die gute Verfassung des Kreditmarktes davon abhängen, dass die Geldpolitik mit dem jeweiligen makroökonomischen Umfeld in Einklang gebracht wird. In diesem Zusammenhang steht die von der Fed gezeigte Flexibilität im Gegensatz zum scheinbar starren Zeitplan der EZB. Angesichts der aktuellen Fundamentaldaten ist die Anlageklasse jedoch weiterhin attraktiv. Wir achten weiterhin auf die Zyklizität unserer Positionen und die Kreditqualität im Allgemeinen. Auch wenn die Bewertungen in einigen Segmenten hoch erscheinen mögen, halten wir sie angesichts der Fundamentaldaten und solange sich das makroökonomische Umfeld nicht verschlechtert, für gerechtfertigt.

Welche Gegenwinde – oder günstigen Winde – haben Sie identifiziert?

Unter den Gegenwinden bleibt die politische Lage der grösste Grund zur Sorge. Die vorgezogenen Wahlen in Deutschland und das schwache Regierungsumfeld in Frankreich belasten das bereits schwache Wachstum in den beiden Hauptmotoren der Eurozone. Die von Donald Trump versprochenen Massnahmen – Steuersenkungen, Bekämpfung der Einwanderung und Erhöhung der Zölle – dürften Europa unter Druck setzen, um die US-Wirtschaft anzukurbeln. Darüber hinaus bergen diese Massnahmen ein Inflationsrisiko, das nicht übersehen werden darf.

Was ist von der Fed zu erwarten?

Die Fed könnte dann zwischen ihren beiden Hauptsorgen hin- und hergerissen sein: Inflation und Beschäftigung. Der Arbeitsmarkt beginnt im Übrigen, widersprüchliche Signale zu senden, während Donald Trumps erklärter Wille, die Einwanderung zu reduzieren, die Spannungen verschärfen und die Lohninflation verstärken könnte. Eine Rückkehr der Inflation würde die Fed dazu zwingen, die Zinsen anzuheben, was zu Instabilität auf dem Kreditmarkt führen würde. Einige Faktoren bleiben jedoch weiterhin positiv. Das wirtschaftliche Umfeld ist nach wie vor günstig für die Anlageklasse. Zwar sind die absoluten Renditen niedriger als in den vergangenen Jahren, doch relativ gesehen sind sie attraktiver als Geldmarktanlagen. Die Zuflüsse dürften daher anhalten. Darüber hinaus hat die Anlageklasse angesichts der grossen Unsicherheiten in diesem Zeitraum eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit bewiesen. Zusätzlich hat die Fähigkeit der Zentralbanken, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen und sich ihrem Inflationsziel anzunähern, für eine relative Stabilität an den Märkten gesorgt. Es ist zu hoffen, dass sie diesen Weg auch weiterhin verfolgen werden.

Emmanuel Petit

Rothschild & Co Asset Management

Emmanuel Petit begann seine Laufbahn 1998 bei HSBC Asset Management auf dem Gebiet der AIMR-GPIS-Performance-Attribution und war dort ab 2001 als Kredit-Analyst tätig. 2006 geht er als Anleihenmanager (Unternehmensanleihen) zu Rothschild Co Asset Management und wird 2011 zum Leiter Anleihenmanagement ernannt. Emmanuel Petit ist Inhaber eines DESS in „Unternehmensfinanz“ und Mitglied des SFAF (Französischer Verband der Finanzanalysten).

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