Solutions d’investissement

    • Olivier de Berranger
    • CEO und co-CIO
    • La Financière de l’Echiquier

TV-Duell der Präsidentschaftskandidaten zwischen Trug und Wahrheit

Die allererste Konfrontation zwischen Kamala Harris und Donald Trump, den beiden Kandidaten für die US-Präsidentschaftswahlen, fand Anfang der Woche statt. Ein guter Zeitpunkt, um ihre jeweiligen Programme und ihre möglichen Auswirkungen auf die Finanzmärkte zu analysieren.

 

Während das Rennen um die amerikanische Präsidentschaft in die Zielgerade einbiegt, trafen die beiden Kandidaten am Dienstag, den 10. September, in einer harten Debatte aufeinander. Nach einer Welle des Optimismus seit der Mitteilung des Rückzugs von Joe Biden und ihrer Nominierung durch die Demokraten lag Kamala Harris in den Umfragen schliesslich mit 47 % gegenüber 44 % für Donald Trump vorn. Der republikanische Kandidat hatte seinerseits versucht, die Führung zurückzuerobern, da ihm der Sieg sicher schien, solange Joe Biden im Rennen war.

Diese erste Auseinandersetzung bot auch die Gelegenheit, die Programme der beiden Kandidaten und vor allem deren Auswirkungen auf die Wirtschaft – und damit auch auf die Finanzmärkte – zu analysieren.

Mit dieser Analyse hat sich kürzlich die renommierte Wharton School of the University of Pennsylvania beschäftigt und einige bedeutende Erkenntnisse geliefert. Bezüglich der Auswirkungen auf das Wachstum kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass das Programm von Kamala Harris im Vergleich zur derzeitigen Gesetzgebung kurz-, mittel- und langfristig ausgesprochen negative Auswirkungen hätte. Das von Donald Trump würde sich hingegen auf kurze Sicht positiv auf das Wachstum auswirken und mittel- bis langfristig negativ, wobei diese negativen Auswirkungen jedoch deutlich geringer seien.

Andererseits wird das Programm von Ex-Präsident Trump als wesentlich kostspieliger für die amerikanischen Finanzen eingeschätzt als das der derzeitigen Vizepräsidentin. In der Studie wurde darauf hingewiesen, dass die von Donald Trump angekündigten Anhebungen der Zölle bei der Berechnung nicht berücksichtigt wurden, weil es an Einzelheiten zu den Modalitäten dieser Massnahmen mangelt. Zudem herrscht Ungewissheit in Bezug auf die möglichen Nebenwirkungen, insbesondere im Hinblick auf Vergeltungsmassnahmen, die die betroffenen Länder ergreifen könnten. Es ist allerdings eher unwahrscheinlich, dass diese Komponente von Trumps Programm den von der Wharton School geschätzten, bedeutenden Unterschied hinsichtlich der Höhe des Haushaltsdefizits ausgleichen kann: Für das Programm des Republikaners wird ein zusätzliches Defizit von 5,8 Billionen US-Dollar bis 2034 veranschlagt, gegenüber 1,2 Billionen US-Dollar für das Programm von Harris.

Letztendlich konkurrieren zwei Konzepte miteinander: mehr kurzfristiges Wachstum gegenüber einem langfristig tragfähigeren Haushalt. Während Ökonomen gewiss die zweite Lösung vorziehen, argumentieren die Finanzmärkte eher kurzfristig. Das gilt umso mehr, als das Programm von Kamala Harris zahlreiche Massnahmen enthält, die für Unternehmen kaum vorteilhaft sind. Hierzu zählen unter anderem eine Anhebung der Unternehmenssteuer von 21 auf 28 %, eine Erhöhung der Steuern auf im Ausland erzielte Gewinne um 10,5 auf 21 % und eine Vervierfachung der Steuern auf Aktienrückkäufe von 1 auf 4 %. Diese Initiativen dürften an den amerikanischen Finanzmärkten auf sehr wenig Gegenliebe stoßen.
Doch ein Sieg von Kamala Harris bei Präsidentschaftswahlen bedeutet nicht unbedingt eine schnelle und automatische Anwendung dieser verschiedenen Maßnahmen. Tatsächlich wird alles von der Zusammensetzung des künftigen Kongresses abhängen. Denn nur er kann gesetzgeberische Entwicklungen festschreiben, mit Ausnahme aussenpolitischer Massnahmen, zu denen die Zolltarife gehören und über die weiterhin der Präsident entscheidet. Ein von den Republikanern dominierter Kongress, wie es bei der Wiederwahl von Bill Clinton 1996 der Fall war, oder auch nur ein gespaltener Kongress würden den Handlungsspielraum von Kamala Harris im Falle ihrer Wahl stark einschränken. Dies gilt insbesondere für die Unternehmensbesteuerung, die für das republikanische Lager wahrscheinlich eine rote Linie wäre.

Alles in allem wird die erste TV-Debatte den Ausgang der Präsidentschaftswahl wahrscheinlich spürbar beeinflussen. Sie wird jedoch rein gar nichts über das Wirtschaftsprogramm aussagen, das in den USA in den ersten Monaten des Jahres 2025 tatsächlich umgesetzt werden wird. Dies gilt umso mehr, wenn sich die Wirtschaft und insbesondere die Beschäftigungslage weiter verschlechtern und wenn die USA eine markante Konjunkturabschwächung oder gar eine Rezession erleben. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die letztlich umgesetzten Maßnahmen nicht mehr viel mit dem zu tun haben werden, wofür sich die beiden Kandidaten für das Weiße Haus derzeit stark machen.

Olivier de Berranger

La Financière de l’Echiquier

Olivier de Berranger ist CEO und Co-CIO von La Financière de l’Echiquier. Er bekleidete seit 1990 Posten als Trader sowie als Trading Desk-Verantwortlicher für Zinsprodukte, Cash und Derivate beim Crédit Lyonnais und dann bei Calyon. Anschliessend war er für den Bereich Capital Markets bei First Finance verantwortlich. Im März 2007 kam er als Anleihenmanager zu La Financière de l’Echiquier. Nachdem er die Verantwortung für den Bereich Zins-, Kredit- und Diversifizierungsmanagement übernommen hatte, wurde er 2017 zum Direktor der Vermögensverwaltung ernannt und trat in den Vorstand ein. Im Dezember 2023 wird er zum Generaldirektor von LFDE ernannt. Olivier de Berranger ist HEC-Absolvent.

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