EAM-Lösungen

  • Cyrille Urfer
  • CIO
  • Forum Finance

«Das 60/40-Modell ist nicht perfekt, aber es ist immer noch äusserst effektiv».

Cyrille Urfer leitet die Anlagestrategie von Forum Finance, einem Genfer Vermögensverwalter, dessen Partner er im April geworden ist. Seine Rolle hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Hier blickt er auf diesen Wandel zurück, sowohl was seine Aufgaben angeht als auch die Instrumente, die ihm nun zur Verfügung stehen, um diese Aufgaben vollständig auszuüben.

Von Jérôme Sicard

Wie hat sich die Rolle des CIO in der Welt der Vermögensverwaltung in den letzten zehn Jahren verändert?

Sie hat sich stark erweitert, da die Erwartungen der Kunden verfeinert und die Märkte komplexer geworden sind. Ausserdem begnügt er sich nicht mehr damit, im Zentrum des Anlageprozesses Forschung zu betreiben. Er ist auch zu einem Hauptakteur der Steuerung von Risiken, der Kundenbeziehung und der strategischen Entwicklung des Unternehmens geworden.

Ich möchte die Risiken besonders hervorheben. Im Jahr 2022 haben die plötzliche Rückkehr der Inflation und der Anstieg der Zinssätze in Verbindung mit einem Anstieg der geopolitischen Risiken die Bedeutung einer erweiterten Lesart des Risikos deutlich gemacht, die weit über die traditionellen Finanzmetriken hinausgeht. Volatilität, maximaler Verlust, Extremszenarien, aber auch Klimarisiken oder Liquiditätsrisiken auf den privaten Märkten – der CIO muss heute alle diese Elemente in sein Analyseraster einbeziehen.

Wie hat sich Ihr Werkzeugkasten verändert?

.Die Rolle des CIO hat sich erheblich erweitert, aber auch sein Werkzeugkasten hat sich rasant vergrössert. Dabei beschränkt sich dieser Wandel nicht nur auf das technische oder quantitative Arsenal. Es geht auch um subtilere Dimensionen wie den emotionalen Umgang mit Kunden oder die Fähigkeit, sich in einem immer grösseren – und manchmal übersättigten – Universum von Anlagemöglichkeiten zurechtzufinden

Das Risikomanagement beschränkt sich heute nicht mehr auf Markt- oder Zinsrisiken. Man muss sich auch mit Liquiditätsproblemen, der Verwaltung von Cashflows und sogar mit dem emotionalen Zustand der Kunden in komplexen Marktphasen auseinandersetzen. Die Volatilität lässt sich nicht mehr nur in Zahlen messen, sondern auch in den Reaktionen der Kunden auf die Ungewissheit.

Hinzu kommt die Explosion des Anlageuniversums. Es ist nicht mehr nur eine Diversifizierung nach Anlageklassen, sondern eine Vervielfachung der Produkte innerhalb jeder Klasse selbst. Bei Private Equity zum Beispiel findet man unter dem Oberbegriff eine immense Vielfalt an Strategien, Risiken und Strukturen, die ein hohes Mass an Fachwissen und eine echte Auswahlarbeit erfordern.

Der Werkzeugkasten des CIO war also noch nie so reichhaltig – aber er erfordert auch eine grössere Strenge bei seiner Nutzung. Die Granularität der Produkte, ihre Feinheit und ihre manchmal relative Liquidität ermöglichen es heute, Portfolios von einer Qualität zu erstellen, die wir uns noch vor zwanzig Jahren nicht vorstellen konnten. Alle diese Hebel in der Hand zu haben, bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass man sie auch alle betätigen muss. Man muss Prioritäten setzen, abwägen und manchmal auch aufgeben, denn jede Strategie folgt auch ihren eigenen Zyklen.

Ist das 60/40-Modell überholt oder muss es nur neu überdacht werden?

Nein, man kann nicht sagen, dass es veraltet ist. Das 60/40-Modell ist nach wie vor ein guter Ausgangspunkt. Es hat den Vorteil, dass es einfach, für jeden verständlich, leicht umzusetzen und vor allem kostengünstig ist. Natürlich ist dies keine wirklich diversifizierte Allokation, da die überwiegende Mehrheit des Risikos weiterhin auf Aktien konzentriert ist.

Die Stiftungsfonds der US-amerikanischen Universitäten haben dieses Modell nach und nach zugunsten komplexerer Allokationen aufgegeben. Viele sind zu einer 70/30-Allokation übergegangen und haben einen Teil des Portfolios in illiquide Vermögenswerte umgeschichtet. Das Paradebeispiel ist Yale, das auf lange Sicht recht erfolgreich war – über 20 oder 25 Jahre hinweg sind ihre Ergebnisse unbestreitbar solide.

Wenn man sich jedoch die neueren Leistungen ansieht, ist dies weniger offensichtlich. Nachdem wir die historischen Allokationen des Yale-Stiftungsfonds zwischen 2016 und 2020 übernommen, einen Durchschnitt errechnet und dann ihre Entwicklung im Laufe der Zeit mit festen Gewichten simuliert haben, das Ergebnis: Über 10 bis 15 Jahre ergibt sich eine Performance, die mit der eines 70/30-Portfolios vergleichbar ist – und das sogar ohne Berücksichtigung der Kosten oder der Komplexität der Umsetzung des Yale-Modells.

Und über kürzere Zeiträume, insbesondere zwischen 2020 und 2022, war die Performance des 60/40-Portfolios besser. In den letzten zwei Jahren bis Ende Dezember 2024 wies das 60/40-Portfolio eine kumulierte Performance von 36,0 % auf, während unsere Replikation des Yale-Modells nur 12,9 % erreichte.

All dies zeigt, dass die Antwort nicht so eindeutig ist. Das 60/40-Modell ist nicht perfekt, aber es ist immer noch äusserst effektiv, insbesondere wenn man seine Einfachheit und die geringeren Kosten berücksichtigt.

Wie haben Sie bei Forum Finance Ihre Diversifikationsmodelle neu definiert?

Viele Anleger lassen sich vom Yale-Modell inspirieren, aber in der Praxis ändert es die Art des Risikos nicht grundlegend. Man ersetzt lediglich die börsennotierten Aktien durch private Aktien. Im Gegenzug kann man hoffen, eine Illiquiditätsprämie von 200 bis 300 Basispunkten einzunehmen, aber das ist keine echte Diversifizierung.

Wenn das Ziel wirklich Diversifizierung ist, dann muss man in Bezug auf die Risikoallokation denken und nicht in Bezug auf die einfache Kapitalverteilung. Das ist übrigens auch die Philosophie der Risk-Parity-Strategien, wie sie von Bridgewater, Man Group und anderen entwickelt wurden. Diese Ansätze gehen noch weiter: Sie integrieren eine makroökonomische Dimension, indem sie die verschiedenen Inflations- und Wachstumsregime berücksichtigen.

Das Ergebnis: Man erhält ein viel ausgewogeneres Portfolio, das in der Lage ist, unterschiedlichen wirtschaftlichen Kontexten besser standzuhalten. Um die natürliche geringere Volatilität bestimmter Anlagen wie Anleihen auszugleichen, setzen diese Strategien kontrolliert Hebel ein, um das gesamte Portfolio auf ein Zielrisikoniveau zu bringen – häufig um die 10 %, was der historischen Volatilität eines 60/40-Portfolios entspricht.

Das ist eine elegante Konstruktion, die auf dem Papier stimmig ist. Aber man muss klar sehen: Ein solches Modell funktioniert nicht immer, insbesondere in extremen Zeiten, in denen alle Anlageklassen gleichzeitig korrigieren.

Welche Hebel halten Sie für die wirksamsten, um das Rendite-Risiko-Verhältnis zu optimieren?

Zunächst muss man eine wesentliche Sache in Erinnerung rufen: Unsere Kunden bezahlen ihre Rechnungen nicht in „Sharpe Ratio“, sondern in Schweizer Franken, Euro oder Dollar. Mit anderen Worten: Das Ziel besteht nicht nur darin, eine akademische Formel zu optimieren, sondern greifbare Leistungen innerhalb eines akzeptablen Risikos zu erzielen.

Das ist auch der Grund, warum wir gerne mit Umschlägen mit hoher Volatilität arbeiten. Wenn man nur auf die Sharpe-Ratio schaut, schneiden einige Strategien – wie die Nachbildung des Yale-Modells – sehr gut ab. In Bezug auf die Bruttoperformance können sie jedoch enttäuschend sein.

Der Schlüssel liegt darin, die Kunden und die Art und Weise, wie sie ihr Portfolio wahrnehmen, zu verstehen. Es sind nicht unbedingt die Jahre mit starken Rückgängen, wie 2022, in denen die Gespräche am schwierigsten sind. Ein solches Umfeld ist brutal, aber verständlich. In einem insgesamt negativen Umfeld akzeptieren die Kunden leichter einen Verlust.

Dagegen sind Jahre wie 2023 oder 2024 viel komplexer. Die Märkte steigen, bestimmte Werte explodieren – Nvidia zum Beispiel steigt 2023 um 239 % und 2024 um 177 % -, während die „ausgewogenen“ und diversifizierten Portfolios hinterherhinken. Hier ist die Frustration einiger Kunden gross, weil sie das Gefühl haben, nicht an diesem Erfolg teilzuhaben.

Nun war die Schweizer Vermögensverwaltung historisch gesehen von einer starken Kultur der Kapitalerhaltung geprägt. Aber in einem Umfeld, in dem einige Anlageklassen substanzielle jährliche Zuwächse von über 30 % verzeichnen, wollen die Anleger davon profitieren. Die richtige Mischung aus Schutz und Partizipation zu finden, bleibt daher eine der grössten Herausforderungen, um das Risiko-Rendite-Verhältnis zu optimieren.

Wie bleiben Sie diszipliniert in Märkten, die im Moment eher auf Zuflüsse als auf Fundamentaldaten reagieren?

Wir haben einen sehr strukturierten Prozess eingeführt, der es uns ermöglicht, Risiken einzugehen, diese aber gleichzeitig zu kontrollieren.

Konkret stützen wir uns auf fünf grosse Analysesäulen. Je nach Ausrichtung dieser Säulen passen wir unsere Aktienallokation an: Wenn alle Indikatoren auf Grün stehen, können wir den Aktienanteil auf 65 % erhöhen. Wenn alle Signale auf Rot stehen, reduzieren wir die Aktienquote auf mindestens 25 %.

Diese fünf Säulen umfassen die makroökonomische Lage, die Geldpolitik, die Bewertungen, die Marktdynamik und die Stimmung der Anleger. Die ersten drei gehören zu den Fundamentaldaten, die letzten beiden werden eher durch das Marktverhalten bestimmt.

Was ist die „Handschrift“ von Forum Finance in Bezug auf die Verwaltung?

Wie bei vielen unabhängigen Vermögensverwaltern ist unsere DNA in erster Linie die Unabhängigkeit. Wir vermarkten keine hauseigenen Produkte, mit Ausnahme eines Balanced Funds, der unser Modellportfolio nachbildet und nur etwas stärker diversifiziert ist. Dieses Vehikel ist vor allem für Kunden gedacht, die eine einzige, leicht umzusetzende globale Anlage suchen, welche unsere Managementpolitik widerspiegelt.

Diese Unabhängigkeit spiegelt sich auch in unserem Managementansatz wider: Wir bauen Portfolios auf, die auf starken Überzeugungen beruhen, und achten dabei stets auf Verständlichkeit. Dies ist für mich ein wesentlicher Punkt. Ein lesbares Portfolio ist ein Portfolio, das man den Kunden klar erklären kann – das erhöht die Transparenz und die Qualität des Austauschs.

Wir ziehen es vor, eine Millefeuille-Konstruktion zu vermeiden. Mehrere Fonds zu haben, die letztlich das gleiche Engagement unter verschiedenen Etiketten abbilden, bringt nichts. Dadurch wird eine Illusion von Diversifizierung erzeugt, ohne dass ein echter Mehrwert entsteht.

Heute besteht unser Modellportfolio nur noch aus etwa 20 Linien, während es früher manchmal mehr als 30 waren. Diese Vereinfachung ist gewollt: Sie ermöglicht es uns, unsere Entscheidungen besser zum Ausdruck zu bringen und gleichzeitig die Kohärenz zwischen dem, was wir tun, und dem, was wir sagen, zu gewährleisten – sowohl intern als auch gegenüber unseren Kunden. Wir haben uns bewusst für eine langfristig orientierte Verwaltung aus Überzeugung entschieden, mit der Flexibilität, unsere Allokationen anzupassen, wenn die Umstände es erfordern. Als CIO sehe ich es als meine Aufgabe an, die Strategie von Forum Finance auf eine klare, transparente und verständliche Weise zu verkörpern.

Cyrille Urfer

Forum Finance

Cyrille Urfer ist seit Juni 2023 als Chief Investment Officer bei Forum Finance tätig und wurde im April 2025 Teilhaber des Unternehmens. Seine Karriere führte ihn zuvor zu Unigestion, der Banque Gonet, dem Abu Dhabi Investment Council (ADIC) von 2008 bis 2011 und zu Lombard Odier. Cyrille hat einen Master of Business Administration des International Institute for Management Development (IMD). Er ist ausserdem Certified Financial Analyst (CFA) und Mitglied des CFA Institute. Er ist Inhaber des Titels Certified European Financial Analyst (CEFA), welcher von der European Federation of Financial Analysts Associations (EFFAS) verliehen wird.

Sphere

The Swiss Financial Arena

Seit der Gründung im Jahr 2016 unterstützt und vernetzt SPHERE die Community der Schweizer Finanzbranche. SPHERE ermöglicht den Austausch, sei es mit dem vierteljährlich erscheinenden Magazin, den beiden Sonderausgaben für institutionelle Anleger, der Website, den Newsletter und den Veranstaltungen, die das ganze Jahr hindurch durchgeführt werden. Toutes les parties prenantes de la finance, l’un des plus importants secteurs économiques de Suisse, ont ainsi à leur disposition une plateforme où il leur est possible d’échanger, de s’informer et de progresser.

Postfach 1806
CH-1211 Genf 1

P +41 22 566 17 32

© 2023 Sphere Magazine

Website erstellt von Swiss House of Brands