• Interview Michel Tröhler
  • Alithis AG

„Das neue Regime hat weniger Veränderungen gebracht, als viele befürchtet haben“

Die FINMA-Mitteilung über den Stand der Bewilligungen bei Vermögenverwaltern und Trustee’s von Anfang Jahr hat unterschiedliche Echos ausgelöst. Rund 1’000 Gesuche sind noch bei der FINMA pendent. Für den Regulierungsexperten Michel Tröhler ist das kein Alarmzeichen. In der Umsetzung der Regulierung sind erste Tendenzen ersichtlich, die für die ganze Branche gelten.

Herr Tröhler, Ende Januar wurde bekannt, dass 1’000 Bewilligungsgesuche von Vermögensverwaltern noch bei der FINMA pendent sind, hat Sie diese Zahl überrascht?

Nein, keineswegs. Wir haben mit der FINMA-Aufsichtsmitteilung 02/2023 verlässliche Zahlen: bis zum Jahresende 2022 hat die FINMA insgesamt 1’534 Gesuche von Vermögensverwaltern erhalten. Per Ende 2022 waren insgesamt 642 Vermogensverwalter bewilligt, davon allerdings etwas über 80 als sogenannte inländische Gruppengesellschaften nach FINIG. Wichtig und das muss wiederholt werden: Institute, die ihr Gesuch fristgerecht bis zum 31.12.2022 eingereicht haben, können ihre Geschäftstätigkeit fortführen, bis ein endgültiger Entscheid der FINMA vorliegt. Nur wer diese Frist verpasst hat, darf seine Tätigkeit nicht mehr fortführen und das sind gemäss der FINMA-Mitteilung nur wenige Firmen (rund 20). Sehr hoch ist hingegen die Anzahl Firmen (über 1’000), die auf ein Gesuch verzichtet haben. Hier sind bei Weitem nicht nur Betriebsaufgaben infolge von Frühpensionierungen oder Zusammenschlüssen zu verzeichnen, sondern es haben sehr viele Marktteilnehmer ihr Geschäftsmodell bewusst angepasst und in sind in bewilligungsfreie Bereiche wie z.B. die reine Anlageberatung gegangen. Bei den uVV’s reden wir also über eine regelrechte Flurbereinigung.

Sie hatten Einblick bei verschiedenen Vermögensverwaltern, die sich regulieren liessen. Was waren ihre ersten Eindrücke und wie schätzen Sie den weiteren Verlauf des Regulierungsverfahrens ab?

Zunächst hat dieses Bewilligungsverfahren viel Zeit und bei manchen auch Nerven gekostet. Gleichzeitig ist klar geworden, dass sich das neue Regime in mancher Hinsicht nicht grundlegend von den Standesregeln der früheren SRO’s unterscheidet. Für die meisten Vermögensverwalter haben sich also weniger ihre Aufgabenbereiche, als ihre Organisationsstruktur und die Art der Dokumentation ihrer Aktivitäten verändert. Unklar bleibt teilweise die genaue Aufgabenverteilung zwischen der AO und der FINMA und welche Änderungen, man wann, wem, wie genau zu melden hat. Meines Erachtens sollten punktuelle Änderungen am Weisungswesen, z.B. die Änderung einzelner Kontrollaktivitäten in der IKS-Risk-Matrix keine komplette Eingabe über die EHP nach sich ziehen; hierfür sollen nun von der Aufsicht pragmatische Lösungen gefunden werden.

Die meisten kleineren Vermögensverwalter können sich kaum einen hundertprozentig angestellten Compliance-Officer leisten?

Das ist so. Vielfach gilt es aufgrund der Risiken in den Geschäftsmodellen organisatorische Vorkehrungen wie die funktionale Trennung der ertragsorientierten Aktivitäten von den Kontrolltätigkeiten zu treffen. Danach muss aber das Zusammenspiel in Bezug auf Compliance & Risk im Unternehmen «geübt» werden, da diese Funktionen bei einer Trennung wirklich unabhängig von den anderen Einheiten im Betrieb agieren und das ist für manche Neuland. Hier gibt es externe Möglichkeiten über Auslagerungen und dann sind diese Funktionen wirklich völlig unabhängig. Der Bedarf nach Compliance- und Risk-Expertise wird bei den uVV’s plötzlich sehr gross sein: auch das ist ein weiteres Resultat. Es gibt kaum genügend Compliance-Officer und Risk-Manager in der Schweiz. Hier braucht es neue Angebote aus dem Bereich «Regtech», wobei auch gesagt werden muss, dass die Kontrollen für Compliance & Risk nur bedingt automatisiert werden können.

Auch welche weiteren Veränderungen gegenüber dem vorherigen Regime müssen sich die Vermögensverwalter weiter einstellen?

Kommen wir doch zum Verwaltungsrat. Hier ist bei einer bestimmten Grösse eine Mehrheit von Unabhängigen gefragt. Bei grösseren uVV wird eine gute Ausgestaltung der Corporate Governance zunehmend eine Rolle spielen. Es geht dann plötzlich nicht mehr, dass ein Geschäftsführer auch noch VRP ist. Bislang haben kleinere uVV, wo der Geschäftsführer auch Inhaber (Alleinaktionär) war, nicht einmal die jährliche GV ihrer eigenen AG abgehalten geschweige denn Protokolle ihrer Verwaltungsratssitzungen geführt. Hierauf werden insbesondere die Revisoren ein Auge halten müssen. Das gleiche gilt auch bei der Kontrolle der Eigenmittelanforderungen, die eine wichtige Aufgabe des Risk Managers darstellt. Eine klare Dokumentation ist zentral. Sie sehen: es gibt viele Änderungen in den einzelnen Abläufen und das hat auch Folgen bei den Kosten für die erforderlichen Kontrolltätigkeiten.

Sichtwort Kosten. Kommen wir noch zur Technologie. Hier gab es in den vergangenen Jahren klare Signale, dass ein PMS/CRM-Tool unerlässlich ist. Die Zeiten, in denen man mit Excel-Dateien hantiert hat, seien vorbei. Was haben Sie hier für Erfahrungen gemacht.

Es gibt hier aus meiner Sicht keinen Zwang. Die uVV kennen ihre Kunden sehr gut und wenn deren Zahl überschaubar ist, dann ist eine teure Anschaffung eines Tools nicht notwendig. Ein solcher uVV hat seine Kundendokumentation – wenn auch auf Papier und/oder Excel – sicherlich im Griff. Bei grösseren Organisationen, wir sprechen hier wohl von über 75-100 Kundinnen und Kunden, wird es sich sicher lohnen, in Technologie zu investieren, zumal sich wegen des Überangebots in diesem «Fintech»-Markt die Preise in den letzten Jahren für die uVV’s sehr günstig entwickelt haben, d.h. stark gesunken sind. Ob es ein voll-ausgereiftes PMS/CRM-Tool sein soll oder eine Stand-Alone-Lösung nur für gewisse Bedürfnisse wie Compliance & Risk, muss jeder für sich selbst entscheiden.

 

Michael Tröhler

Alithis AG

Michael Tröhler ist Jurist und Regulierungsspezialist. Er arbeitet bei zwei Beratungsunternehmen, einerseits bei der Alithis AG, wo er neben dem Geschäftsführer Marc Blumenfled, welcher auf Truststrukturen spezialisiert ist, 2022 bei etwas über 10 uVV’s die FINIG-Gesuche an die FINMA betreut hat und andererseits bei der BS Consulting GmbH, wo er neben den Tax Services unter der Leitung von Stefan Bouclainville ein neues Geschäftsfeld Compliance Services aufbaut und bereits mehrere Kunden gewonnen hat. Michel Tröhler ist zudem mit Teilzeitpensen bei verschiedenen uVV’s entweder als Funktionsträger oder als Stellvertreter in der Compliance und im Riskmanagement direkt angestellt. Bevor er in die Praxis zurückkehrte, war Michel Tröhler bis Ende 2021 in der Geschäftsleitung beim Verband Schweizerischer Vermögensverwalter (VSV) für die rund 400 Mitglieder in der Deutschschweiz (Aktiv- und Partnermitglieder) zuständigund zuvor war er jahrelang in der Fondsindustire tätig.

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