EAM-Lösungen

  • Interview mit Marc Briol
  • Chief Executive Officer
  • Pictet Asset Services

„Die Depotbanken müssen mehr Verantwortung bei der Definition und Umsetzung von Standards übernehmen“.

Marc Briol ist der Ansicht, dass die unabhängigen Vermögensverwalter von der Umsetzung der FIDLEG/FINIG bisher nicht übermässig betroffen waren. Sie waren zwar bereit, aber sie werden sich in den kommenden Jahren nicht den tiefgreifenden Veränderungen entziehen können, welche ihnen von den Depotbanken auferlegt werden, die im Laufe der Zeit höhere Standards einführen wollen.

Von Jérôme Sicard

Wo hat die FIDLEG/FINIG Ihrer Meinung nach seit ihrer Einführung die stärksten Auswirkungen auf die unabhängigen Vermögensverwalter in Bezug auf ihre Organisation gehabt?

Wir stellen fest, dass die Auswirkungen letztlich eher marginal waren. Obwohl die Vermögensverwalter wahrscheinlich einen enormen administrativen Aufwand betrieben haben, um ihre Unterlagen vorzubereiten, ihre Arbeitsweisen zu dokumentieren, ihre Verfahren zu formalisieren und sich Audits zu unterziehen, haben sie ihre Arbeitsweise nicht geändert. Ich bin daher der Meinung, dass sie durch diese regulatorische Belastung nicht übermässig belastet werden.

Ich bin sogar der Meinung, dass die Auswirkungen der Regulierung in einer zweiten Phase stärker spürbar sein werden. Die unabhängigen Vermögensverwalter werden stärker den Regeln oder Vorgaben der Banken unterworfen sein. Ich denke zum Beispiel an die Zielmärkte, in denen sie sich positionieren. Die Banken werden sich vergewissern wollen, dass ihre Vermögensverwalter die Rechtsordnungen, in denen sie tätig sind, perfekt beherrschen. In den kommenden Jahren werden sie daher ihre operativen Schemata stärker formalisieren müssen. Diese tiefgreifenden Veränderungen haben gerade erst begonnen.

Haben die FIDLEG/FINIG die Vermögensverwalter dazu veranlasst, diesen Transformationsprozess einzuleiten?

Nein, denn die von der FINMA erteilten Bewilligungen stellen in Wirklichkeit eine Fortführung der Arbeiten dar, welche die Vermögensverwalter zum Erhalt ihrer Bewilligung durchführen mussten. Sie haben also bereits bestimmte Anforderungen in Bezug auf Organisation, Transparenz, Stabilität oder Eigenverantwortung erfüllt. In den kommenden Jahren werden sie aber mit Sicherheit weitere Anforderungen erfüllen müssen.

Bisher hat die FINMA knapp 1’500 Bewilligungen erteilt. Wie beurteilen Sie den Markt?

Es ist ein wichtiger Markt, der offensichtlich eine gute Dynamik aufweist. Ich erwarte aber, dass in Zukunft eine gewisse Selektion stattfindet. Viele Lizenzen wurden sehr streng vergeben, andere vielleicht etwas weniger streng. Es wird interessant sein zu sehen, inwiefern die FINMA eine Rechtsprechung mit unterschiedlichen Qualitäts- oder Kontrollniveaus für Depotbanken und für unabhängige Vermögensverwalter einführen wird.

Sollten Ihrer Meinung nach die Banken eine Rolle bei dieser Rationalisierung spielen?

Die Depotbanken müssen an vorderster Front stehen und mehr Verantwortung bei der Definition und Umsetzung von Standards übernehmen. Wir beobachten auch die Veränderungen bei der FINMA sehr genau. Was wir wollen – und das war immer die Stärke des Finanzplatzes Schweiz – ist, dass wir uns in einem „principle-based“ und nicht in einem „rule-based“ Umfeld bewegen. Es braucht einen Regulator, der die Anwendung der Gesetze überwacht, aber auch zur Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes beiträgt. Dieser Auftrag wird häufig den angelsächsischen Regulatoren erteilt. Der Ansatz ist in der Schweiz und in Europa nicht unbedingt derselbe.

Wie würden Sie den Mehrwert der unabhängigen Vermögensverwalter, wie sie heute auf dem Markt sind, beschreiben?

Als erstes würde ich «unabhängig» sagen, denn das ist das Adjektiv, das sie in erster Linie beschreibt. Unabhängige Vermögensverwalter sind in der Lage, in einer offenen Architektur zu arbeiten und die besten Produkte im alleinigen Interesse ihrer Kunden auswählen zu können. Ihr Mehrwert beruht zu einem grossen Teil auf ihrer Flexibilität und Kundennähe. Ihr Verwaltungsaufwand mag gestiegen sein, aber sie haben immer noch viel Zeit, um sich um ihre Kunden zu kümmern.

Und dann würde ich den Bogen noch weiterspannen. Unabhängige Vermögensverwalter profitieren von einem aussergewöhnlichen Umfeld:dem Schweizer Finanzplatz mit seiner grossen Stabilität, seiner Stärke und seinem reichen Ökosystem.

Verfügen sie heute noch über den nötigen Spielraum, um ein optimales Portfoliomanagement zu gewährleisten?

Ja, sofern sie sich entsprechend organisieren und ihren Mehrwert und ihre Fähigkeiten berücksichtigen, zum Beispiel bei der taktischen Allokation. Sollen sie sich um alles kümmern oder delegieren? Wir sehen heute ein wachsendes Bewusstsein für die Generierung von Alpha. Das betrifft übrigens sowohl Banken als auch Vermögensverwalter. Für beide geht es darum, nicht börsennotierte Vermögenswerte besser in die Portfolios zu integrieren und die Diversifizierung innerhalb der traditionellen Anlageklassen wie Aktien oder Anleihen zu optimieren.

Meiner Meinung nach bewegen wir uns auf eine Welt zu, in der die Fondsmanager Mittler für die Verwaltung bestimmter Sektoren finden und sich allmählich in „Trusted Advisors“ in offeneren Multi-Manager-Strukturen entwickeln.

Welchen Druck sehen Sie, neben der Regulierung, auf die unabhängigen Vermögensverwalter zukommen?

An erster Stelle steht die Alpha-Generierung, von der ich eben gesprochen habe. Die Vermögensverwalter sind heute gezwungen, eine hohe Performance zu erzielen, während gleichzeitig ein starker Margendruck herrscht, der zu einem grossen Teil auf ein zunehmend kompetitives Umfeld in der Schweiz und international zurückzuführen ist.

Der Übergang zur Digitalisierung und die Einführung neuer Technologien wie der künstlichen Intelligenz werden sie ebenfalls stark belasten. Sowohl in der Art und Weise, wie sie ihre Portfolios verwalten, wie auch in der Art und Weise, wie sie mit ihren Kunden interagieren. In diesem Punkt sind die Erwartungen und das Verhalten der NextGen in der Zukunft noch etwas unklar.

Wie haben Sie Ihrerseits Ihre Dienstleistungen für Drittmanager weiterentwickelt?

Wir helfen ihnen, die Allokation ihrer Portfolios zu optimieren, indem wir ihnen Zugang zu anspruchsvolleren Anlagen wie Private Markets oder Hedgefonds verschaffen. Wir können ihnen eine breite Palette von Produkten anbieten oder für spezielle White-Label-Fonds auflegen, je nach ihren spezifischen Bedürfnissen.

Wir haben auch unsere Global-Custody-Dienstleistungen ausgebaut und bieten vermögenden Privatkunden sowie Single- und Multi-Family-Offices die Möglichkeit, mehrere Vermögensverwalter in einem einzigen Konto zu vereinen. Dieses Modell basiert auf einer offenen Architektur, während das Asset Servicing, das aus Effizienzgründen vereinfacht wurde, vollständig von Pictet Asset Services übernommen wird. Zudem profitieren unabhängige Vermögensverwalter und ihre Grosskunden nun von Lösungenbisher VermögensverwalternAsset Managern oder institutionellen Kunden vorbehalten waren. Diese Konvergenz ist seit einiger Zeit deutlich spürbar.

 

Marc Briol

Pictet Asset Services

Marc Briol kam 1995 zu Pictet. Er ist CEO von Pictet Asset Services, einem Geschäftsbereich, der Dienstleistungen im Bereich Verwahrung, Fondsadministration und -governance für unabhängige Vermögensverwalter, Fondsmanager und institutionelle Kunden erbringt.

Bei Pictet war Briol zuvor als COO der Technology & Operations-Division tätig. Davor bekleidete er die gleiche Funktion bei Pictet Asset Management in London von 1997 bis 2008.

 

Sphere

The Swiss Financial Arena

Seit der Gründung im Jahr 2016 unterstützt und vernetzt SPHERE die Community der Schweizer Finanzbranche. SPHERE ermöglicht den Austausch, sei es mit dem vierteljährlich erscheinenden Magazin, den beiden Sonderausgaben für institutionelle Anleger, der Website, den Newsletter und den Veranstaltungen, die das ganze Jahr hindurch durchgeführt werden. Toutes les parties prenantes de la finance, l’un des plus importants secteurs économiques de Suisse, ont ainsi à leur disposition une plateforme où il leur est possible d’échanger, de s’informer et de progresser.