EAM-Lösungen
- Interview mit Cindy Eicher
- Chief Executive Officer
- DCP Client Partner
«EAMs entwickeln sich zu institutionelleren, digitaleren und stärker vernetzten Organisationen.»
Die unabhängigen Vermögensverwalter sind in eine neue Phase ihrer Entwicklung eingetreten. Für Cindy Eicher hängt das zukünftige Wachstum ebenso stark von Struktur, Daten und Prozessen ab wie von Expertise und Vertrauen. Wer es heute schafft, seine Abläufe zu industrialisieren, ohne an Agilität, Nähe und Unabhängigkeit zu verlieren, wird die neuen Standards der Branche prägen.
Von Jérôme Sicard
Mit Ihrem Hintergrund im Banking, insbesondere Ihrer Zeit bei JP Morgan – was können externe Vermögensverwalter von Banken lernen, wenn es um Organisation und Struktur geht?
Man kann eine internationale Bank wie JP Morgan nicht direkt mit einem lokal tätigen externen Vermögensverwalter vergleichen. Banken bedienen ultra-vermögende, global vernetzte Kundinnen und Kunden und bieten alles aus einer Hand – von Wealth Planning über Investments bis hin zu Philanthropie oder Art Advisory. Sie schaffen vollständig integrierte, fast «Instagram-reife» Kundenerlebnisse, die sowohl jüngere Generationen als auch deren Eltern ansprechen. Die Schweiz hingegen steht für Diskretion, Bescheidenheit, Präzision und Verlässlichkeit – Substanz und Vertrauen statt Inszenierung.
Trotzdem können unabhängige Vermögensverwalter einiges von Banken lernen. Kundinnen und Kunden sollten immer Zugang zu einem Team von zwei oder drei Fachpersonen haben, einschliesslich ihres Relationship Managers. Das gewährleistet echte Kontinuität und fördert eine teamorientierte Betreuung. Reputationsmanagement ist eine weitere wichtige Lehre: Interessenkonflikte vermeiden, innerhalb der Lizenzen bleiben und sich von Märkten fernhalten, die man nicht versteht. Integrität ist zentral. Auch Preisgestaltung ist Ausdruck von Professionalität – Qualität hat ihren Wert. Und schliesslich zählt Spezialisierung: Wie Mary Erdos von JP Morgan einmal sagte: «Better to be a master of one than a jack of all trades.» Das gilt besonders für EAMs – sie müssen genau wissen, wo sie echten Mehrwert schaffen, und sich darauf konzentrieren.
Kurzum: EAMs sollten die Disziplin, Struktur und Kundenorientierung der Banken übernehmen – ohne ihre Authentizität zu verlieren, die das eigentliche Wesen des Schweizer Private Banking ausmacht.
In welchen Bereichen müssen sich unabhängige Vermögensverwalter Ihrer Meinung nach noch verbessern?
Die fortschrittlichsten Häuser professionalisieren ihre Abläufe, investieren in digitale Infrastruktur und etablieren formalisierte Risikomanagementstrukturen – und behalten dabei dennoch ihren Unternehmergeist. Wir kennen alle KYC, doch künftig wird KYD – Know Your Data – ebenso entscheidend sein. Wer seine Daten versteht und analysiert, kann vorausschauend statt reaktiv handeln – die Basis jeder fundierten Strategie.
Auch die Investmentprozesse müssen stärker standardisiert werden. Zu oft werden Portfolioentscheidungen individuell durch Relationship Manager getroffen – das erschwert Risikoüberwachung und Skalierbarkeit. Investmentkomitees und Modellportfolios schaffen hier Konsistenz und Disziplin. Und schliesslich bleibt die Nachfolgeplanung eine Schwachstelle: Viele Firmen hängen zu stark an ihren Senior Partnern. Wenn erfahrene Profis mit jüngeren, technikaffinen Mitarbeitenden zusammenarbeiten und Einnahmen sowie Performance gemeinsam verantworten, lässt sich Kontinuität sichern und Wissen weitergeben.
Wo sehen Sie die grössten Veränderungen für das EAM-Modell in den kommenden Jahren?
Unabhängige Vermögensverwalter entwickeln sich zu institutionelleren, digitaleren und stärker vernetzten Organisationen. Ihr Erfolg hängt davon ab, zentrale Gleichgewichte zu meistern: Skalierung durch Standardisierung, ohne Einfachheit und Kundenfokus zu verlieren; Digitalisierung, ohne den menschlichen Kontakt zu vernachlässigen; institutionelle Strukturen, ohne den unternehmerischen Geist aufzugeben. Skalierung bedeutet auch, digitale Ökosysteme zu nutzen – von Shared-Service-Plattformen bis zu API-Verbindungen mit Depotbanken, Datenanbietern und Fintechs – um Prozesse zu verschlanken und die Kundenerfahrung zu verbessern.
Diejenigen, die Technologie, Prozesse und Unabhängigkeit miteinander verbinden, werden die Standards von morgen setzen.
Eine neue Generation unabhängiger Vermögensverwalter verwaltet inzwischen Vermögen von über drei, fünf oder sogar zehn Milliarden Franken. Wie müssen sich diese Firmen strukturell anpassen, um diese Grössenordnung zu bewältigen?
Ja. Sie müssen sich von inhabergeführten Boutiquen zu datengetriebenen, skalierbaren Organisationen entwickeln. Effizienz entsteht durch Automatisierung und Standardisierung, Transparenz durch solides Datenmanagement, Stabilität durch institutionalisierte Investmentprozesse und Vertrauen durch starke Governance. Entscheidend ist, unternehmerisch und kundenorientiert an der Front zu bleiben, während im Hintergrund Strukturen und Prozesse professionalisiert werden.
Was verstehen Sie unter einem «institutionellen Investmentframework»?
Viele Anlageentscheidungen werden noch immer individuell und ohne Dokumentation getroffen. Professionelle Firmen benötigen Modellportfolios, formelle Investmentkomitees und eine klare Begründung für jede Allokationsänderung. Man muss erklären können, warum man das Goldengagement erhöht oder Aktien reduziert hat. Diskretionäre Mandate bedeuten nicht völlige Freiheit, sondern Entscheide innerhalb eines transparenten, disziplinierten Rahmens. Relationship Manager sollen flexibel bleiben, aber dies innerhalb eines klar definierten Risikomanagementsystems.
Inwiefern müssen EAMs ihre internen Strukturen überdenken, um erfahrene Relationship Manager aus der Bankenwelt anzuziehen?
Bevor man sie gewinnen kann, muss man verstehen, was sie zurückhält. Es liegt selten an fehlenden Kundenkompetenzen – sondern an Angst. Angst, Supportfunktionen zu verlieren, Angst vor neuen Technologien, Angst vor kleineren Strukturen und flacheren Hierarchien. In Banken ist alles zentralisiert – Compliance, Cross-Border-Regeln, Produktspezialistinnen und -spezialisten – und Relationship Manager können auf diese Infrastruktur zählen.
Um die Lücke zu schliessen, können EAMs Tandem-Modelle einführen, bei denen Senior- und Junior-Manager eng zusammenarbeiten: die Jüngeren übernehmen technologische und administrative Aufgaben. Flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte sind ebenfalls ein starkes Argument. Ein solides Compliance- und Risikomanagementsystem vermittelt Sicherheit. Und vor allem: Lifetime Participation Models, die es Senior-Managern ermöglichen, auch nach ihrer Pensionierung an den Erträgen der von ihnen betreuten Kundinnen und Kunden beteiligt zu bleiben, schaffen Loyalität und sichern die Nachfolge – sie fördern zudem Offenheit und generationenübergreifende Zusammenarbeit.
Welche Prinzipien sind entscheidend, um Wachstum zu managen, ohne Agilität oder Unternehmenskultur zu verlieren?
Es gibt kein Patentrezept, aber einige Faktoren sind entscheidend. Prozesse sollten Klarheit schaffen und den Arbeitsfluss erleichtern – nicht Bürokratie erzeugen. Entscheidungen müssen nah am Kunden getroffen werden, innerhalb klarer Rahmenbedingungen, die dennoch Handlungsspielraum lassen. Gemeinsame Werte und Ziele sollten schon bei der Rekrutierung verankert sein, damit neue Mitarbeitende wirklich zur Unternehmenskultur passen. Silos zwischen Investment-, Operations- und Managementteams abzubauen, stärkt den Zusammenhalt – gewinnt ein Team, gewinnt das ganze Unternehmen.
Kultur muss aktiv gepflegt werden – durch regelmässige Meetings, offene Kommunikation und gemeinsame Rituale. Transparenz spielt dabei eine Schlüsselrolle: Wer finanzielle Kennzahlen mit dem Team teilt, fördert unternehmerisches Denken und Eigenverantwortung. In Banken sind Mitarbeitende oft «Soldaten». In unabhängigen Firmen sollen sie Unternehmer werden – das erfordert Bildung und Vertrauen.
Worin liegt der entscheidende Wettbewerbsvorteil der EAMs gegenüber Banken?
Es sind immer die Menschen. Unabhängige Vermögensverwalter überzeugen, wenn sie echte, persönliche Beziehungen pflegen, massgeschneiderte Portfolios anbieten und sich konsequent für die Interessen ihrer Kundinnen und Kunden einsetzen – inklusive Kostenbewusstsein und Transparenz. Sie nehmen sich die Zeit, ihre Kunden als Individuen zu verstehen, nicht nur als Portfolios, und zu erkennen, was sie antreibt oder verunsichert – und wie man ihnen Sicherheit gibt.
Was wird Ihrer Meinung nach die grösste Herausforderung für unabhängige Vermögensverwalter in den nächsten fünf Jahren sein?
Kurzfristig geht es um Profitabilität und Wachstum. Die Kundschaft altert, Vermögen konsolidieren sich, und traditionelle Modelle erfüllen die neuen Erwartungen nicht mehr. Langfristig besteht die Herausforderung darin, Skalierung und Digitalisierung mit Unabhängigkeit und persönlichem Service zu verbinden. Wer Effizienz, Technologie und Menschlichkeit ins Gleichgewicht bringt, wird sich in den kommenden Jahren durchsetzen.
Cindy Eicher
DCP Client Partner
Cindy Eicher übernahm im Juni 2024 die Funktion der CEO von DCP Client Partner. Im Laufe ihrer Karriere hatte sie mehrere Führungspositionen bei grossen Schweizer und internationalen Banken inne – unter anderem im Asset Management bei Vontobel und im Wealth Management bei Credit Suisse. Bei der Deutschen Bank betreute sie institutionelle Kunden, bevor sie bei J.P. Morgan in Zürich die Leitung des Private Banking übernahm.
Zwischen 2022 und 2024 führte sie ihr eigenes Beratungsunternehmen, das sich auf Finanzierungslösungen und Fundraising spezialisiert hatte. Ihre berufliche Laufbahn begann sie mit einer Banklehre bei der UBS, bevor sie an der ZHAW in Winterthur den Bachelor in Betriebsökonomie erwarb.
ISFB x SPHERE
Mathias Baitan
Institut Supérieur de Formation Bancaire
„Wir bieten Vermögensverwaltern nun kurze Schulungen an, die auf ihre operative Praxis zugeschnitten sind“
ISFB x SPHERE
Mathias Baitan
Institut Supérieur de Formation Bancaire
„Wir bieten Vermögensverwaltern nun kurze Schulungen an, die auf ihre operative Praxis zugeschnitten sind“
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