Interview Chairman
- Marc-André Poirier
- CEO
- Indosuez Wealth Management, Schweiz
Von Jérôme Sicard
«Grosse Privatkunden haben ähnliche Bedürfnisse wie eine Investmentbank»
Marc-André Poirier, der zuvor für das Corporate Investment Banking der Credit Agricole Gruppe auf dem amerikanischen Kontinentzuständig war, übernahm die Leitung von Indosuez Wealth Management in der Schweiz, um das Angebot der Vermögensverwaltung um eine neue Dimension zu erweitern. Damit will er die Integration von Dienstleistungen, die eher dem Investmentbanking zuzuordnen sind, erleichtern. Die jüngste Übernahme der Bank Degroof Petercam verleiht dieser Ausrichtung noch mehr Bedeutung.
Welche Rolle spielt die Schweiz gegenwärtig bei Indosuez Wealth Management?
Die Schweiz spielt eine sehr wichtige Rolle in der internationalen Entwicklung der Gruppe. Von der Schweiz aus – mit Niederlassungen in Singapur, Hongkong, Abu Dhabi und Dubai – steuert Indosuez seine Aktivitäten in Asien, im Nahen Osten und in Lateinamerika. Von hier aus wird die Betreuung grosser internationaler Kunden sichergestellt. An den Standorten Genf und Zürich werden wir weiterhin wachsen, investieren und Mitarbeiter einstellen. Zudem werden von Genf aus unsere Private-Markets-Aktivitäten gesteuert.
Hier beruht unser Geschäftsmodell auf zwei Geschäftsbereichen. Zunächst wäre die Vermögensverwaltung zu nennen, die sich auf Kunden im Bereich Ultra High Net Worth, Family Offices und externe Vermögensverwalter spezialisiert hat. Zum anderen verfügen wir über eine Finanzierungsbank, die sehr aktiv im Handelsgeschäft tätig ist und grosse Schweizer Konzerne und Schweizer Tochtergesellschaften internationaler Konzerne betreut.
Sie haben im Sommer die Übernahme von Degroof Petercam abgeschlossen. Auf welche Weise wird sich Indosuez Wealth Management verändern müssen, um diese Erweiterung des Bereichs zu verwalten?
Mit diesem Schritt wechselt Indosuez eindeutig in eine andere Liga. Wir erhöhen unser Kundenvermögen auf 200 Mrd. Euro und haben jetzt 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 16 Standorten. Durch die Integration von Degroof Petercam wird Indosuez in die Top 10 der europäischen Vermögensverwaltungsunternehmen aufgenommen. Dies ist nicht unerheblich.
Ich kann hier eine Parallele zu Amundi ziehen, mit dessen Hilfe Crédit Agricole zu einem führenden Unternehmen im Bereich Asset Management wurde. Warum sollte Indosuez also nicht auch ein führender Anbieter im Bereich der Vermögensverwaltung werden? Wir haben alle Trümpfe in der Hand, um dies zu erreichen: ein gut entwickeltes internationales Netzwerk, einen diversifizierten Kundenstamm und eine solide und gesunde Bilanz, die wir auf strukturierte und aufeinander abgestimmte Weise einsetzen können.
Der Zusammenschluss von Indosuez und Degroof Petercam bedeutet nun, dass wir unsere Teams und unser Know-how bündeln und unser Angebot erweitern. Wir müssen nun allen unseren Kunden dieses neue, erweiterte und verbesserte Wertangebot nahebringen.
Mit welchen wesentlichen Elementen wird Indosuez Wealth Management Ihrer Meinung nach eine führende Position in der europäischen Vermögensverwaltung einnehmen können?
Die Kunden der neuen Gruppe werden von einem der umfassendsten Angebote auf dem Markt profitieren, da es auf dem Know-how beider Häuser beruht. Degroof Petercam zeichnet sich durch seine Expertise in der Vermögensverwaltung aus, insbesondere in Bezug auf ESG-Themen. Die Stärken von Indosuez liegen unter anderem in den Bereichen strukturierte Produkte, Private Markets, Immobilien sowie in der Finanzierungskapazität und dem internationalen Netzwerk. Unsere Kunden können somit von unserer Solidität, unserem Know-how und dem gesamten Ökosystem der Crédit Agricole Gruppe profitieren.
Mit dieser Übernahme können wir auch die Stärke unseres internationalen Netzwerks bekräftigen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir seit 1894 in Hongkong und seit fast 50 Jahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten tätig sind und unsere Aktivitäten dort weiter ausbauen. Unser Angebot ist daher sehr umfassend, aber wir werden es noch weiterentwickeln. So haben wir beispielsweise gerade einen speziellen Service für unabhängige Vermögensverwalter im Dubai eingerichtet.
Wie sehen Sie als jemand, der aus dem Investmentbanking kommt, die Vermögensverwaltungsbranche?
Im Gegensatz zur Finanzierungsbank ist die Vermögensverwaltung ein Geschäft, das wenig risikogewichtete Vermögenswerte mobilisiert, aber es ist ein Geschäft, das viel Liquidität bringt. Unsere Stärke besteht darin, dass wir ein Geschäftsmodell haben, das sich auf diese beiden Faktoren stützt.
Sehen Sie in der Welt des Investmentbanking Elemente oder Aspekte, die sich die Vermögensverwaltung zum Vorbild nehmen sollte?
Im Investmentbanking betreiben die Banker mehr Cross-Selling. Heutzutage haben grosse Privatkunden Bedürfnisse, die dem Angebot einer Investmentbank nahe kommen. Sie wollen auch Zugang zu bestimmten Dienstleistungen, zu bestimmten Märkten. Sie haben einen Finanzierungsbedarf, den unsere Bank erfüllen kann.
Lassen Sie mich ein Beispiel anführen. In jüngster Zeit haben wir unsere Wettbewerbsposition bei bestimmten syndizierten Finanzierungen wie Revolving Credit Facility oder Anleiheemissionen gestärkt. Dies sind Schlüsselelemente in der Beziehung zu den grössten Kunden. Sie ermöglichen die Umsetzung einer Vielzahl von Finanzierungsmöglichkeiten und spezifischen Mandaten.
Was kann bzw. muss das Wealth Management vom Corporate Investment Banking lernen?
Die Vermögensverwaltung und das Investmentbanking sind äusserst komplementäre Bereiche, und es ist die Verbindung, die wir zwischen ihnen herstellen können, die sehr vielversprechend ist. Die Herausforderung für uns besteht darin, diese Verbindungen zu stärken und unseren Kunden Schnittstellen zwischen diesen beiden Bereichen, aber auch zu anderen Bereichen innerhalb des Ökosystems der Gruppe zu bieten.
Um dies zu veranschaulichen, haben wir in der Schweiz eine Plattform eingerichtet, auf der unsere Kunden Zugang zu einer Auswahl von Start-ups haben, die online oder über Mobiltelefone zugänglich sind. So stellen wir das internationale Netzwerk der Start-up-Förderer der Crédit Agricole Gruppe für diejenigen unserer Kunden zur Verfügung, die gemeinsam mit Unternehmern investieren möchten.
Sie waren in Tokio, New York, Peking und Seoul. Welches Bild haben Sie vom Schweizer Finanzplatz?
Die Schweiz war für mich immer ein international anerkannter Standort für Private Banking und Commodity Trade Finance. Kein anderer Standort bietet die gleichen Bedingungen, d. h. eine starke wirtschaftliche und steuerliche Stabilität, die durch ein hervorragendes Ökosystem mit einer Vielzahl von Experten in sehr spezifischen Bereichen ergänzt wird. Während das aktuelle Umfeld eher von Polarisierung und politischer Instabilität geprägt ist, schneidet die Schweiz umso besser ab. All dies ermöglicht es uns, ein internationales Klientel zu bedienen, die Vermögensberatung und sehr ausgefeilte Lösungen sucht. Aus diesen Gründen treibt Indosuez in der Schweiz auch die Entwicklung der Kunden im asiatisch-pazifischen Raum und im Nahen Osten voran.
Welches Bild haben Sie heute von ihm?
Der Finanzplatz hat sich verändert. Er hat sich in den letzten zehn Jahren positiv entwickelt, was sich auch in einer grösseren Transparenz niederschlägt. Die Schweiz erfindet sich mit starken Initiativen in den Bereichen nachhaltige Finanzen und Innovation immer wieder neu.
Wo liegen gegenwärtig Ihre Prioritäten?
Wir wollen die Akquisition grosser internationaler Kunden beschleunigen, indem wir ihnen ein Angebot mit hohem Mehrwert unterbreiten. Heutzutage ist der Wert eines Euros oder eines Dollars für einen Kunden fast überall gleich, unabhängig davon, welche Bank Sie begleitet. Wir müssen uns daher differenzieren, indem wir Zugang zu Gegenparteien auf der ganzen Welt, zu anspruchsvollen Finanzierungen und zum gesamten Netzwerk der Gruppe bieten.
Ich möchte auch, dass unser Beruf weiterhin mit Leben gefüllt wird. Wir begleiten einige Familien über mehrere Generationen hinweg. Wir beraten sie in allen Phasen und Schlüsselmomenten ihres Lebens. Unsere Kunden wollen echte Menschen vor sich haben, die kompetent, verfügbar und aufmerksam sind, vom Kundenbetreuer bis zum CEO. Ich sage meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oft, dass sie nichts verkaufen. In erster Linie sollen sie eine loyale und dauerhafte Beziehung aufbauen, und zwar in jeder Hinsicht.
Was braucht eine französische Bank, um auf dem Schweizer Markt im Bereich der Vermögensverwaltung erfolgreich zu sein?
Zunächst möchte ich betonen, dass wir eine Bank nach Schweizer Recht sind, die seit fast 150 Jahren in diesem Land aktiv ist. Darüber hinaus betreut unsere Muttergesellschaft mit Sitz in Paris ein internationales Netzwerk, das sich über 46 Länder erstreckt.
Wir wollen nicht einfach eine weitere französische Bank in der Schweiz sein. Wir sind sehr stark lokal verankert und haben in den Reihen unseres Verwaltungsrats mehrere Schweizer Experten in verschiedenen Bereichen, die bis hin zu nachhaltiger Finanzwirtschaft und Blockchain reichen.
In welchen Bereichen könnten Sie Ihrer Meinung nach noch etwas verbessern?
Wir können immer besser werden, auf allen Ebenen. Insgesamt besteht unser Bestreben heute jedoch darin, weiter zu wachsen und die Bedürfnisse jedes einzelnen unserer Kunden zu erfüllen. Wir könnten sicherlich die Hebelwirkung zwischen der Privat- und der Investmentbank besser nutzen, mit einem hohen Mehrwert für unsere Kunden.
Sergio Ermotti, der CEO von UBS, sprach sich für die Notwendigkeit aus, in Europa stärkere und global wettbewerbsfähigere Banken zu schaffen. Sind Sie der Ansicht, dass es auch im Bereich der Vermögensverwaltung stärkere, global wettbewerbsfähigere Gruppen geben muss?
Der Markt für Privatbanken ist noch immer ein fragmentierter Markt mit vielen kleinen Banken. Einige von ihnen werden ihre Solvabilitätsquote weiter erhöhen müssen. Als Teil der Crédit Agricole, einer Gruppe, die weltweit an neunter Stelle steht, sind wir natürlich in einer starken Position.
Ich erwarte, dass sich die Konsolidierung der Branche fortsetzt, und das wird zwangsläufig zum Vorteil der Kunden sein. Es ist kein Zufall, dass Indosuez im Frühjahr die Übernahme von Degroof Petercam abschloss, eine der grössten Transaktionen der Branche in den letzten zehn Jahren in Europa!
Marc-André Poirier
Indosuez Wealth Management, Schweiz
Seit Dezember 2022 ist Marc-André Poirier Chief Executive Officer von Indosuez Wealth Management in der Schweiz. Von Genf aus ist er unter anderem für die Leitung und Entwicklung der Vermögensverwaltung in der Schweiz, in Asien und im Nahen Osten verantwortlich.
Marc-André Poirier begann seine Karriere bei der Société Générale 1988 an den Anleihenmärkten in Tokio. Nach weiteren Stationen in New York und Hongkong war er von 1999 bis 2002 CEO von SG Securities in Korea und von 2002 bis 2007 Country Manager der Société Générale in China. Danach wechselte er zur Crédit Agricole Gruppe, wo er als Senior Country Officer von Crédit Agricole CIB in Japan tätig war. Im Jahr 2011 wurde er dort Senior Regional Officer für den asiatisch-pazifischen Raum. Von 2016 bis 2022 war er Senior Regional Officer für den amerikanischen Markt und Senior Country Officer für die USA bei Crédit Agricole CIB.
Marc-André Poirier hat einen Abschluss in japanischen Sprachen vom Nationalen Institut für orientalische Sprachen und Zivilisationen (Inalco) und einen MBA von der Wirtschaftshochschule HEC Paris. Er ist ausserdem Absolvent des Corporate Director Program der Harvard Business School.
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