Digital Solutions
- Dimitri Petruschenko
- Tech-Spezialist
- Petruschenko Consulting
Wird das Portfolio-Management-System sterben?
In dieser neuen Kolumne wirft Dimitri Petruschenko einen kritischen Blick auf die technologischen Entwicklungen, die den Finanzplatz Schweiz verändern. Sein erster Text, mit provokantem Titel, befasst sich mit der Rolle, die PMS bei unabhängigen Vermögensverwaltern spielen – oder eben nicht spielen. Oftmals sind sie deren einziges Werkzeug und daher entsprechend eingeschränkt.
Das Portfolio-Management-System ist seit Jahrzehnten das Rückgrat unabhängiger Vermögensverwalter Es fungiert als zentrale Drehscheibe, die verschiedene Depotbanken miteinander verbindet, Daten aus unterschiedlichen Quellen aggregiert und eine konsolidierte Sicht auf die gesamten Kundenportfolios ermöglicht. Zudem automatisiert es operative Prozesse und stellt die Einhaltung regulatorischer Anforderungen sicher. Doch der technologische Wandel, veränderte Kundenerwartungen und neue Geschäftsmodelle stellen die Zukunftsfähigkeit klassischer PMS-Architekturen fundamental infrage.
Der Druck wächst von allen Seiten
Schweizer UVVs stehen unter enormem Transformationsdruck. FIDLEG und FINIG haben die regulatorischen Anforderungen verschärft, während gleichzeitig der Margendruck steigt. Kunden erwarten heute mehr Transparenz, individuell zugeschnittene Lösungen und eine digitale Servicequalität, wie sie es von ihren Smartphones und bevorzugten Apps gewohnt sind.
Das traditionelle PMS, einst Effizienzgarant, kann zunehmend zum Innovationshemmnis werden. Viele Systeme stammen aus einer Ära vor Cloud-Computing und API-Ökonomie. Die Folge: monolithische Strukturen, teure Anpassungen und begrenzte Integrationsmöglichkeiten.
Technologischer Wandel als Katalysator
Neue Marktteilnehmer werden die Branche mit modularen, cloud-nativen Lösungen revolutionieren. Sie propagieren einen Best-of-Breed-Ansatz: Warum ein System für alles, wenn spezialisierte Tools über APIs orchestriert werden können?
Diese Entwicklung bedeutet einen Paradigmenwechsel von system- zu datenzentrischer Architektur. Datenqualität, -zugänglichkeit und -analyse werden zum eigentlichen Wertschöpfungskern. KI-gestützte Insights, Predictive Analytics und automatisierte Compliance werden zu Wettbewerbsvorteilen.
Hyperpersonalisierung als strategischer Produktivitätshebel
Moderne Tools bieten zunehmend eine Benutzeroberfläche, die sich an Rollen, Aufgaben und Präferenzen der Nutzer anpasst. Statt starrer Standardmasken erhalten Portfoliomanager, Kundenberater oder Compliance-Verantwortliche genau die Informationen und Funktionen, die sie benötigen – kontextbezogen und dynamisch.
Durch intelligente Automatisierung und konfigurierbare Dashboards entsteht eine fokussierte, effiziente Arbeitsumgebung. So wird die Benutzererfahrung selbst zum Produktivitätsfaktor.
Kritische Einwände und Realitätscheck
Jedoch ist Vorsicht vor überzogenem Technologie-Optimismus geboten. Der modulare Ansatz bringt eigene Herausforderungen mit sich:
Komplexitätsfalle: Die Orchestrierung multipler Systeme erfordert erhebliche IT-Expertise. Viele UVVs verfügen nicht über entsprechende Ressourcen.
Integrations- und Sicherheitsrisiken: Jede Schnittstelle ist ein potenzielles Sicherheitsrisiko. Die Schweizer Finanzbranche ist besonders sensitiv bezüglich Datenschutz und Systemstabilität.
Kosten-Nutzen-Verhältnis: Für manche UVVs kann die Umstellung auf modulare Systemarchitekturen teurer sein als das Festhalten an oder die Weiterentwicklung bestehender PMS-Lösungen.
Fragmentierter Markt, unterschiedliche Strategien
Der Schweizer PMS-Markt zeigt ein heterogenes Bild: Rund 15 bis 20 verschiedene Anbieter konkurrieren um die Gunst der UVVs, doch nur wenige verfügen über die Ressourcen für grundlegende Systemmodernisierungen. In den letzten Jahren beobachten wir eine Konsolidierung unter den Technologieanbietern. Ob dies die Innovationskraft der PMS-Anbieter stärkt oder weiter einschränkt, bleibt abzuwarten.
Diese Fragmentierung führt zu unterschiedlichen Strategien bei den UVVs: Während gewisse Vermögensverwalter bereits auf modulare Lösungen setzen, vertrauen andere weiterhin auf bewährte Systeme. Die Frage ist jedoch, wie lange dieser Ansatz in einem sich schnell wandelnden Marktumfeld noch tragfähig bleibt.
Stirbt das PMS? Eine differenzierte Antwort
Das PMS wird nicht sterben, aber es wird sich fundamental wandeln. Drei Szenarien sind denkbar:
- Evolution: Bestehende PMS-Anbieter modernisieren ihre Systeme durch API-Öffnung und Cloud-Migration.
- Revolution: Modulare, spezialisierte Lösungen ersetzen monolithische Systeme vollständig.
- Hybridmodell: Kern-PMS für kritische Funktionen, ergänzt durch spezialisierte Module für spezifische Anforderungen.
Handlungsempfehlungen für UVVs
Die technologische Transformation entscheidet über die Zukunftsfähigkeit von vielen Vermögensverwaltern. Die entscheidende Frage lautet nicht nur, ob investiert wird, sondern wofür und mit welcher strategischen Weitsicht. Heute getroffene Entscheidungen schaffen die digitale Grundlage von morgen und bestimmen, ob ein Unternehmen künftig proaktiv agieren oder nur noch reaktiv handeln kann.
Eine strategische Standortbestimmung hilft dabei, Chancen und Lücken zu identifizieren. Die folgenden Leitfragen können als Orientierung dienen:
- Haben wir eine klare Übersicht über unsere aktuelle Systemlandschaft und deren Abhängigkeiten?
- Sind unsere Kernsysteme (z.B. PMS) API-fähig und cloudtauglich?
- Können wir einzelne Module flexibel austauschen, ohne das Gesamtsystem zu gefährden?
- Welche unserer heutigen IT-Investitionen schaffen langfristigen Mehrwert?
- Wie hoch ist unser internes Know-how zu Applikationsmanagement, Datenmanagement und Integration?
- Gibt es Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit anderen UVVs, Technologiepartnern oder Branchenplattformen?
- Haben wir einen Plan, wie wir den Wandel organisatorisch und personell begleiten?
Auf Basis dieser Standortbestimmung empfiehlt sich ein gradueller Ansatz: Statt alles auf einmal zu verändern, sollten UVVs schrittweise modernisieren und dabei auf strategische Partnerschaften setzen. Gerade für kleinere und mittlere UVVs kann es zudem sinnvoll sein, gezielt solche Partnerschaften einzugehen – etwa mit Branchenplattformen oder anderen Vermögensverwaltern. Solche Kooperationen senken nicht nur Kosten, sondern ermöglichen auch den Zugang zu Know-how und Ressourcen, die intern oft fehlen. Unverzichtbar bleibt schliesslich der gezielte Aufbau von Daten- und IT-Kompetenz – ob durch interne Weiterentwicklung oder die Einbindung externer Spezialisten.
Fazit
Das Portfolio Management System erlebt einen grundlegenden Wandel, stirbt aber nicht. Während die Kernfunktionen bestehen bleiben, transformiert sich die Architektur von monolithischen Systemen hin zu modularen, vernetzten Plattformen. Für Schweizer Vermögensverwalter entscheidet sich jetzt, wer die digitale Zukunft aktiv gestaltet und wer den Anschluss verliert.
Erfolgreich werden jene sein, die drei Elemente intelligent miteinander verbinden: technologische Innovation, operative Effizienz und regulatorische Sicherheit. Die Ära einheitlicher Standard-PMS wird zu Ende gehen – an ihre Stelle treten individualisierte Technologie-Ökosysteme, die sich flexibel an verändernde Marktanforderungen anpassen.
Dimitri Petruschenko
Petruschenko Consulting
Als ehemaliger Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von EAM.Technology, einem auf Beratung und ausgelagerte operative Dienstleistungen spezialisierten Unternehmen, verfügt Dimitri Petruschenko über mehr als fünfzehn Jahre Erfahrung im Technologiebereich des Finanzsektors. Im Laufe seiner Karriere arbeitete er insbesondere für Privatbanken, unabhängige Vermögensverwalter und Family Offices. Vor der Gründung von EAM.Technology hatte er verschiedene Führungspositionen bei Schweizer Anbietern von Softwarelösungen für die Bereiche Wealth Management und Asset Management inne.
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