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  • Interview mit Simon Gassmann
  • Chief Information Officer
  • Quilvest Switzerland

« Tech ist keine Supportfunktion mehr, sondern ein Wachstumstreiber.»

Mit der Neugestaltung ihrer Kerninfrastruktur gemeinsam mit WIZE hat Quilvest einen wichtigen Schritt in ihrer digitalen Transformation vollzogen. Das neue, hochmoderne Core Banking System setzt neue Standards im Private Banking – flexibler, integrierter und konsequent kundenorientiert. Simon Gassmann, Projektleiter, gibt einen detaillierten Einblick in das Vorhaben und erläutert die Entscheidungen, die diesen Wandel geprägt haben.

Von Jérôme Sicard

Was hat Quilvest (Switzerland) dazu veranlasst, das bestehende Kernbankensystem zu ersetzen?
Unser bisheriges System hatte seine natürlichen Grenzen erreicht. Es war zuverlässig, aber wenig flexibel – eine Plattform, die für eine Welt gemacht wurde, die es so nicht mehr gibt. Für ein Unternehmen wie unseres, das anspruchsvolle Kundinnen und Kunden, generationenübergreifende Familien sowie komplexe grenzüberschreitende Strukturen betreut, wurde diese Starrheit zunehmend zu einem Hindernis.

Jede neue Kundenstruktur, jede Ausnahme erforderte manuelle Workarounds. Das funktioniert vielleicht noch mit ein paar hundert Portfolios, aber sobald man darüber hinauswächst und mit steigenden regulatorischen, operativen und Reporting-Anforderungen konfrontiert wird, vervielfachen sich die Leistungsschwächen. Wir haben schnell erkannt, dass sukzessive Verbesserungen nicht ausreichen würden, um die nötige Agilität zu erreichen.

Die Frage war daher nicht, ob wir etwas ändern, sondern wie. Wir haben uns bewusst für einen mutigen Weg entschieden: den Aufbau eines Systems von Grund auf, das unsere Arbeitsweise vollständig widerspiegelt – und die zukünftigen Bedürfnisse unserer Kundschaft voraussieht.

Welche Funktionen oder Eigenschaften, die bestehende Lösungen nicht bieten, suchten Sie in einem neuen System?
Unsere erste Priorität war Flexibilität. Die meisten Standardlösungen funktionieren gut im Retail-Banking oder im klassischen Private Banking, scheitern jedoch häufig bei Strukturen mit mehreren Stakeholdern, Währungen und Jurisdiktionen. Wir benötigten eine Plattform, die konsolidierte Ansichten über Familienmitglieder, Trusts, Unternehmen und Stiftungen hinweg liefern kann – und das in Echtzeit, mit voller Transparenz und Datenintegrität.

Ein weiteres Kriterium war, dass wir alles selbst steuern konnten. Wir wollten die volle Kontrolle über unsere Daten, unsere Architektur und unseren technologischen Entwicklungsplan. Traditionelle Systeme erzwingen lange Upgrade-Zyklen und eine starke Abhängigkeit vom Anbieter. Wir strebten dagegen Unabhängigkeit und die Möglichkeit an, neue Module, APIs oder Drittanwendungen mit minimalem Aufwand integrieren zu können.

Wichtig war uns auch eine Benutzeroberfläche, die heutigen Standards entspricht: klare Strukturen, intuitive Navigation und direkter Zugriff auf relevante Informationen.

Ebenso entscheidend war die Integration. Das neue System musste nahtlos mit unserem PMS, CRM, unseren Compliance-Lösungen und Reporting-Tools kommunizieren. Daten sollten automatisch zwischen den Systemen fliessen – ohne Doppeleingaben und ohne fragmentierte Informationen.

Was waren die grössten Herausforderungen beim Aufbau eines Kernbankensystems von Grund auf?
Die grösste Herausforderung war nicht die Technik, sondern die Kultur. Wenn Sie intern ankündigen, dass Sie ein eigenes Kernbankensystem entwickeln wollen, zweifeln viele zuerst daran, dass das für ein Haus unserer Grösse realistisch ist. Wir mussten Überzeugung aufbauen und zeigen, dass Agilität ebenso wirkungsvoll sein kann wie die operative Grösse.

Technisch gesehen bestand die grösste Herausforderung darin, Prioritäten zu setzen. Wenn man bei Null anfängt, scheint alles möglich – aber man kann nicht alles gleichzeitig umsetzen. Wir konzentrierten uns zunächst auf die Kernfunktionen: Kundendaten, Transaktionen, Positionen, Abgleiche, Reporting. Alles Weitere wurde schrittweise ergänzt.

Wir arbeiteten nach agilen Methoden – mit iterativen Releases, konstanten Feedbackschleifen und einer engen Einbindung von Nutzerinnen und Nutzern aus allen Abteilungen. Das war entscheidend: Das Projekt wurde nicht aus der IT heraus entwickelt, sondern vom Business für das Business gestaltet.

Was wir allerdings unterschätzt haben, war der Aufwand für die Datenmigration. Die Bereinigung, Zuordnung und Validierung historischer Daten war ein eigenständiges Projekt. Doch sobald es abgeschlossen war, lohnte sich der Aufwand enorm – durch höhere Genauigkeit, Konsistenz und vollständige Nachvollziehbarkeit.

Welche zentralen Gründe haben Sie dazu veranlasst, WIZE als Partner für dieses Projekt zu wählen?
Wir haben verschiedene Optionen geprüft – traditionelle Anbieter, modulare Fintech-Lösungen und vollständig individuelle Entwicklungen. WIZE hob sich aus einem wesentlichen Grund ab: Sie verstehen Private Banking. Sie kamen nicht aus einer generischen IT-Logik, sondern aus der Welt der Vermögensverwaltung – und das war in den gemeinsamen Gesprächen ein grosser Unterschied. Sie haben sofort unsere Anforderungen begriffen: komplexe Kontostrukturen, konsolidiertes Reporting, Diskretion, Compliance.

Technologisch passte die Plattform von WIZE perfekt in unsere langfristige Vision von API-first, modular aufgebaut und skalierbar. Wir wollten ein System, das mit uns wächst – nicht eines, das uns einschränkt. Der entscheidende Unterschied war jedoch der partnerschaftliche Ansatz. Wir haben die Architektur gemeinsam aufgebaut, Zeile für Zeile. Dieses gegenseitige Vertrauen und Verständnis bildeten das Fundament des Projekts.

Mit welchen Argumenten konnten Sie den Verwaltungsrat von dieser Entscheidung überzeugen?
Die Entscheidung basierte auf einer Kombination aus strategischen, operativen und finanziellen Überlegungen. Strategisch ging es vor allem um die technologische Eigenständigkeit, die volle Kontrolle über unsere digitale Infrastruktur. Operativ ermöglichte das System eine deutliche Reduktion manueller Eingriffe und damit auch von Fehlerrisiken. Finanziell schufen wir so eine Grundlage für langfristige Effizienz. Ja, die Anfangsinvestition war hoch – aber sie fängt sich durch geringere Wartungskosten, höhere Produktivität und die Einsparung teurer Lizenzmodelle wieder ab.

Mir ist auch wichtig zu betonen, dass Technologie heute weit mehr ist als ein reiner Supportbereich – sie ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Kundinnen und Kunden, Behörden und Mitarbeitende erwarten Transparenz, Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit. Eine moderne Core-Banking-Plattform unterstützt all das. Und nicht zuletzt half es, dass der Verwaltungsrat verstand, dass wir diese Herausforderung nicht allein angingen, sondern mit einem erfahrenen Partner wie WIZE – das war kein Wagnis, sondern ein klar strukturiertes Innovationsprojekt.

Was erfüllt Sie am meisten mit Zufriedenheit, wenn Sie auf das Projekt zurückblicken?
Zunächst die Einfachheit. Wir haben Schichten von unnötiger Komplexität entfernt und unsere Prozesse deutlich intuitiver gestaltet. Unsere Teams können sich wieder auf Kundinnen und Kunden konzentrieren, statt Systemprobleme zu beheben. Zweitens: das Gefühl der Eigenverantwortung. Alle empfinden das System als „unser System“. Es wurde für uns, von uns gebaut. Das schafft Identität.

Und schliesslich die Kulturveränderung: Viele Kolleginnen und Kollegen, die anfangs skeptisch waren, sind heute stolze Botschafter des Systems und bringen selbst Verbesserungsideen ein. Wenn Technologie ein Teil der Unternehmenskultur wird, haben Sie vieles richtig gemacht.

Wie lange hat das Projekt insgesamt gedauert?
Vom initialen Scope bis zur vollständigen Implementierung dauerte es rund zweieinhalb Jahre. Besonders die Migration benötigte viel Zeit – sie erfolgte schrittweise über mehrere Monate.

Wir haben diese Phase bewusst genutzt, um Daten zu bereinigen und Reporting-Strukturen zu harmonisieren. In vielerlei Hinsicht war die Migrationsphase selbst genauso wertvoll wie das neue System. Sie zwang uns, unsere Informationsstruktur zu überdenken und zu optimieren.

Angesichts des heutigen Reifegrades der WIZE-Plattform würden wir das gesamte Projekt – mit Migration – wahrscheinlich in weniger als einem Jahr abschliessen können.

Inwiefern unterscheidet sich dieses neue System von klassischen Legacy-Lösungen?
Legacy-Systeme sind transaktional – sie erfassen und speichern Daten. Unser System ist hingegen relational – es vernetzt, analysiert und antizipiert. Es wurde nicht nur dafür entwickelt, Operationen auszuführen, sondern auch Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Beispielsweise erhalten unsere Kundenberaterinnen und -berater in Echtzeit Transparenz über Exposures, Performance und Liquidität – über alle Entitäten hinweg.

Die Automatisierung war ein weiterer Wendepunkt. Abstimmungen, Reporting und Compliance-Prüfungen erfolgen heute weitgehend automatisiert. Was früher Stunden manueller Kontrolle erforderte, geschieht nun in Minuten. Und da das System modular aufgebaut ist, können wir jederzeit neue Funktionen integrieren – ESG-Daten, Private-Markets-Tracking, KI-gestützte Reportings – ohne das System neu aufbauen zu müssen.

Kurz gesagt: Wir haben uns von einer statischen Infrastruktur hin zu einer lebendigen Plattform entwickelt, die sich dynamisch an uns und unsere Kundschaft anpasst.

In welchem Ausmass sehen Sie diese technologische Transformation als Wachstumshebel für Quilvest?
Technologie ist längst kein reiner Supportbereich mehr – sie ist ein Wachstumstreiber. Mit der neuen Plattform können wir Kundinnen und Kunden schneller aufnehmen, effizienter skalieren und eine höhere Servicequalität zu geringeren Kosten bieten. Das ist ein direkter Wettbewerbsvorteil.

Doch darüber hinaus geht es um Wirkung. Kundinnen und Kunden erkennen, dass wir in Innovation investieren – das schafft Vertrauen. Besonders jüngere Generationen erwarten digitale Souveränität und volle Transparenz. Mit der neuen Plattform positionieren wir uns als zukunftsorientierte, anpassungsfähige Institution.

Sie ist auch ein entscheidender Faktor für die Talentgewinnung. Die besten Fachleute wollen in Umgebungen arbeiten, in denen Technologie sie unterstützt – nicht ausbremst. Diese Transformation sendet sowohl nach innen als auch nach aussen eine klare Botschaft: Quilvest investiert in die Zukunft.

Simon Gassmann
Quilvest (Switzerland)

Simon Gassmann begann seine Karriere als Softwareentwickler und trat dann in die Dienste von Quilvest (Switzerland) ein, wo er verschiedene Positionen bekleidete, bevor er 2007 zum CIO befördert wurde. Als Leiter der IT-Abteilung fungiert er auch als IT-Berater für die verschiedenen Unternehmen der Quilvest-Gruppe. Simon Gassmann hat einen Abschluss in Informatik von der Fachhochschule OST.

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