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- Brewen Latimier
- Manager
- Columbus Consulting
Wasser, der blinde Fleck der nachhaltigen Finanzwirtschaft
Während sich die nachhaltige Finanzwirtschaft trotz einiger Rückschläge unbestreitbar durchsetzt, bleibt eine wichtige Ressource überraschenderweise ausser Acht: Wasser. Der zunehmende Druck auf diese Ressource – zwischen Wasserstress, Verschmutzung und Nutzungskonflikten – stellt jedoch ein systemisches Risiko für Unternehmen und Investoren dar. Eine Analyse von Brewen Latimier.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut dem World Resources Institute leben bereits 2,4 Milliarden Menschen unter starkem Wasserstress. Das Weltwirtschaftsforum geht davon aus, dass 50 % des weltweiten BIP direkt von einem sicheren Zugang zu Wasser abhängt. Und die vom Carbon Disclosure Project befragten Unternehmen schätzen die finanziellen Verluste im Zusammenhang mit Wasser allein für das Jahr 2023 auf über 15 Milliarden Dollar. Wenn sich nichts ändert, werden bis 2030 40 % des weltweiten Wasserbedarfs nicht gedeckt sein.
Für Vermögensverwalter bedeutet dies, dass bestimmte Investitionen – selbst solche, die als klimaresistent gelten – in Wirklichkeit erheblichen Wasserrisiken ausgesetzt sein können, mit direkten Auswirkungen auf die finanzielle Performance und die langfristige Wertentwicklung.
Wenn Wasser zur Schwachstelle wird
Auch die Schweiz bleibt davon nicht verschont. Nestlé Waters sieht sich derzeit mit einer strafrechtlichen Untersuchung im Zusammenhang mit seiner Wasserbewirtschaftung in Henniez konfrontiert und unterliegt in Frankreich zunehmenden Betriebsbeschränkungen. Im weiteren Sinne erlebt Europa bereits wiederkehrende Wasserstressphasen, die sich auf die Lieferketten wichtiger Sektoren auswirken: Agrar- und Lebensmittelindustrie, Chemie, Halbleiter, Energie oder Immobilien.
Zur Erinnerung: Die Überschwemmungen im Wallis im Jahr 2024 haben die Geschäftstätigkeit eines Zulieferers von Porsche beeinträchtigt und zu einem geschätzten Verlust von einer Milliarde Euro geführt. Diese Beispiele zeigen, dass Wasser nicht mehr nur eine Frage der Umweltphilanthropie ist: Es ist zu einer strategischen Variable des Risikomanagements geworden, auch für börsennotierte Konzerne, die sich im Portfolio privater Kunden befinden.
Eine Chance für Schweizer Vermögensverwalter
Die Schweiz, eine Hochburg des nachhaltigen Vermögensmanagements, hat hier eine Vorreiterrolle zu spielen. Angesichts von Kunden, die zunehmend auf ESG-Risiken und die Robustheit ihrer Portfolios achten, ermöglicht die Einbeziehung des Faktors Wasser in die Vermögensanalyse eine Differenzierung bei gleichzeitigem Schutz der Performance.
Dies erfordert eine dreifache Entwicklung:
Erstens müssen die physischen, regulatorischen und reputationsbezogenen Risiken im Zusammenhang mit Wasser in die Due Diligence integriert werden. Zweitens müssen die bereits verfügbaren Messinstrumente – Satellitendaten, CDP-Berichte, Water Risk Atlas, Wasserknappheitsszenarien – genutzt werden, um die Bewertung der Vermögenswerte zu verfeinern. Und drittens müssen Unternehmen identifiziert werden, die nicht nur widerstandsfähig, sondern auch innovativ im Bereich Wassermanagement oder -aufbereitung sind und die die Marktführer von morgen sein werden.
Die Daten sind vorhanden, aber es fehlt eine Strukturierung dieser Daten in den Analyse- und Bewertungsmodellen. Die Kosten für Wasser – oder dessen Fehlen – in die Cashflow-Prognosen einbeziehen, die Anlagestrategie und die Wasserresilienz aufeinander abstimmen oder Unternehmen identifizieren, die nachhaltige Lösungen anbieten: Das sind die Wege, die es zu erkunden gilt, damit Wasser zu einem echten Leistungshebel wird.
Auf dem Weg zu einer neuen Risikoperspektive
Chief Investment Officers und Vermögensberater müssen Wasser heute nicht mehr nur als einfache Umweltbelastung betrachten, sondern als einen grundlegenden wirtschaftlichen Parameter. Ein Unternehmen, das stark vom Zugang zu Wasser abhängig ist und keine nachhaltige Managementstrategie hat, ist ein risikobehaftetes Unternehmen – auch wenn seine aktuellen Ergebnisse solide erscheinen.
Hier kommt dem Chief Sustainability Officer eine strategische Rolle zu. Der CSO ist nicht mehr nur für die Einhaltung der ESG-Kriterien oder die nichtfinanzielle Berichterstattung zuständig, sondern wird zu einem wichtigen Partner bei der Bewertung materieller Risiken, die in direktem Zusammenhang mit Investitionsentscheidungen stehen. In Zusammenarbeit mit den CIOs kann er Bereiche mit Wasseranfälligkeit identifizieren, neue Vorschriften vorhersehen, Stressszenarien in die Vermögensallokation integrieren und Kapitalströme in Unternehmen lenken, die in der Lage sind, diese Einschränkung in einen Wettbewerbsvorteil umzuwandeln.
Im Schweizer Kontext, wo Präzision, Sorgfalt und Vorausschau zentrale Werte der privaten Vermögensverwaltung sind, wird dieses Tandem aus CSO und CIO zu einem Hebel für eine differenzierte Performance werden. Denn morgen wird die Robustheit eines Portfolios nicht mehr nur an seiner Rentabilität gemessen, sondern auch an seiner Widerstandsfähigkeit gegenüber systemischen Schocks, wie denen im Zusammenhang mit Wasser.
Eine Frage der Kundenbindung
Schliesslich ist die Einbeziehung von Wasser in die Portfolios auch eine Antwort auf die Erwartungen der vermögenden Kunden der neuen Generation. Diese suchen nach Anlagen, die ihren Werten entsprechen, ihnen aber auch ermöglichen, die bevorstehenden grossen systemischen Veränderungen zu antizipieren. Das Wasserrisiko ist eindeutig Teil davon.
Wasser kann nicht mehr nur als Umweltproblem betrachtet werden. Für Schweizer Vermögensverwalter, die heute als führend im Bereich der nachhaltigen Vermögensverwaltung gelten, ist die strategische Integration von Wasser in die Finanz- und Vermögensanalyse eine Gelegenheit, Performance, Risikovorsorge und Exzellenz im Bereich verantwortungsbewusster Investitionen in Einklang zu bringen. Seine Knappheit oder schlechte Bewirtschaftung kann ganze Geschäftsmodelle ins Wanken bringen. In Zeiten des Klimawandels bedeutet nachhaltiges Wassermanagement auch nachhaltiges Vermögensmanagement.
Brewen Latimier
Colombus Consulting
Brewen Latimier ist als Manager bei Colombus Consulting tätig, wo er für den Finanzdienstleistungssektor in der Schweiz zuständig ist. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in diesem Sektor. Nach einer anfänglichen Karriere in der Finanzabteilung einer Bank wechselte er in die Beratungsbranche, in der er an zahlreichen Projekten zur digitalen Transformation in ganz Europa und der Schweiz für Finanzinstitute beteiligt war. Zuletzt hat er für seine Kunden verschiedene Digital- und Datenstrategien umgesetzt.
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