Verhinderung

  • Georgina Parker
  • Head of Sustainability
  • Quaero Capital

Navigieren in einem zunehmend komplexen regulatorischen Umfeld

Die Europäische Kommission (EK) hat wichtige Schritte zur Regulierung der Branche unternommen, um ihre wichtigen Ziele der Förderung nachhaltiger Investitionen und der Verhinderung von Greenwashing zu unterstützen. Die in den letzten zwei Jahren umgesetzte Verordnung war äusserst komplex und nicht unumstritten, aber sie bringt die Branche in Europa schneller voran als anderswo.

Fabio Pellizzari, Leiter ESG Strategie & Business Development im Asset Management der Zürcher Kantonalbank: «Unsere Kundinnen und Kunden investieren mehr und mehr in nachhaltige Produkte.»

Die Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzinstrumente (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR) Stufe 1 trat im März 2021 in Kraft und verpflichtete jeden Fonds zur Offenlegung, ob er ein Nachhaltigkeitsziel verfolgt (Artikel 9), Nachhaltigkeitsmerkmale fördert (Artikel 8) oder keines von beiden (Artikel 6). Vermögensverwalter müssen ihre Nachhaltigkeitsrisikopolitik auf Unternehmensebene offenlegen und erklären, wie ihre Vergütungspolitik die Nachhaltigkeit berücksichtigt.

Die Umsetzung der SFDR-Stufe 2 ist komplizierter, da sie umfangreiche Angaben zum Prozess und zur Erreichung dieser Ziele und Merkmale in der im Juni 2023 fälligen Jahresberichterstattung verlangt. Zur Erinnerung: Der Schwerpunkt der Verordnung liegt auf der Transparenz, die es jedem Anleger ermöglicht, Zugang zu wesentlich mehr Informationen über die Strategie, den Prozess, die Ressourcen und die für jeden Fonds verwendeten Daten zu erhalten, und zwar, anders als bisher, in einem vergleichbaren Format.

Es war nicht einfach, sich in dieser Verordnung zurechtzufinden, da die EK in den letzten 12 Monaten unterschiedliche Auslegungen und Klarstellungen vorgenommen hat, die zuweilen im Widerspruch zu den ursprünglichen Auslegungen standen. Dies führte zu einer beträchtlichen Welle von Herabstufungen, insbesondere bei Fonds nach Artikel 9. Auch nach weiteren Klarstellungen durch die Europäische Kommission befinden wir uns noch immer nicht in einem stabilen Umfeld, was in der Branche für Unsicherheit sorgt.

Was bisher klargestellt wurde, ist, dass die Verordnung nicht darauf abzielt, zu diktieren, was eine akzeptable nachhaltige Strategie ist, und in gewissem Masse begrüssen wir das. Das ist wichtig, denn wir gehen davon aus, dass es auch in Zukunft unterschiedliche Auffassungen darüber geben wird, was beispielsweise als nachhaltige Investition angesehen werden kann und was nicht. Von datenbasierten Schwellenwerten würden wir, zumindest kurzfristig, abraten. Wir haben drei gute Beispiele dafür, warum:

  1. Die Anleger sind sich nicht einig, was am wichtigsten ist. Kann ein Fonds mit einer hohen Kohlenstoffemissionsintensität als nachhaltig angesehen werden? Unserer Meinung nach ja, wenn das Unternehmen einen erheblichen Einfluss auf die Reduzierung künftiger Kohlenstoffemissionen hat. Andere Anleger möchten vielleicht einen Schwellenwert oder einen Filter auf der Grundlage dieser Kennzahl durchsetzen, indem sie es jetzt als obligatorisch ansehen, dass die Unternehmen operativ im Einklang mit einem 1,5-Grad-Szenario stehen. Es sollte dem Anleger überlassen bleiben, zu entscheiden, ob dies seinen Werten und seiner Anlagestrategie entspricht.
  2. Nur wenige Indikatoren sind perfekt. Ein Beispiel ist die Frage, ob ein Unternehmen dem UN Global Compact beigetreten ist. Die Antwort kann nur entweder ja oder nein lauten. Bevorzugt werden Unternehmen, die diese Grundsätze anerkennen und sich zu ihnen bekennen, aber es sollte auch anerkannt werden, dass es sich um eine freiwillige Initiative handelt, die nicht überwacht wird und daher nicht verbindlich ist. Das heisst nicht, dass sie als KPI nicht informativ ist, aber für uns ist sie nur ein Teil des Puzzles, wenn wir Unternehmen betrachten. Ein Unternehmen, das den UN Global Compact unterzeichnet hat, aber eine Geschichte voller Kontroversen hinter sich hat, ist vielleicht nicht so nachhaltig, wie man zunächst denkt. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine qualitative Perspektive auf jede Investition wichtiger ist als jeder einzelne Datenpunkt.
  3. Die Datenqualität ist im Allgemeinen immer noch schlecht. Viele der für die ESG-Analyse verwendeten Daten sind ungeprüft und teilweise unvollständig. Ausserdem schätzen die Anbieter Datenlücken ein, was zu Ungenauigkeiten führt. Dies wird sich mit der Zeit verbessern – in Europa werden wir ab diesem Jahr geprüfte Daten von Unternehmen sehen.

Wir glauben, dass die Regulierung eine positive Kraft in der Branche ist und letztendlich die Probleme des Greenwashings verringern sollte, obwohl wir glauben, dass mehr Aufmerksamkeit auf die Trennung der vielen verschiedenen Strategien gelegt werden sollte, die derzeit alle unter Artikel 8 fallen. Die Verordnung ersetzt nicht die Notwendigkeit einer echten Due-Diligence-Prüfung durch die Anleger, um zu erfahren, welche Prozesse eingehalten und welche Verpflichtungen von den einzelnen Fonds eingegangen werden; für Kleinanleger wird es weiterhin sehr schwierig sein, diese Bewertung vorzunehmen.  Eine stärkere Differenzierung innerhalb der Verordnung wäre unserer Meinung nach hilfreich.

Wir begrüssen weitere Fortschritte in der Verordnung, einschliesslich der Beschränkungen für Fondsnamen, die wir für einen sehr positiven Schritt halten, um Greenwashing zu reduzieren.

 

Georgina Parker

Quaero Capital

Georgina Parker ist seit 2018 bei Quaero Capital SA als Head of Sustainability tätig. Sie begann ihre Karriere 2007 als Aktienanalystin bei Bessemer Trust im Smid-Cap-Team und arbeitete später als Analystin für den globalen Large-Cap-Fonds in London und New York. Im Jahr 2015 arbeitete sie am Aufbau von Virgin Pure, einem Start-up-Unternehmen der Gruppe, das sich auf die Reduzierung von Plastikmüll konzentriert. In 2018 kehrte sie in den Investmentbereich zurück und schloss sich den Experten für nachhaltiges Investment bei Conser Invest in Genf an. Im Jahr 2014 war Georgina Mitbegründerin eines Netzwerks für Frauen namens BroadMinded. Georgina hat einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der University of Edinburgh und ist CFA Charterholder.

Anzahl nachhaltiger Fonds in der Schweiz seit 2016 (jeweils per 30. Juni)

Quelle: IFZ Sustainable Investments Studie 2022 

Die Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen steigt, und mit ihr auch die Greenwashing-Vorwürfe. Ist dies berechtigt?

Greenwashing liegt beispielsweise dann vor, wenn Nachhaltigkeitsattribute in einem Produkt beworben, diese in der Realität jedoch nicht umgesetzt werden. Der Schweizer Markt hat meines Erachtens kein systematisches Greenwashing-Problem. Viele Missverständnisse entstehen aufgrund einer Nichtübereinstimmung der Kundenerwartungen mit den effektiven Attributen der angebotenen Produkte. Erhöhte Transparenz und Ausbildung der Belegschaft – insbesondere am Point-of-Sale – sind hier wichtige Gegenmassnahmen, in welche auch die Zürcher Kantonalbank investiert. Investorinnen und Investoren sollten sich unter anderem darüber informieren, welche nachhaltigen Ansätze im Produkt verfolgt werden.

Wie performen nachhaltige Produkte?

Oftmals mindestens gleich gut wie traditionelle Anlagen. Durch das Antizipieren von Trends profitieren diese Produkte vom Wachstumspotenzial der anstehenden Transition, indem etwa in bestimmte Technologien oder Branchen investiert wird. Auch Risikoüberlegungen spielen eine wichtige Rolle. Denn Corporate-Governance-Probleme oder Umweltskandale können der Reputation einer Unternehmung schaden und das Portfolio negativ belasten.

Weshalb wird dennoch traditionell angelegt?

Weil schlussendlich die Kundschaft über ihr Vermögen entscheidet und bei passiven Produkten den gewünschten Index vorgibt. Wir bieten jedoch auch in diesem Bereich nachhaltigere Produkte an, die entsprechende Kriterien berücksichtigen. Aktiv verwaltete Vermögen legen wir standardmässig nachhaltig an.

Responsible, Sustainable, SDG, ESG – an Begriffen mangelt es nicht. Doch was unterscheidet SDG- von ESG-Investitionen?

Der entscheidende Unterschied ist das Was beziehungsweise das Wie. Bei den UN Sustainable Development Goals, kurz SDGs, steht das Was im Fokus, also die Produkte und Dienstleistungen von Unternehmungen und wie diese zu ökologischen und sozialen Lösungen beitragen. 

Bei der ESG-Integration – kurz ESG – geht es nicht darum, wie nachhaltig Produkte oder Dienstleistungen einer Unternehmung sind, sondern: Wie nachhaltig ist die Unternehmung überhaupt geführt und wie wirken sich Nachhaltigkeitsrisiken auf den zukünftigen Aktionärswert aus.

Was heisst dies konkret?

Angenommen, eine Unternehmung betreibt in einer wasserkargen Region Stromerzeugungsanlagen. Ist das Wasser knapp, können die Anlagen nicht mehr gekühlt und müssen somit heruntergefahren werden. Folglich wird kein Strom generiert, was zu Umsatzeinbussen führt. Bei der ESG-Betrachtung wird nun beispielsweise gefragt, wie sich diese Situation auf den Aktionärswert auswirkt.

Hier beginnen die Missverständnisse.

Richtig, denn die ESG-Betrachtung entspricht oft nicht dem, was Retailkundinnen und -kunden unter Nachhaltigkeit verstehen. Sie denken hierbei nicht an eine nachhaltige Unternehmensführung, sondern an nachhaltige Produkte mit positivem Effekt.

Plakativ: Tesla schneidet in unserem ESG-Score beispielsweise bei vielen Kriterien nicht so gut ab. Themen sind hier sicherlich Arbeitsbedingungen, Humankapital, Sicherheitsfragen hinsichtlich des Autopiloten aber auch Corporate-Governance-Aspekte wie etwa die fehlende Separierung CEO/Chairman. Die Unternehmung wurde zum Beispiel auch aus dem Nachhaltigkeitsindex S&P 500 ESG entfernt. Im Was ist die Firma hingegen sehr gut. So ist Tesla etwa bei der Elektrifizierung des Verkehrs und bei den Batterien führend.

Anderes Beispiel: Philip Morris ist gemäss unserer Einschätzung ein hervorragend geführtes Unternehmen mit einer vorbildlichen Corporate Governance, führend im Bereich der Talentrekrutierung. Zudem hat sich das Unternehmen zu Netto-Null verpflichtet. Die ESG-Bewertung ist somit sehr hoch. Im Was hingegen: schlecht. Tabak ist sehr schädlich und lässt sich nicht mit dem Ziel 3 der UN Sustainable Development Goals vereinbaren, das Gesundheit und Wohlergehen für alle fordert.

Der Blickwinkel ist somit entscheidend ...

Für viele Investorinnen und Investoren ist es herausfordernd, die verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeitsleistung einer Anlage in ein ganzheitliches Verständnis zu bringen. Ein ESG-Rating erfasst primär die operative Exzellenz. Jedoch werden wichtige Aspekte wie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der wirtschaftlichen Tätigkeit oder auch kontroverse Aspekte nicht oder nicht genügend stark reflektiert. Um eine ganzheitlichere Sichtweise zu erreichen, fliessen bei uns nebst dem ESG-Score immer auch Kontroversen, die Nachhaltigkeitsbeurteilung der angebotenen Produkte und der CO2e-Fussabdruck in die Beurteilung mit ein.

Was trägt zu mehr Klarheit bei?

Die Selbstregulierung der Schweizerischen Bankiervereinigung sieht vor, dass die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kundschaft erfasst werden. Es ist elementar zu verstehen, was eine Kundin oder ein Kunde tatsächlich will, wenn es um nachhaltige Anlagen geht. Weil dann eben, wie bereits ausgeführt, gegebenenfalls Philip Morris im Portfolio sein kann, Tesla jedoch nicht. Im EU-Raum geht die Regulierung mit MiFID II, SFDR und EU-Taxonomie noch deutlich weiter: Letztere gibt vor, welche Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig gelten und welche nicht.

Neu gelten aber auch Gas– und Atomkraft als nachhaltig.

Die EU hatte bereits vor der Energiekrise politischen Druck – etwa von Frankreich und anderen Atomstaaten –, Gas- und Atomkraft in die EU-Taxonomie aufzunehmen. Sie gelten nun tatsächlich als nachhaltig – wenn auch nur unter bestimmten Bedingungen.

Atomenergie ist CO2-effizient und hat einen ähnlichen Ausstoss wie Windkraft. Es ist jedoch weiterhin unklar, wie die stark radioaktiven Brennstäbe entsorgt werden sollen. Fukushima hat gezeigt, dass ein Restrisiko einer Nuklearkatastrophe nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Ferner stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, heute noch Kernkraftwerke zu planen, die rund 20 Jahre für die Umsetzung benötigen. Die Energie daraus kommt zu spät. Wir benötigen andere Lösungen.

Wobei auch Gas nicht zu den Lösungen gezählt wird.

Gas ist im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern die `klimafreundlichste´ Form. In der Transitionsphase wird Gas somit sicher wichtig bleiben. Insbesondere an windstillen, bewölkten Tagen werden die erneuerbaren Energien wohl nicht ausreichend Strom produzieren, um sämtliche Menschen zu versorgen und den Wirtschaftskreislauf aufrechtzuerhalten. Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zum Aufbau von Speicherkapazitäten sind somit essenziell, um die Bedeutung von Gas langfristig zu reduzieren.

Fakt ist: Durch die Aufnahme von Gas- und Atomkraft in die EU-Taxonomie hat sich die EU angreifbar gemacht. Das vergangene Jahr hat deutlich gemacht, dass es bei der Energie grosse Abhängigkeiten zu vermeiden gilt und es alternativer Quellen bedarf.

Welche Rolle spielt Gas- und Atomkraft in den SustainableFonds von Swisscanto?

Gas- und Atomkraft werden von den Ausschlusskriterien unserer Sustainable-Fonds erfasst.

Wie sehen nachhaltige Anlagen in fünf bis zehn Jahren aus?

Vermutlich nicht viel anders als heute – jedoch regulierter und standardisierter.

Viele Unternehmen werden sich Netto-Null-Ziele und einen Dekarbonisierungspfad gesetzt haben. Sehr wahrscheinlich werden in der Schweiz deutlich mehr Elektromobile auf der Strasse unterwegs sein. Der Strommix wird vermutlich mehr erneuerbare Energien enthalten und neue Heizungen mit Erdwärme betrieben werden. Es ist damit zu rechnen, dass mehr Güter lokal produziert werden und dass sich vermehrt pflanzenbasierte Lebensmittel durchsetzen. All diese Veränderungen werden sich auch im Portfolio widerspiegeln.

Rechtliche Hinweise: Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen wurden nicht im Einklang mit Rechtsvorschriften zur Förderung der Unabhängigkeit von Finanzanalysen erstellt und unterliegen auch keinem Verbot des Handels im Anschluss an die Verbreitung von Finanzanalysen.

Scanner

  • Von Roman Przibylla
  • Partner
  • CAT Financial Products

Der Markt für künstliche Intelligenz unter der Lupe

Seit der Einführung von ChatGPT ist das Thema künstliche Intelligenz wieder in den Blickpunkt gerückt. Die aktuellen Ereignisse bieten sich dafür an. Microsoft beispielsweise ist gerade dabei, mehr als 10 Milliarden Dollar in den Entwickler OpenAI zu investieren. Es scheint also an der Zeit zu sein, die verschiedenen Komponenten dieses Marktes genauer zu betrachten. 

 

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Künstliche Intelligenz (KI) ist die Fähigkeit von Maschinen, Aufgaben auszuführen, die normalerweise mit menschlicher Intelligenz verbunden sind. Während einige Märkte, Branchen und Unternehmen weiter fortgeschritten sind als andere, befindet sich die KI insgesamt noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Laut einer Analyse von Bloomberg Intelligence wird das Bruttoinlandprodukt im Jahr 2030 infolge der beschleunigten Entwicklung und des Wachstums der KI um bis zu 14% höher sein. Das Wachstumspotenzial ist enorm, aber es gibt dennoch bestimmte Sektoren und Unternehmen, die bevorzugt werden sollten.

Tiefgreifende Veränderungen in der IT-Branche

KI hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Software- und Hardwarebranche und trägt dazu bei, IT-Systeme zu entwickeln, die den Bedürfnissen von Unternehmen und Verbrauchern besser entsprechen. KI oder grosse Sprachmodelle (LLMs) können Entwicklern beim Schreiben von Code für Programmanwendungen und Software helfen. Sie können Code-Fehler erkennen und auch Verbesserungen vorschlagen. Sie werden in die Softwareentwicklung einbezogen, um intuitivere Benutzeroberflächen, schnellere Problemlösungsalgorithmen und genauere Datenanalysen zu erstellen. Im Bereich der Cybersicherheit wird KI bereits in den meisten Cloud-basierten Anwendungen eingesetzt, insbesondere um Sicherheitsverletzungen zu erkennen und betrügerische Aktivitäten aufzudecken. Unternehmen, die in diesem Bereich eine Rolle spielen, sind Nvidia, Palo Alto Network oder auch Autodesk.

Kommunikation und E-Commerce im Umbruch

KI hat die sozialen Medien und den E-Commerce revolutioniert, indem sie Tools zur Automatisierung von Prozessen, zur Personalisierung von Erfahrungen und zur gezielten Werbung bereitstellt. Sie ermöglicht es, die Vorlieben der Nutzer zu erkennen und Empfehlungen auszusprechen, Inhalte zu klassifizieren und automatische Antworten auf Kundenfragen zu generieren. Meta Platforms und Snapchat stellten mehrere KI-Innovationen vor. Meta plant, textbasierte Erlebnisse in diversen Messengern zu erforschen. Darüber hinaus ist geplant, bildbasierte Erlebnisse durch Anzeigenformate und Instagram-Filter sowie Video- und multimodale Erlebnisse zu untersuchen. Snap hat sein eigenes neues Produkt, My AI, vorgestellt. Der Chatbot arbeitet mit der neuesten Version der GPT-Technologie von OpenAI, die speziell für Snapchat angepasst wurde. Am interessantesten ist Microsoft, das eine Reihe von KI-basierten Diensten namens Azure Cognitive Services anbietet und mit seiner Beteiligung an Chat-GPT einer der wichtigsten Player in diesem Bereich ist.

Grosser Mehrwert für die Industrie

Die fünfte industrielle Revolution (Industrie 5.0) beinhaltet die Kombination von Menschen und Maschinen bei der Arbeit. Dazu gehören die Zusammenarbeit von Menschen und Robotern, kognitive Systeme und die Anpassung an Kundenwünsche. KI schafft Mehrwert für Industrieunternehmen, indem sie das Wissen der Mitarbeiter, insbesondere der Ingenieure, erweitert und die Arbeitsabläufe rationalisiert. Die Automatisierung in Verbindung mit KI bringt Veränderungen in die Unternehmen und führt zu wirtschaftlichem Wachstum durch höhere Produktivität. KI kann Produkte entwerfen, Prototypen erstellen, Verbesserungen vorschlagen und einen Zeitplan für die Herstellung von Produkten erstellen. Zebra Technologies ist einer der grössten Vorreiter in diesem Bereich.

Einsatz in der Gesundheitsbranche

Die KI gewinnt in der Gesundheitsbranche immer mehr an Bedeutung, da ihre Anwendungsmöglichkeiten vielfältig sind. Eine Hauptanwendung von KI ist die Diagnose, da die Technologie zur Identifizierung von Krankheitsmarkern in medizinischen Bildern wie Röntgenaufnahmen und CT-Scans eingesetzt werden kann. KI kann auch zur Interpretation medizinischer Daten eingesetzt werden, zum Beispiel bei der Sequenzierung von Genomen, um Zusammenhänge zwischen genetischen Informationen und der Entwicklung bestimmter Krankheiten zu erkennen. Darüber hinaus kann KI für die Fernüberwachung des Gesundheitszustands von Patienten sowie für die Bereitstellung patientenspezifischer medizinischer Ratschläge verwendet werden, die auf den genetischen Hintergrund und die Krankengeschichte des Patienten zugeschnitten sind. Intuitive Surgical verwendet Algorithmen des maschinellen Lernens, um die Leistung seiner chirurgischen Robotersysteme zu verbessern. Es wird erwartet, dass der globale Markt für KI-basierte chirurgische Roboter im Jahr 2026 ein Volumen von 8,8 Milliarden USD erreichen wird. Es wird erwartet, dass der globale Markt für KI-basierte chirurgische Roboter im Jahr 2026 ein Volumen von 8,8 Milliarden USD erreichen wird.

Kein Smart Mobility ohne KI

Eines der bekanntesten Beispiele für KI-gesteuerte intelligente Mobilität ist der Einsatz autonomer Fahrzeuge. Diese nutzen KI, um Hindernisse zu erkennen und auf sie zu reagieren und effizient zu navigieren, wodurch das Risiko für den Fahrer verringert wird. KI-gesteuerte intelligente Roboter werden eingesetzt, um alltägliche Aufgaben wie die Auslieferung zu automatisieren. KI-gesteuerte Roboter können in komplexen Umgebungen navigieren und Hindernisse erkennen, so dass sie Artikel schnell und effizient an ihren Bestimmungsort liefern können. Dies wird immer häufiger in der Industrie und im privaten Bereich eingesetzt. NebenUber ist es vor allem das Unternehmen Mobileye Global, das in diesem Bereich ein enormes Potenzial aufweist.

 

Roman Przibylla

CAT Financial Products

Roman Przibylla ist Partner bei CAT Financial Products. Der studierte Diplom-Kaufmann war in verschiedenen Führungspositionen im Bereich der Strukturierten Produkte tätig und für den digitalen Vertrieb von Zertifikaten, Hebelprodukten und ETFs zuständig.

Kerzen

  • Von Patrick Oberhaensli
  • Gründer & CEO
  • EVOLIDS FINANCE

Reverse Convertibles – Innovation seit 25 Jahren

Reverse Convertibles wurden vor 25 Jahren – also vor einem Vierteljahrhundert – eingeführt und zeigen, dass es immer noch möglich ist, Anlageprodukte zu innovieren – auch heute noch.

 

Patrick Oberhaensli

Ich habe die künstliche Intelligenz ChatGPT gebeten, den Artikel für mich zu schreiben. Die Enttäuschung liess nicht lange auf sich warten: Künstliche Intelligenz ist schnell, aber wenn das Thema nicht bereits auf eine bestimmte Weise behandelt wurde, ist davon auszugehen, dass das Ergebnis nicht zufriedenstellend sein wird. Es ist jedoch durchaus möglich, dass dieser Artikel genau dazu dient, die Maschine in Zukunft (ohne meine Zustimmung) zu „füttern“!

Dies ist die Geschichte des (echten) Starts des Reverse Convertible. Erzählt mit einem praktischen Geist, fern von einer theoretischen Herangehensweise.

Die Entstehung des Reverse Convertible

Es war im Frühjahr 1998 und die Schweizer (und US-) Zinssätze waren bereits niedrig – die grosse Krise des Jahres 2000 würde erst zwei Jahre später kommen. Für institutionelle Anleger ging es darum, ihre Investitionen im Hinblick auf ihre mittelfristigen Ansichten zu optimieren, die auf defensive Aktien oder Aktien angewendet wurden, die sie bereit waren zu akkumulieren, falls dies notwendig wurde. Zeitliche Horizonte, die zusammen existieren, sind ein Schlüsselelement für dieses Anlegersegment, das sowohl eine strategische Vermögensallokation als auch taktische Anpassungen nutzt – letztere spiegeln eine kurzfristige Sichtweise wider. Eine mittelfristige Perspektive ergänzt diese beiden gemeinsamen Perspektiven vorteilhaft – zudem sollte den Hebeleffekt bei Investitionen vermeidet werden.

Dieser Risiko-Rendite-Dialog muss durch sehr fortgeschrittene technische und praktische Kenntnisse unterstützt werden. Es geht darum, alle Schlüsselmechanismen im Zusammenhang mit Optionen zu verstehen. Dies reicht vom Optionspreismodell und den Risikoparametern bis zur Beziehung zwischen zwei Optionen mit demselben Basiswert, derselben Fälligkeit und demselben „Strike“: die oft missverstandenen „Put-Call-Parität“. Aus dem Preis des Puts, der das Recht gibt, den Basiswert zum Strike zum Fälligkeitsdatum zu verkaufen, kann der Preis des Calls (mit denselben Parametern) abgeleitet werden und umgekehrt: ganz „einfach“. Und so wurde der erste Reverse Convertible geboren…

Der Reverse Convertible ist eigentlich so einfach…

Der Reverse Convertible ist ein strukturiertes Produkt, bestehend aus einer Anleihe und einem indirekt vom Investor verkauften Put. Die Prämie aus dem gedeckten Put (ohne Hebelwirkung) führt zu einem erheblichen Anstieg der Kupons der Anleihe wobei im Falle einer Ausübung des Puts Aktien geliefert werden müssen. Der Investor, der das strukturierte Produkt zum Preis von 100% erwirbt – identisch mit einer Anleihe – wird bei Fälligkeit entweder zu 100% zurückgezahlt oder erhält ein vordefiniertes Paket von Aktien, wenn diese gegenüber dem Zeitpunkt der Emission (des Reverse Convertible) an Wert verlieren. In diesem Fall hat der Investor einen nicht realisierten Verlust, der jedoch niemals über 100% hinausgehen kann. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, das Kreditrisiko der Anleihe (selbst) zu berücksichtigen.

Der wahre erste Reverse Convertible…

Während der allererste Reverse Convertible aus offensichtlichen Gründen der Einfachheit auf die Aktie der ausstellenden Bank selbst ausgestellt wurde, war es bei einem bestimmten US-amerikanischen Unternehmen, der Aktie von Philip Morris, wo der wahre erste Reverse Convertible auftauchte. Zunächst hatte die Aktie ein bekanntes spezifisches Risiko, und dann waren attraktive Volatilitäts- und Dividendeneigenschaften entscheidend. Mit einer (zukünftigen) hohen Volatilität und einem höheren Dividendenpreis hatte der Put (der verkauft wird) einen höheren Preis.

Wenn die Bank gleichzeitig einen Call-Warrant (langfristige Call-Option) mit identischen Schlüsselparametern ausgibt, wird die „Put-Call-Parität“ erfüllt, und die resultierende Exposition auf der Bankseite ist einfach „short“ auf das zugrunde liegende Wertpapier. Es ist daher einfach, sich gegen die Risiken von Optionen abzusichern, indem man Long auf das zugrunde liegende Wertpapier ist! Volatilität ist kein Risiko mehr, und die Preise für Investoren können vorteilhafter sein. Eine wirkliche win-win-Situation. Es war von Anfang an einen phänomenalen Erfolg, da dieses neue strukturierte Produkt einem realen Bedürfnis der Anleger entsprach.

Insbesondere in der derzeitigen Phase erhöhter Volatilität bei Aktien ist der Reverse Convertible (noch) attraktiver. Dies gilt umso mehr, als die Zinssätze höher sind und die mittel- bis langfristigen Aussichten für diese Zinssätze besser sein könnten (das ist jedoch eine Meinung).

Übrigens kenne ich die Geschichte des Reverse Convertible so gut, weil ich im Frühjahr vor 25 Jahren das Privileg hatte, diese brandneue Struktur zu kreieren. Und der wahre erste Reverse Convertible wurde nach drei Jahren Laufzeit einfach in bar zurückgezahlt! Der Reverse Convertible ist jedoch auch ein sehr interessanter Fall von Innovation im Finanzmanagement: ein Thema (Innovation), das es noch zu erforschen gilt.

 

Patrick Oberhaensli

EVOLIDS FINANCE

Patrick Oberhaensli – 30 Jahre Erfahrung im Bank- und Finanzwesen – ist der Gründer/CEO von EVOLIDS FINANCE, einem disruptiven Finanzdienstleistungsunternehmen. Seit 2009 unterrichtet er Finanzen für Fachleute in verschiedenen spezialisierten Bereichen. Zuvor war er über fünf Jahre lang für die institutionelle Geschäftsentwicklung der Schweiz bei einem grossen niederländischen Asset Manager verantwortlich und trug damit wesentlich zu dessen Wachstum bei. Vorher hatte er verschiedene Senior-Positionen vor allem an der Kundenfront in einer grossen Schweizer Bank, wo er insbesondere das strukturierte Produkt Reverse-Convertible kreiert hat. Er hat einen Master-Abschluss von der EPFL, sowie die CFA-, CMT-, FRM-Diplome und das Certificate in ESG Investing.

Pfad

  • Francesco Mandalà
  • Ph.D. Chief Investment Officer
  • MBaer Merchant Bank

Alarmstimmung in Peking: Gegenwind, der China von seinem Kurs abbringen könnte

Die Geschichte ist voller epischer Wendungen. Im Dezember letzten Jahres verblüffte China die Welt mit der Ankündigung, seine seit 2020 geltende „Zero-COVID“-Politik aufzugeben. Zwar müssen sich Haushalte und Unternehmen keine Sorgen mehr um die Aussperrung machen, doch das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmer ist schwach und die Stimmung bleibt wackelig.

Francesco Mandalà

Die Änderung der Haltung der chinesischen Regierung gegenüber der „Zero-COVID“-Politik war ein Zeichen von Pragmatismus. Steigende wirtschaftliche Kosten und abnehmende politische Anreize waren die Hauptfaktoren, die die chinesischen Behörden zu dieser plötzlichen Entscheidung veranlasst haben. Ein weiterer Grund waren die zunehmenden Beweise gegen die Wirksamkeit der COVID-Null-Politik.

Das Ende der Restriktionen hat zwar eine wirtschaftliche Erholung ausgelöst, es bleibt jedoch abzuwarten, ob dies zu nachhaltigen Fortschritten führen wird. 2022 deutlich verlangsamt (siehe Grafik 1), und die Verlangsamung dürfte sich fortsetzen, da das Land sowohl mit konjunkturellem als auch mit strukturellem Gegenwind zu kämpfen hat.

Grafik 1: Reales BIP-Wachstum in China und Index des Verbrauchervertrauens.

Reales BIP-Wachstum in China und Index des Verbrauchervertrauens.

Quelle: Bloomberg, Berechnungen mBaer.

Liberale Ökonomen sind der Ansicht, dass jahrelange zentrale Planung die Preise verzerrt und die Ressourcen falsch verteilt, was letztlich zu einer schlechteren Wirtschaftsleistung führt.

Die gängigste Meinung ist, dass China sein erstaunliches Wachstum beibehalten und die liberalen Marktwirtschaften weiterhin übertreffen wird, auch in Bezug auf Innovationen.

China ist 2016 zur größten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen und hat nun einen Anteil von 19 % am globalen BIP, während die USA nur 15 % ausmachen.
China ist auch der weltweit führende Produktionsstandort,
ein wichtiger Handelspartner, der Hauptmotor des weltweiten Wirtschaftswachstums und Sitz der meisten wertvollsten Unternehmen der Fortune Global 500-Liste. Dies sind gewichtige Argumente für eine ungebremste Fortsetzung des chinesischen Wachstums. Die jüngsten Daten zeigen, dass die Wirtschaft seit einem Jahr am stärksten gewachsen ist. Die Regierung bekräftigte ihren wachstumsfreundlichen Kurs, indem sie ihr Ziel für das Haushaltsdefizit erhöhte, sich zum Schutz der Rechte von Unternehmern verpflichtete und verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung des Wohnungsproblems einführte. Der Hinweis der Beamten auf die „Notwendigkeit, das Vertrauen in den Markt zu stärken“ und die „Rechte und Interessen von Unternehmern“ sind willkommene Änderungen in der Rhetorik der Partei.

Gegenwind lässt rote Fahnen wehen

Die Aussichten für China sind heute weit weniger rosig als in den guten alten Zeiten des zweistelligen BIP-Wachstums (siehe Grafik 1).

Erstens hat sich die Wirtschaft in den letzten zehn Jahren strukturell geschwächt. Die grüne Liste des strukturellen wirtschaftlichen Gegenwinds umfasst chronische Überinvestitionen, Fehlallokation von Kapital – Immobilien, einer für alle, geringes Produktivitätswachstum, Verschlechterung der öffentlichen Finanzen, eine alternde Bevölkerung und eine strengere zentrale Kontrolle der Wirtschaft.

Zweitens bremste die Pandemie die Wachstumsaussichten Chinas. Drittens ist der Immobilienmarkt in den letzten zwei Jahren stark eingebrochen, seit der große Immobilienentwickler Evergrande gestürzt wurde. Der Immobiliensektor schrumpft immer noch stark. Es besteht die Gefahr, dass der Rückstand bei den teilweise gebauten Wohnungen nicht mehr aufgeholt werden kann. Viertens hat sich das außenwirtschaftliche Umfeld verschlechtert, mit wachsenden Rezessionsrisiken in den USA und in Europa, was zu einem Rückgang der weltweiten Nachfrage nach chinesischen Exporten führt. Die wachsende Rivalität und das Misstrauen zwischen den USA und China, die durch den Vorfall
des Spionageballons
Die USA erhöhen ihre Sanktionen und Zölle auf chinesische Exporte.

Die jüngste Erholung der Wirtschaft könnte darauf hindeuten, dass die schwierigste Zeit vorbei ist. Dennoch steht China vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen und wird Zeit brauchen, um sich von der „Zero-COVID“-Politik zu erholen. Chinas Wachstumspfad ist nicht vielversprechend.

Francesco Mandalà

MBaer Merchant Bank

Francesco Mandalà kam im Februar 2021 zu MBaer Merchant Bank. Er hat einen Hintergrund in Wirtschaft und Finanztechnik und seine Fähigkeiten liegen in den Bereichen Portfoliomanagement, Modellierung von festverzinslichen Wertpapieren, Makrostrategie, Risikomanagement und Fondsanalyse. Zuvor hatte Francesco verschiedene Positionen bei UBS und Julius Bär inne. Zuvor war er als Statistiker bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt und als Analyst beim Ausschuss der Europäischen Bankenaufsichtsbehörden (CEBS) in London tätig. Derzeit arbeitet er mit dem Swiss Finance Institute (SFI) zusammen und leitet einige Meisterklassen gemeinsam mit Akademikern des SFI. Francesco hat ein Zertifikat in Finanztechnik und Risikomanagement (Columbia University), ein Zertifikat in Investitionsmanagement mit Python und maschinellem Lernen (EDHEC Risk Institute), einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften (Pavia University), einen MSc in Wirtschaftswissenschaften und Ökonometrie (Southampton University) und einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften (Bocconi University, Noten: 110/110). Francesco spricht fließend Italienisch und Englisch.

Nachhaltigkeit

  • Fabio Pellizzari
  • Leiter ESG Strategie & Business Development im Asset Management
  • Zürcher Kantonalbank

Nachhaltigkeit trotz(t) Krisen

Münden die globalen Herausforderungen zusehends in einem Desinteresse an nachhaltigen Anlagen? Eine Einschätzung von Fabio Pellizzari, Leiter ESG Strategie & Business Development im Asset Management der Zürcher Kantonalbank.

Fabio Pellizzari, Leiter ESG Strategie & Business Development im Asset Management der Zürcher Kantonalbank: «Unsere Kundinnen und Kunden investieren mehr und mehr in nachhaltige Produkte.»

Es sind Zeiten der Unsicherheit. Sind nachhaltige Anlagen deshalb weniger gefragt?

Nicht wirklich. Noch während der Finanzkrise 2008 verzeichneten nachhaltige Anlagen viele Geldabflüsse und das Thema verlor an Dynamik. Nun ist das Gegenteil der Fall. Unsere Kundinnen und Kunden investieren mehr und mehr in nachhaltige Produkte. Auch die aktuelle SustainableInvestmentsStudie der Hochschule Luzern bilanziert: Traditionelle Fonds verlieren relativ gesehen, das Interesse für nachhaltige Anlagen steigt entsprechend.

Was ist Ihre Erklärung dafür?

Die ökologischen und sozialen Probleme sind omnipräsent und betreffen Gesellschaften immer konkreter. Extreme Wetterereignisse wie Waldbrände, Wirbelstürme oder heftige Niederschläge häufen sich weltweit. Wegen des weiterhin steigenden Meeresspiegels werden manche Inselstaaten und Städte in Küstenregionen mutmasslich komplett verschwinden. Der wärmere Ozean wirkt sich massiv auf die Biodiversität aus und lässt Korallenriffe absterben. Und an Land: Laut Zahlen des Living Planet Reports des WWF hat der Bestand der Wirbeltiere in den vergangenen 50 Jahren global um 60 Prozent abgenommen. Bis 2030 wollen nun 200 Staaten mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz gestellt haben. Dies wurde jüngst am UNO-Biodiversitätsgipfel in Montreal beschlossen. Ohne solche Verpflichtungen wird es wohl auch nicht funktionieren. 

Doch gewisse Regionen sind schon längst stark bedroht.

In der Tat gibt es Regionen, die seit Jahren unter extremen Dürren leiden. Die Böden sind entsprechend ausgelaugt und vertrocknet – ursprünglich nutzbare Flächen geben nichts mehr her.

Die Folgen?

Humanitäre Krisen. Manche Länder sind dauerhaft auf Hilfsgüter angewiesen. Und mitunter brechen die Menschen auch auf, verlassen ihre Heimat. Hierzulande wiederum führen diese sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichte zu einem Umdenken, besonders bei der jüngeren Generation. Viele achten deshalb auch bei ihren Anlagen auf Nachhaltigkeit. 

Anzahl nachhaltiger Fonds in der Schweiz seit 2016 (jeweils per 30. Juni)

 

Anzahl nachhaltiger Fonds in der Schweiz seit 2016 (jeweils per 30. Juni)

Quelle: IFZ Sustainable Investments Studie 2022 

Die Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen steigt, und mit ihr auch die Greenwashing-Vorwürfe. Ist dies berechtigt?

Greenwashing liegt beispielsweise dann vor, wenn Nachhaltigkeitsattribute in einem Produkt beworben, diese in der Realität jedoch nicht umgesetzt werden. Der Schweizer Markt hat meines Erachtens kein systematisches Greenwashing-Problem. Viele Missverständnisse entstehen aufgrund einer Nichtübereinstimmung der Kundenerwartungen mit den effektiven Attributen der angebotenen Produkte. Erhöhte Transparenz und Ausbildung der Belegschaft – insbesondere am Point-of-Sale – sind hier wichtige Gegenmassnahmen, in welche auch die Zürcher Kantonalbank investiert. Investorinnen und Investoren sollten sich unter anderem darüber informieren, welche nachhaltigen Ansätze im Produkt verfolgt werden.

Wie performen nachhaltige Produkte?

Oftmals mindestens gleich gut wie traditionelle Anlagen. Durch das Antizipieren von Trends profitieren diese Produkte vom Wachstumspotenzial der anstehenden Transition, indem etwa in bestimmte Technologien oder Branchen investiert wird. Auch Risikoüberlegungen spielen eine wichtige Rolle. Denn Corporate-Governance-Probleme oder Umweltskandale können der Reputation einer Unternehmung schaden und das Portfolio negativ belasten.

Weshalb wird dennoch traditionell angelegt?

Weil schlussendlich die Kundschaft über ihr Vermögen entscheidet und bei passiven Produkten den gewünschten Index vorgibt. Wir bieten jedoch auch in diesem Bereich nachhaltigere Produkte an, die entsprechende Kriterien berücksichtigen. Aktiv verwaltete Vermögen legen wir standardmässig nachhaltig an.

Responsible, Sustainable, SDG, ESG – an Begriffen mangelt es nicht. Doch was unterscheidet SDG- von ESG-Investitionen?

Der entscheidende Unterschied ist das Was beziehungsweise das Wie. Bei den UN Sustainable Development Goals, kurz SDGs, steht das Was im Fokus, also die Produkte und Dienstleistungen von Unternehmungen und wie diese zu ökologischen und sozialen Lösungen beitragen. 

Bei der ESG-Integration – kurz ESG – geht es nicht darum, wie nachhaltig Produkte oder Dienstleistungen einer Unternehmung sind, sondern: Wie nachhaltig ist die Unternehmung überhaupt geführt und wie wirken sich Nachhaltigkeitsrisiken auf den zukünftigen Aktionärswert aus.

Was heisst dies konkret?

Angenommen, eine Unternehmung betreibt in einer wasserkargen Region Stromerzeugungsanlagen. Ist das Wasser knapp, können die Anlagen nicht mehr gekühlt und müssen somit heruntergefahren werden. Folglich wird kein Strom generiert, was zu Umsatzeinbussen führt. Bei der ESG-Betrachtung wird nun beispielsweise gefragt, wie sich diese Situation auf den Aktionärswert auswirkt.

Hier beginnen die Missverständnisse.

Richtig, denn die ESG-Betrachtung entspricht oft nicht dem, was Retailkundinnen und -kunden unter Nachhaltigkeit verstehen. Sie denken hierbei nicht an eine nachhaltige Unternehmensführung, sondern an nachhaltige Produkte mit positivem Effekt.

Plakativ: Tesla schneidet in unserem ESG-Score beispielsweise bei vielen Kriterien nicht so gut ab. Themen sind hier sicherlich Arbeitsbedingungen, Humankapital, Sicherheitsfragen hinsichtlich des Autopiloten aber auch Corporate-Governance-Aspekte wie etwa die fehlende Separierung CEO/Chairman. Die Unternehmung wurde zum Beispiel auch aus dem Nachhaltigkeitsindex S&P 500 ESG entfernt. Im Was ist die Firma hingegen sehr gut. So ist Tesla etwa bei der Elektrifizierung des Verkehrs und bei den Batterien führend.

Anderes Beispiel: Philip Morris ist gemäss unserer Einschätzung ein hervorragend geführtes Unternehmen mit einer vorbildlichen Corporate Governance, führend im Bereich der Talentrekrutierung. Zudem hat sich das Unternehmen zu Netto-Null verpflichtet. Die ESG-Bewertung ist somit sehr hoch. Im Was hingegen: schlecht. Tabak ist sehr schädlich und lässt sich nicht mit dem Ziel 3 der UN Sustainable Development Goals vereinbaren, das Gesundheit und Wohlergehen für alle fordert.

Der Blickwinkel ist somit entscheidend ...

Für viele Investorinnen und Investoren ist es herausfordernd, die verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeitsleistung einer Anlage in ein ganzheitliches Verständnis zu bringen. Ein ESG-Rating erfasst primär die operative Exzellenz. Jedoch werden wichtige Aspekte wie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der wirtschaftlichen Tätigkeit oder auch kontroverse Aspekte nicht oder nicht genügend stark reflektiert. Um eine ganzheitlichere Sichtweise zu erreichen, fliessen bei uns nebst dem ESG-Score immer auch Kontroversen, die Nachhaltigkeitsbeurteilung der angebotenen Produkte und der CO2e-Fussabdruck in die Beurteilung mit ein.

Was trägt zu mehr Klarheit bei?

Die Selbstregulierung der Schweizerischen Bankiervereinigung sieht vor, dass die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kundschaft erfasst werden. Es ist elementar zu verstehen, was eine Kundin oder ein Kunde tatsächlich will, wenn es um nachhaltige Anlagen geht. Weil dann eben, wie bereits ausgeführt, gegebenenfalls Philip Morris im Portfolio sein kann, Tesla jedoch nicht. Im EU-Raum geht die Regulierung mit MiFID II, SFDR und EU-Taxonomie noch deutlich weiter: Letztere gibt vor, welche Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig gelten und welche nicht.

Neu gelten aber auch Gas– und Atomkraft als nachhaltig.

Die EU hatte bereits vor der Energiekrise politischen Druck – etwa von Frankreich und anderen Atomstaaten –, Gas- und Atomkraft in die EU-Taxonomie aufzunehmen. Sie gelten nun tatsächlich als nachhaltig – wenn auch nur unter bestimmten Bedingungen.

Atomenergie ist CO2-effizient und hat einen ähnlichen Ausstoss wie Windkraft. Es ist jedoch weiterhin unklar, wie die stark radioaktiven Brennstäbe entsorgt werden sollen. Fukushima hat gezeigt, dass ein Restrisiko einer Nuklearkatastrophe nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Ferner stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, heute noch Kernkraftwerke zu planen, die rund 20 Jahre für die Umsetzung benötigen. Die Energie daraus kommt zu spät. Wir benötigen andere Lösungen.

Wobei auch Gas nicht zu den Lösungen gezählt wird.

Gas ist im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern die `klimafreundlichste´ Form. In der Transitionsphase wird Gas somit sicher wichtig bleiben. Insbesondere an windstillen, bewölkten Tagen werden die erneuerbaren Energien wohl nicht ausreichend Strom produzieren, um sämtliche Menschen zu versorgen und den Wirtschaftskreislauf aufrechtzuerhalten. Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zum Aufbau von Speicherkapazitäten sind somit essenziell, um die Bedeutung von Gas langfristig zu reduzieren.

Fakt ist: Durch die Aufnahme von Gas- und Atomkraft in die EU-Taxonomie hat sich die EU angreifbar gemacht. Das vergangene Jahr hat deutlich gemacht, dass es bei der Energie grosse Abhängigkeiten zu vermeiden gilt und es alternativer Quellen bedarf.

Welche Rolle spielt Gas- und Atomkraft in den SustainableFonds von Swisscanto?

Gas- und Atomkraft werden von den Ausschlusskriterien unserer Sustainable-Fonds erfasst.

Wie sehen nachhaltige Anlagen in fünf bis zehn Jahren aus?

Vermutlich nicht viel anders als heute – jedoch regulierter und standardisierter.

Viele Unternehmen werden sich Netto-Null-Ziele und einen Dekarbonisierungspfad gesetzt haben. Sehr wahrscheinlich werden in der Schweiz deutlich mehr Elektromobile auf der Strasse unterwegs sein. Der Strommix wird vermutlich mehr erneuerbare Energien enthalten und neue Heizungen mit Erdwärme betrieben werden. Es ist damit zu rechnen, dass mehr Güter lokal produziert werden und dass sich vermehrt pflanzenbasierte Lebensmittel durchsetzen. All diese Veränderungen werden sich auch im Portfolio widerspiegeln.

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