Kurzfristige Renditen, langfristiger Kapitalzuwachs
Der Anleihenmarkt erholt sich, nachdem Investoren im letzten Jahr stark leiden mussten. Angesichts der gestiegenen Zinsen und attraktiven Bewertungen ergeben sich bereits zahlreiche Einstiegspunkte.
- Von Daniel Varela
- Piguet Galland
Nach dem Debakel im letzten Jahr würden sich Bondanleger sicherlich über eine freundlichere Wetterlage in diesem Jahr freuen. Nach Rückgängen um das Dreifache könnte das Jahr 2022 gut und gerne dem Jahr 1994 in der Reihe der schlimmsten Rentenmarkt-Crashs der Geschichte den Rang ablaufen. Auslöser dieses Krachs ist natürlich die Inflation, die vielfach als das „Kryptonit“ der Anleihenmärkte bezeichnet wird. Tatsächlich ist die Inflation in den Industrieländern im Jahr 2022 auf Niveaus hochgeschnellt, die seit vier Jahrzehnten nicht verzeichnet wurden.
Doch der Höhepunkt dieser Inflationsphase dürfte hinter uns liegen. In den USA ist der Rückgang bereits ein Fakt, und auch in Europa hat er nach den stark gesunkenen Preisen für Energie eingesetzt – so ist vor allem der Erdgaspreis seit dem Sommer fast fünf Mal günstiger geworden. Sicherlich wird der Rückgang der Inflation nicht linear verlaufen. So ist mit Volatilität zu rechnen, insbesondere aufgrund der automatischen Indexierung bestimmter Preise und Tarife, wie sie im Januar zu beobachten war. Die Inflation ist deshalb nicht weiter zurückgegangen, sondern in einigen Ländern sogar wieder leicht gestiegen – zweifellos ein vorübergehendes Phänomen. Darüber hinaus sorgten die Konjunkturdaten in allen Teilen der Welt zum Jahresbeginn für positive Überraschungen und bestätigen unser Szenario einer sanften Landung der Weltwirtschaft und einer konjunkturellen Erholung in der zweiten Jahreshälfte.
Diese Daten beweisen vor allem die Widerstandsfähigkeit der US-amerikanischen und der europäischen Wirtschaft angesichts der weltweiten Konjunkturabschwächung, der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und der verschärften Kreditbedingungen. Trotz vorübergehender Bedenken könnte das Jahr 2023 im Zeichen der Disinflation stehen, weshalb die wichtigsten Zentralbanken die im Frühjahr 2022 begonnene drastische starke Straffung der Geldpolitik beenden könnten.
Die Federal Reserve wird wohl als eine der ersten Zentralbanken eine Pause in ihrem Straffungskurs einlegen. Die Europäische Zentralbank, die mit einer viel höheren Inflation als die Fed zu kämpfen hat, könnte die Normalisierung ihrer Geldpolitik wahrscheinlich noch in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen. Angesichts der Aufhellung der Aussichten und des allmählich nachlassenden Inflationsdrucks gehen die Anleger davon aus, dass die Leitzinsen der Zentralbanken nach Erreichen ihres Höchststands noch erheblich länger auf hohem Niveau verharren als erwartet. Dies wird in den USA besonders deutlich.
Anders als noch zum Jahresbeginn rechnen die Anleger praktisch kaum noch damit, dass die Federal Reserve im Jahr 2024 die Zinsen senken wird. Daher ist ein deutlicher Rückgang der langfristigen Renditen in den kommenden Monaten nur schwer vorstellbar. Dies wird bestenfalls nicht vor der zweiten Jahreshälfte passieren. Wenngleich die Aussicht auf einen starken Anstieg der Anleihenkurse somit wohl in weite Ferne rückt, können sich Anleger auf kurze und mittlere Sicht über attraktive Kupons freuen, denn sämtliche Segmente des Rentenmarkts sind attraktiv bewertet: Die Renditen oszillieren am oberen Ende der Spanne der letzten zehn Jahre.
So sind positive Renditen bei Staatsanleihen nach mehreren Jahren finanzieller Repression der grossen Notenbanken inzwischen wieder die Regel. Während viele Staatsanleihen noch vor zwei Jahren trotz Nullzinsen oder sogar negativen Zinsen gefragt waren, dürften Renditen von über 4% für US-amerikanische Treasuries, über 3% für die meisten europäischen Staatspapiere und von rund 1,5% für Anleihen der Schweizerischen Eidgenossenschaft nicht nur das Interesse von institutionellen Investoren, sondern auch von Privatanlegern wecken.
Nach der empfehlenswerten Erhöhung der Exposure in US-Anleihen und Verlängerung ihrer Duration im zweiten Halbjahr 2022 ist die Zeit reif, den jüngsten Anstieg der Renditen in Euro und Schweizer Franken mitzunehmen. Die Gewichtung dieser Märkte sollte durch die Bevorzugung erstklassiger Emittenten erhöht werden, denn wir sind nach wie vor überzeugt, dass der Höhepunkt der Korrektur am Rentenmarkt nun hinter uns liegt. Der Horizont hellt sich allmählich auf für diese Anlageklasse, die in diesem Jahr höhere Renditen erzielen dürfte – Balsam für die Seele der Anleger, die das Jahr 2022 sicher möglichst schnell vergessen wollen.
Daniel Varela
Chief Investment Officer
Piguet Galland
Daniel Varela ist Chief Investment Officer von Piguet Galland. Kam Varela 1999 als Leiter für Analysen und Obligationenverwaltung zur Bank Piguet. Im Juli 2011 wurde er Leiter für Investitionsstrategien; im Januar 2012 dann Mitglied im Aufsichtsrat. Daniel Varela verwaltet auch seit zwanzig Jahren den Piguet Global Fund – International Bond, einen Obligationenfonds, der mehrfach für die Qualität seiner Leistungen ausgezeichnet wurde.
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