Investment Lösungen

  • Gregor Trachsel
  • Chief Investment Officer
  • SG Value Partners

Trotz boomenden Aktienmärkten: Ausschau nach tiefen Erwartungen halten

Die globalen Börsenindizes eilen derzeit von einem Rekord zum nächsten. Die meisten passiven Investmentvehikel sind darauf ausgelegt, diese Indizes nachzubilden. In vielen Bewertungen sind jedoch potenzielle Erwartungen im Hinblick auf höhere Erträge und Gewinne nicht berücksichtigt, sagt Gregor Trachsel.

Francesco Mandala

Das Ziel einer substanzorientierten Anlagestrategie ist die Identifikation von und die Investition in Unternehmen, deren derzeitige Aktienkurse Ausdruck von geringen Erwartungen hinsichtlich ihres wahren wirtschaftlichen Werts sind. Diese Disziplin sollte zu einem attraktiven Gesamtabschlag auf Portfolioebene führen, der die Grundlage für die Erzielung solider langfristiger Renditen bildet.

Derzeit sehen wir vier Hauptquellen, von welchen en Portfolio von geringen Erwartungen profitieren kann. Erstens schätzen wir, dass viele unserer Unternehmen eine robustere Preissetzungsmacht für ihre Produkte und Dienstleistungen haben, als ihre aktuelle Bewertung vermuten lässt. Beispielsweise können Unternehmen in Branchen wie Maschinenbau, Transport und Grosshandel üblicherweise ihre Preise nach der Costplus-Methode festlegen. Jüngste Widrigkeiten wie die Pandemie, die Störungen der Lieferketten und die Inflation bei den Inputkosten haben das Management von Auftragsdurchlauf, Produktion und Lieferung ausserordentlich erschwert. Diese Herausforderungen haben in vielen Fällen vorübergehend zu erheblichen Diskrepanzen zwischen den Gestehungskosten und den erzielten Preisen verursacht. Mit der allmählichen Stabilisierung der Geschäftsbedingungen wird sich ein neues Preisgefüge ergeben, das dann wieder attraktive normalisierte Bruttomargen möglich machen wird.

Zweitens haben die Unternehmen aber deutlich unterschätzte Mittel, ihren Preis/Volumen-Mix zu verbessern, indem sie ihr Produkt- und Leistungsangebot ausweiten. Zum Beispiel: Zellstoffproduzenten, die mit Zellulose nicht nur Taschentücher, Papier und Karton herstellen, sondern auch Be-kleidung, Biokraftstoffe und Spezialmaterialien fertigen; Baustofffirmen, die sich von Lieferanten einzelner Komponenten wie Zement oder Glas zu Anbietern kompletter Gebäudehülle-Lösungen weiterentwickeln.

Drittens beobachten wir bei Unternehmen, die in Branchen mit strukturell schwachem Wachstum tätig sind, dass diese oft ihre Kostenbasis effektiver senken, als ihnen zugetraut wird. Besonders in Sektoren mit einem hohen Grad an Massenproduktion, wie etwa Stahlerzeugung oder Landwirtschaft, blicken unsere Unternehmen über die aktuelle Phase des Konjunkturzyklus hinaus und arbeiten an der Verbesserung ihrer Ressourcen- und Arbeitsproduktivität, weil sie davon ausgehen, dass die Geschäftsbedingungen dauerhaft herausfordernd bleiben werden.

Und viertens wird das beharrliche Streben unserer Unternehmen nach einer besseren Kapitaleffizienz unter-schätzt. Konzerne in Branchen mit hohen Fixkosten wie etwa Telekommunikation, Versorgung und Kapitalgüter-herstellung sehen sich permanent gezwungen ihre Investitionsrentabilität zu verbessern, ganz besonders dann, wenn der Zinsaufwand steigt. In diesem Punkt sind wir davon überzeugt, dass sich die hohe Kapitalbindung als Glück im Unglück erweisen kann: die Firmenchefs werden in der Regel dazu incentiviert, ständig das eingesetzte Kapital im Verhältnis zur normalisierten Ertragskraft des Unternehmens zu optimieren.

Fazit: Wir gehen davon aus, dass die Geschäftsmodelle von vielen Unternehmen eine vielseitigere Wertschöpfung ermöglichen, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Wie oben ausgeführt, haben sich durch die jüngste Dynamik des operativen Umfelds erhebliche Aufholchancen ergeben, und zwar durch (1) eine grössere Preisset-zungsmacht, (2) einen besseren Preis/Volumen-Mix, (3) eine schlankere Kostenstruktur und/oder (4) eine ge-steigerte Kapitaleffizienz.

Gregor Trachsel

SG Value Partners

Gregor Trachsel ist Chief Investment Officer von SG Value Partners in Zürich. Zusammen mit seinem Team verwaltet er seit mehr als 20 Jahren globale Deep Value Aktienmandate und Anlagefonds mit einem langfristigen Anlagehorizont. Seit 2020 ist er mit der SG Value Partners unabhängig unterwegs. Zuvor war er mit der gleichen Strategie bei der M.M. Warburg (Switzerland) und bei der Credit Suisse Asset Management in Zürich tätig.