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  • Interview Philipp Leibundgutt & Patric Käser
  • Präsident & Geschäftsführer
  • Briese Schiffahrt (Schweiz)

„Entgegen allen Erwartungen hat die Krise die Schifffahrt wieder auf Kurs gebracht“

Lange Zeit durch Überkapazitäten und den Druck auf die Frachtraten geschwächt, hat sich die Schifffahrt in den letzten Jahren neu erfunden. Briese Schiffahrt, das weltweit jede zweite Windkraftanlage transportiert, steht vorbildlich für diesen Wandel: Flottenerneuerung, Energieeffizienz und der Aufstieg des Project Cargo. Patric Käser und Philipp Leibundgut liefern hierzu ihre Analyse.

Von Jérôme Sicard

Wie hat sich der Seeverkehr in den letzten zehn Jahren – vor und nach COVID – verändert?

Anfang der 2010er-Jahre kam es in der Branche zu einem regelrechten Bauboom: Die Werften produzierten weitaus mehr Schiffe, als tatsächlich benötigt wurden. Die Folge: chronische Überkapazitäten und dauerhaft unter Druck stehende Frachtra­ten. Die Entwicklung des Welthandels blieb hinter den Erwartungen zurück – was die Lage weiter verschärfte. Zahlreiche Reedereien gingen in die Insolvenz oder wurden im Zuge einer umfassenden Marktkonsoli­dierung übernommen.

Dann kam COVID – und mit der Pandemie kam die Wende. Entgegen allen Erwartun­gen hat die Krise die Schifffahrt wieder auf Kurs gebracht. Ein brutaler, aber letztlich heilsamer Schock, welcher der Branche die dringend benötigte Luft verschaffte.

Seitdem hat sich das Bild grundlegend gewandelt. Der Markt ist konsolidiert, die verbliebenen Akteure sind finanziell gut aufgestellt und investieren wieder – ins­besondere in die Erneuerung ihrer Flot­ten. Im Zentrum stehen heute operative Effizienz und eine deutliche Reduktion des Treibstoffverbrauchs.

Welche grossen Trends prägen den Sektor heute?

In den vergangenen Jahren schien es nur eine Devise zu geben: Investitionen muss­ten unbedingt „grün“ sein. Für die Schiff­fahrt ein komplexes Thema – Schweröl bleibt vorerst alternativlos. Batterien und Wasserstoff bringen nicht die nötige Ener­giedichte. In der Folge wurden alternative Ansätze erprobt – von starren Segeln bis zu Abgaswäschern. Manche innovativ, viele überbewertet – und kaum eines die­ser Konzepte hat sich durchgesetzt.

Heute liegt der Fokus klar auf Effizienz. Zurück zu den Grundlagen: Briese Schif­fahrt entwickelt und bestellt moderne Schiffe der neuesten Generation, funktio­nal und konsequent auf Leistung ausge­richtet – ohne unnötige Technik. Diese Schiffe verbrauchen bis zu 35 Prozent weniger Treibstoff und transportieren zugleich rund 20 Prozent mehr Ladung. Messbare Fortschritte, die sich in Zahlen ausdrücken lassen.

Welchen Kurs verfolgen Sie in dieser Branche?

In vielen Bereichen der Seeschifffahrt ist der Reeder kaum mehr als ein Uber-Fahrer mit Kapitänspatent. Die grossen Ladungs­ströme werden von Konzernen wie zum Beispiel Glencore, Cargill oder Maersk kontrolliert – und sie beauftragen in der Regel den Anbieter, der am verletzlichsten ist und somit den niedrigsten Preis akzep­tiert. In diesem Umfeld echte Wertschöp­fung zu erzielen, ist extrem schwierig.

Briese Schiffahrt verfolgt einen anderen Ansatz: Unser Fokus liegt auf Projekt- und Schwergutgütern – also industriellen Spe­zialtransporten. Hier gelten andere Spiel­regeln: Unsere Kunden – beispielsweise GE, Vestas oder Shell – planen langfristig und vergeben ihre Transportaufträge aus­schliesslich an bewährte, zertifizierte Anbieter. Diese Konstellation schafft ver­lässliche, langfristige Beziehungen, stabile Planungsgrundlagen und eine deutlich geringere Volatilität bei den Frachtraten.

Wie sind Sie beim Flottenerneuerungs-programm vorgegangen?

Briese Schiffahrt ist Marktführer im Bereich Projekt- und Schwerguttransport – und wir konnten den Erneuerungszyklus aus einer soliden finanziellen Position starten. Dies ermöglichte es uns, frühzeitig Schiffe bei den Werften zu besonders attraktiven Kon­ditionen zu bestellen. Unsere Investoren, die sich an den Schiffen beteiligen, haben direkt davon profitiert.

Etwa die Hälfte unseres Programms ist inzwischen umgesetzt. Die zweite Hälfte folgt in den kommenden Jahren – sobald sich neue Chancen am Markt ergeben. Interessanterweise könnte uns der von Donald Trump angeheizte Handelskonflikt dabei in die Karten spielen.

Nach welchem Modell haben Sie die Investitionen strukturiert, um den permanenten Flottenumbau zu unterstützen?

Wir haben unser Investorenmodell ange­passt. Einen Fonds aufzulegen, der rasch investiert werden muss, ergibt wenig Sinn. Wir ziehen ein flexibleres Modell vor: Unsere Anleger beteiligen sich gezielt – Schiff für Schiff, je nach Gelegenheit.

Was uns besonders auszeichnet: Die Familie Briese beteiligt sich an jedem Projekt im gleichen Umfang wie die externen Investo­ren – Dollar für Dollar. Dieses Co-Investment-Modell schafft Gleichklang der Interessen und schliesst Zielkonflikte effektiv aus.

Wie sehen moderne Schiffe der nächsten Generation konkret aus?

Die technischen Veränderungen verlau­fen evolutionär – ein Schiff ist rund 25 Jahre im Einsatz. Eine der auffälligsten Neuerun­gen betrifft die Position der Brücke: Sie befindet sich nun vorne. Das schafft Platz auf dem Hauptdeck und ermöglicht ein deutlich höheres Ladevolumen, ohne die Sicht zu beeinträchtigen.
Für uns ist das strategisch entscheidend – schliesslich transportieren wir rund die Hälfte aller weltweit installierten Windkraftanlagen. Mit dem neuen Design passen auf ein gleich grosses Schiff etwa 30 Prozent mehr Rotor­blätter. Auch bei der Antriebstechnik gab es Fortschritte: Die Hauptmaschinen werden heute vollständig elektronisch gesteuert – nicht mehr mechanisch –, was die Energieef­fizienz spürbar verbessert.

Warum transportiert Briese jede zweite Windkraftanlage weltweit?

Mit 130 eigenen Schiffen und bis zu 40 zusätzlichen gecharterten Einheiten betrei­ben wir die weltweit grösste Flotte im Bereich Projekt- und Schwerguttransport. Diese kritische Masse verschafft uns bedeu­tende Skaleneffekte – sowohl bei der Verla­dung als auch bei der Kostenstruktur.

Die Windbranche ist hart umkämpft. Unsere Fähigkeit, zuverlässig zu liefern und gleich­zeitig wettbewerbsfähig zu bleiben, hat es Briese Schiffahrt ermöglicht, sich als führen­der Anbieter zu etablieren. Dieses Modell lässt sich kaum kopieren – es ist unser wirt­schaftlicher Schutzgraben, unser „Moat“, wie Warren Buffett sagen würde.

Wie hat sich Ihr Beruf in den letzten Jahren verändert?

Das Crew-Profil an Bord hat sich gewan­delt. Europäische Seeleute wurden zuneh­mend durch russische und ukrainische Offiziere auf der Brücke sowie philippini­sche Decksbesatzung ersetzt. Die Arbeit bleibt anspruchsvoll, die Schichten lang – daran hat sich wenig geändert.

Was mich persönlich beeindruckt: Trotz des Kriegs arbeiten russische und ukraini­sche Seeleute weiter Seite an Seite – ohne Spannungen, mit beeindruckendem Pro­fessionalismus. Das ist alles andere als selbstverständlich.

Welche Rolle spielen Digitaltechnik und KI in einer jahrtausendealten Branche?

Selbstverständlich ist auch in der gesam­ten Briese Gruppe KI ein Thema: Der Ein­fluss ist real – und wächst stetig. Immer mehr Systeme an Bord lassen sich aus der Ferne überwachen. Potenzielle Ausfälle erkennen wir frühzeitig – noch bevor sie entstehen. So verbessern wir die Einsatz­zeiten unserer Schiffe erheblich.

Auch in der Navigation macht sich der technologische Fortschritt bemerkbar: Die Prognosen zu Wetter und Strömungen sind deutlich präziser geworden. Das hilft uns, effizientere Routen zu planen – und den Treibstoffverbrauch spürbar zu senken.

Welche Kunden und Projekte stehen für Sie im Fokus?

Das Motto unserer unternehmenseigenen Verladungsgesellschaft – BBC Chartering – lautet: Any Port. Any Cargo. Getreu diesem Leitspruch realisieren wir Lösungen für den Transport jeglicher Projekt- und Schwergü­ter von und zu nahezu allen Hochseehäfen weltweit. Aufgrund der besonderen Anfor­derungen dieser Güter sind wir stark in der Energiebranche engagiert – sowohl im tra­ditionellen Öl- und Gassektor als auch in den Bereichen erneuerbare Energien, wie Windkraft- und Wasserstoff-Infrastruktur. Zu unseren typischen Kunden zählen unter anderem Unternehmen wie GE, Vestas, ABB und Siemens.

Darüber hinaus übernehmen wir auch umfangreiche Transporte für die Minenin­dustrie, beispielsweise von Bohrgeräten, Grosskippern und anderer Infrastruktur für Unternehmen wie BHP, Rio Tinto und Glen­core. Ebenso befördern wir komplette Eisenbahnzüge – etwa von Schindler, Nah­rungsmittel für das Welternährungspro­gramm der Vereinten Nationen sowie Yach­ten, die beispielsweise vom Mittelmeer in die Karibik verlegt werden. Eines unserer Schiffe, die BBC Pearl, hat z. B. auch das Piratenschiff «Black Pearl», bekannt aus Pirates of the Caribbean, zum Filmset in der Karibik gefahren.

Patric Käser

Briese Schiffahrt (Schweiz)

Patric Käser, Betriebsökonom FH, ist Geschäftsführer und Mitgründer der Briese Schiffahrt (Schweiz). Er berät und begleitet professionelle Investoren bei Ihren Beteiligungen an Hochsee-Frachtschiffen. Zuvor war er über zwanzig Jahre als Investmentbanker im In- und Ausland tätig, wo er seine Leidenschaft für die Transport- und Speditionsbranche entwickelte. Patric Käser ist langjähriges Mitglied der Wirtschaftskommission von SPEDLOGSWISS – Verband schweizerischer Speditions- und Logistikunternehmen.

Philipp Leibundgut

Briese Schiffahrt (Schweiz)

Philipp Leibundgut, Betriebsökonom FH, ist Verwaltungsratspräsident von Briese Schiffahrt (Schweiz). Er begann seine Karriere bei Hansa in Baar. Danach wechselte er in die Geschäftsleitung der Valartis Bank. Er war zudem Mitgründer von Eastern Property Holdings, einer an der SIX kotierten Immobiliengesellschaft, der er über mehrere Jahre als Verwaltungsrat verbunden blieb. Im Jahr 2016 begleitete er die Abwicklung von Massoel Shipping in Genf und entdeckte dabei den Markt für Multipurpose-Schifffahrt. In der Folge initiierte er eine Partnerschaft mit Briese Schiffahrt, dem weltweit führenden Unternehmen in diesem Segment, um ein Co-Investment-Angebot für den Schweizer Markt zu schaffen.

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