Investment Lösungen

  • Interview Kathleen Gailliot
  • Head of European SMID Cap Research
  • Kepler Cheuvreux

«Small & Mid Caps weisen mehrere strukturell attraktive Merkmale auf»

Nachdem sie in den letzten zwei Jahren schlecht behandelt wurden, scheinen die europäischen Small und Mid Caps endlich wieder Farbe zu bekennen. Dank ihrer sehr günstigen Bewertungen dürften diese Werte wieder von ihren Stärken profitieren.

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Was halten Sie von den derzeitigen Bewertungen europäischer Small & Mid Caps?

Die Bewertungen sind sehr niedrig, so dass sich mittlerweile hervorragende Einstiegsniveaus bieten. Zwischen Dezember 2021 und Ende Juni 2023 haben sie gegenüber Large Caps 22% eingebüsst. Durch die Folgen des Krieges in der Ukraine sind sie logischerweise unter Druck geraten. Small & Mid Caps sind naturgemäss stärker auf den Binnenmarkt ausgerichtet als Large Caps. Sie erzielen rund 60% ihres Umsatzes in Europa, Large Caps dagegen nur 40%. Die Anleger reagierten daher besonders nervös auf die zunehmenden geopolitischen Risiken in der Eurozone. Die Kurseinbrüche von Small & Mid Caps in den letzten beiden Jahren sind mit denjenigen in der Finanzkrise vergleichbar. Damals hatten sie von Ende 2007 bis Ende 2008 einen Rückstand von 24% auf Large Caps eingefahren.

Hat die jüngste Korrektur bestimmte Sektoren verschont?

Unter dem Strich nein, doch einige Kapitalisierungen waren stärker betroffen. Small Caps, deren Marktkapitalisierung unter einer Milliarde Euro liegt, wurden durch den „flight to liquidity“ nach dem Crash der Silicon Bank Valley Bank Anfang des Jahres in Mitleidenschaft gezogen. Die Anleger mieden eine Zeit lang Werte mit geringen täglichen Handelsvolumina. Die Marke von einer Million Euro ist für All-Cap-Investoren meist die Untergrenze.

Wird die zweite Jahreshälfte 2023 für europäische Small & Mid Caps positiver ausfallen?

Das denke ich, denn im Juli hat eine Aufwärtsdynamik eingesetzt. Bereits zum Jahresanfang zeichnete sich eine beginnende Erholung ab, die jedoch durch die Liquiditätskrise nach dem Zusammenbruch der SVB schnell wieder gebremst wurde. Im Januar hatten Small & Mid Caps einen Vorsprung von 7% auf Large Caps erzielt. Der Wendepunkt ist offenbar überschritten und die Erholung dürfte anhalten, auch wenn die Bewertungen immer noch sehr niedrig sind. Dies spiegelt sich auch im Price-to-Book-Verhältnis wider, da Small & Mid Caps mit einem Abschlag von 20% gehandelt werden.

Während Mid Small Caps zu einer Erholung angesetzt haben, werden Small Caps von den Anlegern noch immer geschmäht und weisen nach wie vor eine hohe Unterbewertung auf. In der ersten Jahreshälfte kam es in dieser Kategorie zu vielen Mittelabflüssen, doch mittlerweile kann ein Ausgleich festgestellt werden.

Für eine Erholung der Small & Mid Caps in Europa spricht ferner die Bereitschaft der All-Cap-Manager zur Rückkehr in Investments, die zwar vom Umfang her begrenzter sind, aber den Vorteil der Alpha-Generierung in Phasen der Markterholung bieten. Mit Blick auf das internationale Umfeld ist ferner festzuhalten, dass europäische Small & Mid Caps im Vergleich zu ihren US-amerikanischen Pendants mit einem deutlichen Abschlag gehandelt werden – er beträgt fast 40%, das heisst mehr als das Doppelte des üblichen Abschlags.

Welche Trends könnten Small & Mid Caps derzeit Auftrieb verleihen?

Bevor wir uns die Trends ansehen, sei daran erinnert, dass Small & Mid Caps strukturell gesehen mehrere attraktive Merkmale aufweisen: Fokus auf den Binnenmarkt, Preissetzungsmacht und Wachstumsdynamik. Hinzu kommt die geringe Abdeckung durch Analysten, so dass Marktineffizienzen zur Generierung von Alpha genutzt werden können.

Bei den Trends ist erkennbar, dass Small & Mid Caps vom Vormarsch bestimmter Anlagethemen in den Investmentstrategien beflügelt werden. Für Manager, die ein bestimmtes Anlagethema wie etwa Wasserstoff, CO2-Abscheidung oder Digitalisierung besetzen möchten, bieten Small & Mid Caps interessante Ansatzpunkte, da sie zahlreiche „Pure Player“ umfassen.

Letztendlich ist auch ihre ESG-Dimension ein Faktor, der berücksichtigt werden muss. Viele dieser sogenannten ‚ESG-Improvers‘ finden sich im Small & Mid Cap-Universum. Anders als bei Large Caps handelt es sich hier um Unternehmen, die eine positive Wirkung erzielen, denen jedoch die Ressourcen für eine optimierte ESG-Kommunikation fehlen. Aufgrund des zunehmenden regulatorischen Drucks muss diese Kommunikation in den nächsten Jahren effizienter werden. Die Folge wird eine Anhebung bestimmter Empfehlungen sein, was wiederum mehr ESG-Investoren in dieses Segment lockt.

Kathleen Gailliot

Kepler Cheuvreux

Kathleen Gailliot leitet bei Kepler Cheuvreux das Research für europäische Small- und Mid-Caps. Das SMID-Universum umfasst rund 700 Aktien mit einer Marktkapitalisierung von unter 5 Milliarden Euro. Darüber hinaus zeichnet sie für die europäische „SMID Selected List“ und andere thematische Berichte verantwortlich. Vor ihrem Wechsel zu Kepler Cheuvreux im Jahr 2018 war sie acht Jahre lang bei Natixis tätig. Sie begann als Analystin für den Automobilsektor und deckte anschliessend französische SMID-Unternehmen hauptsächlich aus den Bereichen ‚Investitionsgüter‘ und ‚Unternehmensdienstleistungen‘ ab. Kathleen Gailliot ist Absolventin der Grenoble Ecole de Management und der Aston Business School.