Marc-André Poirier

 

Interview Chairman

  • Marc-André Poirier
  • CEO
  • Indosuez Wealth Management, Schweiz

Von Jérôme Sicard

«Grosse Privatkunden haben ähnliche Bedürfnisse wie eine Investmentbank»

Marc-André Poirier, der zuvor für das Corporate Investment Banking der Credit Agricole Gruppe auf dem amerikanischen Kontinentzuständig war, übernahm die Leitung von Indosuez Wealth Management in der Schweiz, um das Angebot der Vermögensverwaltung um eine neue Dimension zu erweitern. Damit will er die Integration von Dienstleistungen, die eher dem Investmentbanking zuzuordnen sind, erleichtern. Die jüngste Übernahme der Bank Degroof Petercam verleiht dieser Ausrichtung noch mehr Bedeutung.

Welche Rolle spielt die Schweiz gegenwärtig bei Indosuez Wealth Management?

Die Schweiz spielt eine sehr wichtige Rolle in der internationalen Entwicklung der Gruppe. Von der Schweiz aus – mit Niederlassungen in Singapur, Hongkong, Abu Dhabi und Dubai – steuert Indosuez seine Aktivitäten in Asien, im Nahen Osten und in Lateinamerika. Von hier aus wird die Betreuung grosser internationaler Kunden sichergestellt. An den Standorten Genf und Zürich werden wir weiterhin wachsen, investieren und Mitarbeiter einstellen. Zudem werden von Genf aus unsere Private-Markets-Aktivitäten gesteuert.

Hier beruht unser Geschäftsmodell auf zwei Geschäftsbereichen. Zunächst wäre die Vermögensverwaltung zu nennen, die sich auf Kunden im Bereich Ultra High Net Worth, Family Offices und externe Vermögensverwalter spezialisiert hat. Zum anderen verfügen wir über eine Finanzierungsbank, die sehr aktiv im Handelsgeschäft tätig ist und grosse Schweizer Konzerne und Schweizer Tochtergesellschaften internationaler Konzerne betreut.

Sie haben im Sommer die Übernahme von Degroof Petercam abgeschlossen. Auf welche Weise wird sich Indosuez Wealth Management verändern müssen, um diese Erweiterung des Bereichs zu verwalten?

Mit diesem Schritt wechselt Indosuez eindeutig in eine andere Liga. Wir erhöhen unser Kundenvermögen auf 200 Mrd. Euro und haben jetzt 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 16 Standorten. Durch die Integration von Degroof Petercam wird Indosuez in die Top 10 der europäischen Vermögensverwaltungsunternehmen aufgenommen. Dies ist nicht unerheblich.

Ich kann hier eine Parallele zu Amundi ziehen, mit dessen Hilfe Crédit Agricole zu einem führenden Unternehmen im Bereich Asset Management wurde. Warum sollte Indosuez also nicht auch ein führender Anbieter im Bereich der Vermögensverwaltung werden? Wir haben alle Trümpfe in der Hand, um dies zu erreichen: ein gut entwickeltes internationales Netzwerk, einen diversifizierten Kundenstamm und eine solide und gesunde Bilanz, die wir auf strukturierte und aufeinander abgestimmte Weise einsetzen können.

Der Zusammenschluss von Indosuez und Degroof Petercam bedeutet nun, dass wir unsere Teams und unser Know-how bündeln und unser Angebot erweitern. Wir müssen nun allen unseren Kunden dieses neue, erweiterte und verbesserte Wertangebot nahebringen.

Mit welchen wesentlichen Elementen wird Indosuez Wealth Management Ihrer Meinung nach eine führende Position in der europäischen Vermögensverwaltung einnehmen können?

Die Kunden der neuen Gruppe werden von einem der umfassendsten Angebote auf dem Markt profitieren, da es auf dem Know-how beider Häuser beruht. Degroof Petercam zeichnet sich durch seine Expertise in der Vermögensverwaltung aus, insbesondere in Bezug auf ESG-Themen. Die Stärken von Indosuez liegen unter anderem in den Bereichen strukturierte Produkte, Private Markets, Immobilien sowie in der Finanzierungskapazität und dem internationalen Netzwerk. Unsere Kunden können somit von unserer Solidität, unserem Know-how und dem gesamten Ökosystem der Crédit Agricole Gruppe profitieren.

Mit dieser Übernahme können wir auch die Stärke unseres internationalen Netzwerks bekräftigen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir seit 1894 in Hongkong und seit fast 50 Jahren in den Vereinigten Arabischen Emiraten tätig sind und unsere Aktivitäten dort weiter ausbauen. Unser Angebot ist daher sehr umfassend, aber wir werden es noch weiterentwickeln. So haben wir beispielsweise gerade einen speziellen Service für unabhängige Vermögensverwalter im Dubai eingerichtet.

Wie sehen Sie als jemand, der aus dem Investmentbanking kommt, die Vermögensverwaltungsbranche?

Im Gegensatz zur Finanzierungsbank ist die Vermögensverwaltung ein Geschäft, das wenig risikogewichtete Vermögenswerte mobilisiert, aber es ist ein Geschäft, das viel Liquidität bringt. Unsere Stärke besteht darin, dass wir ein Geschäftsmodell haben, das sich auf diese beiden Faktoren stützt.

Sehen Sie in der Welt des Investmentbanking Elemente oder Aspekte, die sich die Vermögensverwaltung zum Vorbild nehmen sollte?

Im Investmentbanking betreiben die Banker mehr Cross-Selling. Heutzutage haben grosse Privatkunden Bedürfnisse, die dem Angebot einer Investmentbank nahe kommen. Sie wollen auch Zugang zu bestimmten Dienstleistungen, zu bestimmten Märkten. Sie haben einen Finanzierungsbedarf, den unsere Bank erfüllen kann.

Lassen Sie mich ein Beispiel anführen. In jüngster Zeit haben wir unsere Wettbewerbsposition bei bestimmten syndizierten Finanzierungen wie Revolving Credit Facility oder Anleiheemissionen gestärkt. Dies sind Schlüsselelemente in der Beziehung zu den grössten Kunden. Sie ermöglichen die Umsetzung einer Vielzahl von Finanzierungsmöglichkeiten und spezifischen Mandaten.

Was kann bzw. muss das Wealth Management vom Corporate Investment Banking lernen?

Die Vermögensverwaltung und das Investmentbanking sind äusserst komplementäre Bereiche, und es ist die Verbindung, die wir zwischen ihnen herstellen können, die sehr vielversprechend ist. Die Herausforderung für uns besteht darin, diese Verbindungen zu stärken und unseren Kunden Schnittstellen zwischen diesen beiden Bereichen, aber auch zu anderen Bereichen innerhalb des Ökosystems der Gruppe zu bieten.

Um dies zu veranschaulichen, haben wir in der Schweiz eine Plattform eingerichtet, auf der unsere Kunden Zugang zu einer Auswahl von Start-ups haben, die online oder über Mobiltelefone zugänglich sind. So stellen wir das internationale Netzwerk der Start-up-Förderer der Crédit Agricole Gruppe für diejenigen unserer Kunden zur Verfügung, die gemeinsam mit Unternehmern investieren möchten.

Sie waren in Tokio, New York, Peking und Seoul. Welches Bild haben Sie vom Schweizer Finanzplatz?

Die Schweiz war für mich immer ein international anerkannter Standort für Private Banking und Commodity Trade Finance. Kein anderer Standort bietet die gleichen Bedingungen, d. h. eine starke wirtschaftliche und steuerliche Stabilität, die durch ein hervorragendes Ökosystem mit einer Vielzahl von Experten in sehr spezifischen Bereichen ergänzt wird. Während das aktuelle Umfeld eher von Polarisierung und politischer Instabilität geprägt ist, schneidet die Schweiz umso besser ab. All dies ermöglicht es uns, ein internationales Klientel zu bedienen, die Vermögensberatung und sehr ausgefeilte Lösungen sucht. Aus diesen Gründen treibt Indosuez in der Schweiz auch die Entwicklung der Kunden im asiatisch-pazifischen Raum und im Nahen Osten voran.

Welches Bild haben Sie heute von ihm?

Der Finanzplatz hat sich verändert. Er hat sich in den letzten zehn Jahren positiv entwickelt, was sich auch in einer grösseren Transparenz niederschlägt. Die Schweiz erfindet sich mit starken Initiativen in den Bereichen nachhaltige Finanzen und Innovation immer wieder neu.

Wo liegen gegenwärtig Ihre Prioritäten?

Wir wollen die Akquisition grosser internationaler Kunden beschleunigen, indem wir ihnen ein Angebot mit hohem Mehrwert unterbreiten. Heutzutage ist der Wert eines Euros oder eines Dollars für einen Kunden fast überall gleich, unabhängig davon, welche Bank Sie begleitet. Wir müssen uns daher differenzieren, indem wir Zugang zu Gegenparteien auf der ganzen Welt, zu anspruchsvollen Finanzierungen und zum gesamten Netzwerk der Gruppe bieten.

Ich möchte auch, dass unser Beruf weiterhin mit Leben gefüllt wird. Wir begleiten einige Familien über mehrere Generationen hinweg. Wir beraten sie in allen Phasen und Schlüsselmomenten ihres Lebens. Unsere Kunden wollen echte Menschen vor sich haben, die kompetent, verfügbar und aufmerksam sind, vom Kundenbetreuer bis zum CEO. Ich sage meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oft, dass sie nichts verkaufen. In erster Linie sollen sie eine loyale und dauerhafte Beziehung aufbauen, und zwar in jeder Hinsicht.

Was braucht eine französische Bank, um auf dem Schweizer Markt im Bereich der Vermögensverwaltung erfolgreich zu sein?

Zunächst möchte ich betonen, dass wir eine Bank nach Schweizer Recht sind, die seit fast 150 Jahren in diesem Land aktiv ist. Darüber hinaus betreut unsere Muttergesellschaft mit Sitz in Paris ein internationales Netzwerk, das sich über 46 Länder erstreckt.

Wir wollen nicht einfach eine weitere französische Bank in der Schweiz sein. Wir sind sehr stark lokal verankert und haben in den Reihen unseres Verwaltungsrats mehrere Schweizer Experten in verschiedenen Bereichen, die bis hin zu nachhaltiger Finanzwirtschaft und Blockchain reichen.

In welchen Bereichen könnten Sie Ihrer Meinung nach noch etwas verbessern?

Wir können immer besser werden, auf allen Ebenen. Insgesamt besteht unser Bestreben heute jedoch darin, weiter zu wachsen und die Bedürfnisse jedes einzelnen unserer Kunden zu erfüllen. Wir könnten sicherlich die Hebelwirkung zwischen der Privat- und der Investmentbank besser nutzen, mit einem hohen Mehrwert für unsere Kunden.

Sergio Ermotti, der CEO von UBS, sprach sich für die Notwendigkeit aus, in Europa stärkere und global wettbewerbsfähigere Banken zu schaffen. Sind Sie der Ansicht, dass es auch im Bereich der Vermögensverwaltung stärkere, global wettbewerbsfähigere Gruppen geben muss?

Der Markt für Privatbanken ist noch immer ein fragmentierter Markt mit vielen kleinen Banken. Einige von ihnen werden ihre Solvabilitätsquote weiter erhöhen müssen. Als Teil der Crédit Agricole, einer Gruppe, die weltweit an neunter Stelle steht, sind wir natürlich in einer starken Position.

Ich erwarte, dass sich die Konsolidierung der Branche fortsetzt, und das wird zwangsläufig zum Vorteil der Kunden sein. Es ist kein Zufall, dass Indosuez im Frühjahr die Übernahme von Degroof Petercam abschloss, eine der grössten Transaktionen der Branche in den letzten zehn Jahren in Europa!

Marc-André Poirier

Indosuez Wealth Management, Schweiz

Seit Dezember 2022 ist Marc-André Poirier Chief Executive Officer von Indosuez Wealth Management in der Schweiz. Von Genf aus ist er unter anderem für die Leitung und Entwicklung der Vermögensverwaltung in der Schweiz, in Asien und im Nahen Osten verantwortlich.

Marc-André Poirier begann seine Karriere bei der Société Générale 1988 an den Anleihenmärkten in Tokio. Nach weiteren Stationen in New York und Hongkong war er von 1999 bis 2002 CEO von SG Securities in Korea und von 2002 bis 2007 Country Manager der Société Générale in China. Danach wechselte er zur Crédit Agricole Gruppe, wo er als Senior Country Officer von Crédit Agricole CIB in Japan tätig war. Im Jahr 2011 wurde er dort Senior Regional Officer für den asiatisch-pazifischen Raum. Von 2016 bis 2022 war er Senior Regional Officer für den amerikanischen Markt und Senior Country Officer für die USA bei Crédit Agricole CIB.

Marc-André Poirier hat einen Abschluss in japanischen Sprachen vom Nationalen Institut für orientalische Sprachen und Zivilisationen (Inalco) und einen MBA von der Wirtschaftshochschule HEC Paris. Er ist ausserdem Absolvent des Corporate Director Program der Harvard Business School.

 

 

 

    Sie werden auch mögen

    Sphere

    The Swiss Financial Arena

    Seit der Gründung im Jahr 2016 unterstützt und vernetzt SPHERE die Community der Schweizer Finanzbranche. SPHERE ermöglicht den Austausch, sei es mit dem vierteljährlich erscheinenden Magazin, den beiden Sonderausgaben für institutionelle Anleger, der Website, den Newsletter und den Veranstaltungen, die das ganze Jahr hindurch durchgeführt werden. Toutes les parties prenantes de la finance, l’un des plus importants secteurs économiques de Suisse, ont ainsi à leur disposition une plateforme où il leur est possible d’échanger, de s’informer et de progresser.

    Case postale 1806
    CH-1211 Genève 1

    P +41 22 566 17 32

    © 2023 Sphere Magazine

    Website erstellt von Swiss House of Brands

    „Wir haben im letzten Jahrwirklich einen Gangzugelegt“

    • Xavier Ledru
    • Corporate Finance
    • Reyl Intesa San Paolo

    Der Geschäftsbereich Corporate Finance der Bank Reyl hat ganz klar einen Schritt nach vorne gemacht.

    Indem er an Transaktionen mitwirkt, bei denen es um Hunderte Millionen, wenn nicht sogar Milliarden geht, gehört er nun zu den namhaften Akteuren des schweizerischen und europäischen Investment-Banking-Sektors. Und seine Entwicklung zeigt, dass er noch grosses Potenzial besitzt, wie sein Leiter, Xavier Ledru, erklärt.

    Der Geschäftsbereich Corporate Finance der Bank Reyl wurde 2013, vor fast zehn Jahren gegründet. Wie viele Transaktionen hat er seitdem abgewickelt?

    Xavier Ledru : In der Tat, die Zeit vergeht schnell! Als ich zur Bank kam, bestand das Team aus drei Personen. Jetzt sind wir ungefähr 15 an unseren Stand¬orten in London, Genf und Zürich, wo wir unsere Präsenz ausbauen. Innerhalb von zehn Jahren haben wir über 50 Geschäfte mit einem Gesamtvolumen von ungefähr acht Milliarden Franken abgewickelt.

    Was bedeutet es für eine Bank wie Reyl Intesa San Paolo, einen Geschäftsbereich Corporate Finance zu haben? Wie passt Ihr Angebot zum Gesamtangebot der Reyl-Gruppe?

    Das Corporate-Finance-Team fügt sich voll in die 360-Grad-Strategie von Reyl Intesa San Paolo ein. Wir bieten unseren Kunden Investment-Banking-Dienstleistungen in den Bereichen Fusionen und Übernahmen, Finanzierungsberatung, Private Equity und Kapitalmärkte an. Denn viele unserer Kunden sind Unternehmen, die erfolgreich internationale Konzerne aufgebaut haben. Indem wir diesen Kunden eine solche Kompetenzpalette anbieten, können wir ihren Bedürfnissen gerecht werden und gleichzeitig eine langfristige Partnerschaft sowohl mit ihnen als auch mit ihrer Familie und ihrem Unternehmen aufbauen.

    Was zeichnet Ihre Entwicklungsstrategie aus?

    In der Anfangsphase verfolgten wir eine eher opportunistische Strategie. Heute stehen wir am Anfang eines neuen, reiferen Zyklus, in dem wir unsere Präsenz in der Schweiz und dem Rest Europas als Berater mittlerer und grosser Unternehmen verstärken wollen. Hier besteht echter Bedarf und vor allem viel Entwicklungspotenzial für Akteure unserer Grössenordnung. Der Geschäftsbereich Corporate Finance von Reyl Intesa Sao Paolo profitiert von seinem ausgefeilten Ansatz und seinen hochwertigen Dienstleistungen und ist gleichzeitig agiler und flexibler als etabliertere Geschäftsbanken.

    Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

    Wenn ich Ihnen meine wahren Ziele offenbaren würde, würden Sie mich mit Sicherheit nicht ernst nehmen! Wir bleiben bescheiden, sind aber extrem entschlossen und ehrgeizig. Angesichts unserer letzten Entwicklungen und der Qualität unserer Teams haben wir gute Gründe, optimistisch zu sein.

    Auf welche Stärken können Sie aus Ihrer Sicht Ihre Strategie konzentrieren?

    Der europäische Geschäftsbankensektor ist durch einen intensiven Wettbewerb gekennzeichnet, aber unsere Dienstleistungskultur, unsere langfristige Vision und die Betonung des Menschlichen sind unsere grössten Trümpfe, um unser Wachstum zu festigen. Dass unsere Kunden nun regelmässig unsere Dienste in Anspruch nehmen, ist die schönste Belohnung. In unseren Teams haben wir erfahrene Fachleute mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen, die von internationalen Grossbanken zu uns gestossen sind. Aber wir verfügen auch über jüngere Mitarbeiter, die wir sehr früh eingestellt und ausgebildet haben und deren Entwicklung uns stolz macht. Unser Humankapital und unsere Empathie sind genau wie unsere technischen Kompetenzen Stärken, die wir pflegen und die uns von anderen, klassischeren Banken aheben.

    Auf welche Art von Transaktionen konzentrieren Sie sich derzeit?

    Vor Kurzem haben wir eine grenzüberschreitende Übernahme im Wert von mehreren hundert Millionen für den Toyota- Konzern abgeschlossen. Im Moment begleiten wir den Verkauf eines schweizerischen Familienunternehmens, das umweltfreundliche Kfz-Schmierstoffe herstellt, an einen Grosskonzern aus dem Energiesektor. Dieses Geschäft wurde übrigens von unserem Geschäftsbereich Wealth Management vermittelt. Auch bei dieser Transaktion stehen einige hundert Millionen Franken auf dem Spiel. Im Bereich Finanzierungen haben wir in diesem Sommer an der Aufnahme von 150 Millionen Euro für die Les-Etincelles-Gruppe, einen der Marktführer in der Hochgebirgs-Luxushotellerie, mitgewirkt. Ferner wurden wir ausgewählt, um die ACS-Gruppe Ende 2021 beim Verkauf ihres Erneuerbare- Energien-Geschäfts an Vinci für 4,9 Milliarden Euro zu beraten. Alles in allem haben wir im letzten Jahr wirklich einen Gang zugelegt.

    Auf welche Sektoren konzentrieren Sie Ihre Kompetenzen?

    Die Sektoren, in den wir aktiv sind, sind die traditionelle Industrie, Gesundheit, Konsum- und Luxusgüter, Technologie, Medien und Telekommunikation, Immobilien und Gastgewerbe. Und natürlich erneuerbare Energien, ein Sektor, in dem wir in den letzten Jahren echtes Fachwissen aufgebaut haben und der ein echter Schwerpunkt unserer Entwicklung ist.

    Was hat Ihnen der Einstieg von Intesa SanPaolo ins Kapital von Reyl & Cie gebracht?

    Die strategische Partnerschaft zwischen uns und Intesa San Paolo, einem der grössten europäischen Bankkonzerne, stellt einen echten Paradigmenwechsel für unser Investment-Banking-Geschäft dar. Intesa San Paolo gehört in vielen Bereichen mit Bezug zum Investment Banking zur europäischen Spitzengruppe. Durch unsere Partnerschaft haben wir Zugriff auf erstklassige Sektorteams und können unsere Kompetenzen und die jeweiligen Netzwerke gemeinsam nutzen. Agilität, Einbindung der Führungskräfte, Fähigkeit zur Beteiligung an Geschäften unterschiedlicher Grössenordnung in unterschiedlichen Regionen und der Zugriff auf eine der grössten Bilanzen der Eurozone: Dies sind alles – recht überzeugende – Argumente, die für uns sprechen. Wenn so viel Potenzial vorhanden ist, ist dies für uns ein sehr starker Impuls!

    Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Intesa-Teams?

    Wir tauschen uns regelmässig aus und lernen uns immer besser kennen. Die Gespräche laufen reibungslos, und das freut uns. Wir können gegenüber Unternehmen eine hohe Kreditfähigkeit «pitchen». Die Intesa- San-Paolo-Gruppe kann sich ihrerseits auf unsere Teams stützen, um in Geschäfte einzusteigen, die sie normalerweise nicht tätigt oder bei denen es sich hybride Geschäfte handelt, also solche, die sowohl in den Private-Banking- als auch den Investment-Banking-Bereich fallen.

    Wie kommt es, dass es ausser Ihnen bisher kaum Schweizer Akteure in diesem Bereich gibt?

    Das überrascht tatsächlich, wenn man sich die zahlreichen Gelegenheiten ansieht, die es hier gibt! Was uns betrifft, profitieren wir im Gegensatz zu vielen vergleichbaren Unternehmen von der uneingeschränkten Unterstützung der Partner der Bank, die praktisch alle ehemalige Investmentbanker sind. Sie verstehen unsere Kultur und das aussergewöhnliche Potenzial, aber auch die besonderen Einschränkungen, die für unsere Tätigkeiten bestehen.

    Wie gehen Sie vor, um Geschäfte zu finden, die Sie interessieren könnten?

    Zunächst arbeiten wir eng mit den anderen Geschäftsbereichen der Bank – Entrepreneurs & Family Office Services, Wealth Management, Asset Management und Asset Services – zusammen. Wir unterhalten hervorragende Beziehungen unter einander. Dank dieser soliden Verbindungen können wir den Kunden der Bank erweiterte Kompetenzen und grosse Netzwerke anbieten.

    Ausserdem hat unser Geschäftsbereich eigene Beziehungen innerhalb der internationalen Geschäftswelt geknüpft. Beispielsweise mit mittleren und grossen schweizerischen und europäischen Konzernen, die uns regelmässig ansprechen, wenn sie Unterstützung bei Problemen mit Fusionen und Übernahmen, Finanzierungen oder schwierigen Verhandlungen mit ihren Finanzpartnern benötigen. Ferner fungieren wir regelmässig als Ansprechpartner von Private-Equity- oder Private-Debt- Fonds, Family Offices oder Staatsfonds, die unsere Dienste bei der Suche nach interessanten Off-Market-Geschäften in Anspruch nehmen. Da wir uns am Schnittpunkt dieser verschiedenen Welten befinden, sind wir in einer einzigartigen Position.

    Allgemein gehen wir unsere Aufgabe mit grossem Enthusiasmus an. Wenn wir eine Verbindung zwischen Personen oder Unternehmen, die wir schätzen, herstellen können, tun wir dies gerne. Indem wir Dienstleistungen erbringen, ohne unbedingt sofort eine Gegenleistung zu erwarten, erinnert man sich später an uns. Das spiegelt auch unser sehr ausgeprägtes unternehmerisches Denken wider, glaube ich.

    Biografie

    Xavier Ledru

    Reyl Intesa Sanpaolo

    Xavier Ledru begann seine Karriere 2004 als Anwalt in der Pariser Niederlassung der US-Kanzlei Orrick Herrington & Sutcliffe, wo er im Bereich strukturierte Finanzierungen tätig war. 2010 wechselte er zur Société Générale Corporate & Investment Banking, wo er als Leiter der Rechtsabteilung für Rohstoffe und natürliche Ressourcen fungierte. Er kam 2014 zu Reyl & Cie, wo er 2019 zum stellvertretenden Leiter und im Juli 2020 zum Leiter der Abteilung Corporate Finance ernannt wurde. Xavier verfügt über einen Abschluss der Paul-Cézanne-Universität, der HEC Business School und der Paris-Descartes-Universität.

     

      Sie werden auch mögen

      Sphere

      The Swiss Financial Arena

      Die Agentur SPHERE ist auf Investor Relations spezialisiert. Sie gibt das Magazin SPHERE heraus, das den Fachleuten der Vermögensverwaltung und der Vermögensverwaltung in der Schweiz gewidmet ist, und organisiert Finanzveranstaltungen für dasselbe Publikum. Sie stützt sich auf die Kompetenzen und das solide Netzwerk ihrer Partner, die seit mehr als fünfzehn Jahren in der Banken- und Finanzindustrie tätig sind.

      Milton Friedman

      Rubrik

      HOMO ECONOMICUS

       

      • Christoph A. Schaltegger
      • Professor für Politische Ökonomie, Universität Luzern
      • Direktor des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP)
      • Von Andreas Schaffner

      „Man muss Milton Friedman im historischen Kontext lesen“

      Interview mit Christoph A. Schaltegger, Professor für Politische Ökonomie, Universität Luzern – Direktor des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP)

      Milton Friedman, Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften, gilt als einer der wichtigsten Ökonomen des letzten Jahrhunderts. Er hat unter anderem die Nixon- und die Reagan-Regierung beraten; später auch Margaret Thatcher. Friedman zählt zu den bekanntesten Vertretern der amerikanischen neoliberalen Schule. Friedman zählt zu den bekanntesten Vertretern der amerikanischen neoliberalen Schule. Für Christoph Schaltegger ist es höchste Zeit, die vorurteilsbeladene Interpretation des Neoliberalismus fallen zu lassen und sich ernsthaft mit dem Erbe des Monetarismus auseinanderzusetzen.

      Warum ist Milton Friedman heute noch aktuell?

      Christoph Schaltegger: Es gibt eine einfache Antwort und eine vielleicht etwas komplizierte. Zuerst die einfache: Wirtschaft und Staat haben einander in den letzten Jahrzehnten zunehmend durchdrungen, schon vor Corona, auch in der Schweiz. Die Stichworte lauten Staatswirtschaft und Wirtschaftsstaat: Der Staat beansprucht einen wachsenden Anteil des BIP für sich, immer stärker greift er ins Wirtschaftsgeschehen ein, bis hin zu einer neuen Industriepolitik.

      Die freiheitlichen Kräfte der Marktwirtschaft wieder verstärkt in den Vordergrund zu stellen, wie dies Milton Friedman seit 1960er Jahren angemahnt hat, kann angesichts dieser Tendenzen keine so schlechte Idee sein. Ausserdem erhält der von Friedman begründete Monetarismus in der Geldpolitik im heutigen Umfeld wieder seine Bedeutung: Inflation ist immer auch ein monetäres Phänomen. Das heisst: Geldmengenwachstum führt nicht zwangsläufig in die Inflation, aber ohne ein solches übertriebenes Wachstum kann kein Inflationsprozess am Leben gehalten werden!

      Und nun die längere Antwort …

      Wir sollten uns hier von der Karikatur verabschieden, die Linke, Konservative, aber auch manche Liberale von «den Neoliberalen» zeichnen. Hierfür hilft es, in die Geschichte der Ökonomik hinabzutauchen und zu differenzieren. Milton Friedman wird am 31. Juli 1912 in New York geboren. Seine Eltern stammen aus der heutigen Ukraine und kamen als jüdische Einwanderer nach Amerika. Friedman hat als junger Mann hautnah erlebt, wie stark die Feinde einer offenen Gesellschaft, um mit Karl Popper zu sprechen, gewirkt haben. Sein Einstehen für die Freiheit des Individuums rückt ihn in die Nähe der von Carl Menger begründete Wiener Schule der Nationalökonomie rund um Ludwig von Mises, die später der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek bekannt gemacht hat. Friedman nahm im April 1947 auch am Gründungstreffen der von Hayek ins Leben gerufenen Mont Pelerin Society teil, die den Liberalismus nach den Planwirtschaften im Zweiten Weltkrieg neu lancieren wollte. Von 1970 bis 1972 war er sogar deren Präsident.

      Was waren die Unterschiede zwischen einem Hayek, der später in Freiburg begründeten Schule von Ordoliberalen wie Walter Eucken und den «Chicago Boys» rund um Milton Friedman?

      Die deutschen Ordoliberalen um Walter Eucken – die Begründer der Ordnungspolitik – begriffen den Ordo, die Ordnung, auch als eine moralische Kategorie: Es gibt kulturelle, institutionelle und mentale Voraussetzungen einer Marktwirtschaft. Diese Voraussetzungen muss der Staat durch geeignete Rahmenbedingungen schaffen. Das Gegenbild war Milton Friedman, der vor allem auf die freien Marktkräfte in einer Wettbewerbsordnung vertraute. Wettbewerb ist immer und überall gut, kann man verkürzt Milton Friedman und seine Chicago Boys zusammenfassen. Friedrich August von Hayek nahm gewissermassen eine Zwischenstellung ein. Sie lässt sich in seinem Opus magnum «Verfassung der Freiheit» nachlesen.

      Friedman sagte einmal: «Die staatliche Lösung eines Problems ist für gewöhnlich genauso schlecht wie das Problem.» War er – im Gegensatz zu den Ordoliberalen – ein Staatshasser?

      Nein, bestimmt nicht. Milton Friedman ist ohne Zweifel ein Verfechter des Neo-Liberalismus, also ein Verfechter der Haltung, dass dem Staat nicht nur Nachtwächteraufgaben zugedacht werden. Aber er sah auch die Probleme des Staatsversagens. Das verbindet ihn auch mit Hayek, der ja den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren neuen Wissens beschrieb. Bei den Ordoliberalen hingegen war – ganz klassisch – die Gestaltung über den Preis zentral. Auch dies muss man vor dem historischen Hintergrund verstehen: Deutschland, aber auch in vielerlei Hinsicht die Schweiz, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch weitgehend eine Ständegesellschaft mit zum Teil staatlichen Mechanismen der Preisfestlegung. Der Schritt hin zur Preisfreigabe wurde von den Ordoliberalen und in der Folge auch vom deutschen Bundeskanzler Ludwig Erhard mit seinem Schlagwort der sozialen Marktwirtschaft gegen alle Widerstände durchgeboxt. Diese Leistung kann man ihm nicht hoch genug anrechnen.

      Dann würden Sie Milton Friedman und dessen Chicagoer Schule als die echten Neoliberalen bezeichnen?

      Ja, aber nicht im Sinn der negativen Interpretation, die der Begriff in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erfahren hat. Milton Friedman sah sich in der Tradition der europäischen Liberalen des 19. Jahrhunderts. Persönliche und wirtschaftliche Freiheit sind bei ihm untrennbar miteinander verknüpft. Milton Friedmans Skepsis gegenüber dem Staat sollte man meiner Meinung nach in den historischen Kontext stellen, als es galt, die freiheitlichen Gedanken nach den Kriegswirtschaften und Keynesianischen Experimenten des Deficit-Spending zu retten.

      Friedman war deshalb weit mehr als ein Ökonom, der – auch wenn er ursprünglicher Mathematiker war – am Pult sass und seine Glasperlenspiele verfertigte. Er analysierte die Weltwirtschaftskrise und mischte sich in die politischen Debatten ein: Er verteidigte das Erziehungsrecht der Eltern, forderte Bildungsgutscheine und auch die Abschaffung der Wehrpflicht. Ja, man weiss von ihm auch, dass er sich noch im hohen Alter gegen das Verbot von Cannabis-Konsum einsetzte. Bekannt waren auch seine Filme, wo er versuchte, in ehemaligen Goldgräberstädten oder auch Tabakplantagen der Frage nach den Ursprüngen von Inflation nachzugehen; natürlich immer auch mit einem pädagogischen Hintergrund und dem Rucksack des Monetaristen ausgestattet. Viele seiner Interventionen sind auf Youtube zu sehen – sehr lohnenswert!

      Schauen wir uns doch im spezifischen auch den Monetarismus an.

      Auf jeden Fall. Heute ist zwar keiner der Zentralbanker mehr ein dogmatischer Monetarist, doch angesichts der Inflation in den USA und im Euro-Raum müssen wir das Geldmengenwachstum einer Volkswirtschaft wieder ins Zentrum der Analyse stellen. Die Nationalbanken haben die vergangenen Krisen mit einer massiven Ausweitung der Geldmengen und einer Ausweitung ihrer Bilanz bekämpft. Die Lösung der Probleme war immer dieselbe: noch mehr Geld für die Wirtschaft, noch mehr Schulden für die Staaten. Die Folgen dieser expansiven Politik bekommt man jetzt zu spüren. Die Staatsverschuldung hat weltweit in bisher ungekanntem Ausmass zugenommen. Hier kommt der Monetarismus, der sich auf die Wirksamkeit der Geldpolitik fokussiert, an seine Grenzen. Heute müsste die Fiskalpolitik in einer Gesamtbetrachtung stärker berücksichtigt werden.

      Als positives Beispiel des Monetarismus wird oft der sogenannte «Volker-Schock» bezeichnet, als der damalige Fed-Chef Paul Volker 1979 eine massive Zinssteigerung angekündigte. Wie sehen Sie das heute?

      Auch hier müssen wir uns die damaligen Umstände vor Augen führen: Die Aufhebung des Goldstandards nach dem Bretton-Woods-System verschob weltweit die Gewichte zugunsten der Zentralbanken. Es bestanden aber noch keine Erfahrungen mit einer Geldpolitik bei flexiblen Wechselkursen. Vieles musste erst erfahren und gelernt werden. Ausserdem befanden sich die USA nach dem verlorenen Vietnamkrieg und den teuren Ausgabenprogrammen in einer anhaltenden Krise, einer Stagflation, also einer wirtschaftlichen Stagnation bei steigender Inflation. Der stark gestiegene Ölpreis erhöhte die Produktionskosten, die Arbeitslosigkeit kletterte auf über 8 Prozent. Die ausserordentlich hohen Leitzinsen von zeitweise über 20 Prozent (!) hatten zwar einen radikal bremsenden Einfluss auf die Gesamtwirtschaft – aber sie konnten die Inflation unter Kontrolle bringen. Die Schattenseiten dieser Poliitik, die waren vor allem in ärmeren Ländern zu spüren.

      Was passierte dort?

      Zuvor hatten sich Investoren in die kapitalhungrigen Staaten Lateinamerikas, Afrikas, aber auch in Südkorea massive Positionen aufgebaut und die Staaten in der Folge beträchtliche Schuldenberge bei niedrigen Realzinsen angehäuft. Diese «Party» endete abrupt mit den Zinserhöhungen in den USA. Jene Staaten landeten in einer enormen Schuldenkrise, da ihre Schulden in US-Dollar denominiert waren.

      Der Vergleich mit der gegenwärtigen Situation drängt sich auf: mit dem russischen Überfall auf die Ukraine und der Gefahr einer Rezession. Sehen Sie das auch so?

      Ja, wir sehen, wie die hohe Nachfrage auf ein stockendes Angebot trifft und in der Folge die Preise steigen. Kommt das Problem der Lieferketten und der steigenden Zinsen dazu. Es droht also in westlichen Ländern tatsächlich eine hartnäckige Stagflation.

      Hohe Inflation ist also keine gute Idee?

      Auf keinen Fall. Sie kennen ja den Spruch von Lenin: «Um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören, muss man ihr Geldwesen verwüsten.» Hier können wir uns an ein Zitat erinnern, das der ehemalige Bundesbank-Präsident Otmar Emminger – wie sein damaliger Schweizer Gegenpart Fritz Leutwiler ein pragmatischer Monetarist – zugeschrieben wird: «Wer mit der Inflation flirtet, wird von ihr geheiratet.» Gleichwohl muss man meiner Meinung nach nicht nur auf die Geldmenge schauen, sondern auch andere Faktoren wie den Arbeitsmarkt und die Fiskalpolitik im Auge behalten.

      Kommen wir zu einem weiteren wichtigen Punkt, der sich immer stärker herauskristallisiert: dem neuen Wettbewerb der Systeme. Welche Position würde hier Milton Friedman vertreten?

      In der Tat, wir sind in einem gewissen Sinn wieder in eine Art kalten Krieg zurückgefallen: Marktwirtschaft versus Staatswirtschaft, Demokratie versus Autokratie. Zu letzteren zählt Russland ebenso wie China. Wir müssen uns wieder auf unsere freiheitlichen Werte besinnen und uns eben gerade nicht am Vorbild der Staatswirtschaften orientieren, indem wir immer weitere Bereiche unserer Wirtschaft unter staatliche Obhut stellen. Die planwirtschaftlichen und sozialdemokratischen Reflexe, die wir in der Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre verorten, gilt es zurückzufahren. Der Crony Capitalism, wo Big Business und Big Government unter einer Decke stecken, führt uns in die falsche Richtung. Fällt erst die Wirtschaftsfreiheit, fällt auch die Meinungsfreiheit – und die politische Freiheit.

      Was also braucht es heute, in einem Satz gesagt?

      Mehr Ordnungspolitik, weniger Mischwirtschaft!

       

      Bio

      Christoph A. Schaltegger

      Professor für Politische Ökonomie, Universität Luzern

       

      Christoph A. Schaltegger ist seit 2010 ordentlicher Professor für Politische Ökonomie und seit 2021 Direktor des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern und lehrt auch an der Universität St. Gallen zum Thema öffentliche Finanzen. Gemäss NZZ-Ranking zählt er zu den einflussreichsten Ökonomen der Schweiz. Zuvor leitete er als Mitglied der Geschäftsleitung von Economiesuisse den Bereich Finanz- und Steuerpolitik. Bis 2008 arbeitete Christoph A. Schaltegger als Referent von Bundesrat Hans-Rudolf Merz im Eidgenössischen Finanzdepartement. Sein Studium schloss Christoph A. Schaltegger mit einem Lizentiat in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel ab, wo er 2003 auch sein Doktorat erwarb (ausgezeichnet mit dem Fakultätspreis 2004). 2009 folgte die Habilitation an der Universität St. Gallen. Anschliessend war er Visiting Scholar an der Queensland University of Technology in Brisbane, Australien.

        Sie werden auch mögen

        Sphere

        The Swiss Financial Arena

        Die Agentur SPHERE ist auf Investor Relations spezialisiert. Sie gibt das Magazin SPHERE heraus, das den Fachleuten der Vermögensverwaltung und der Vermögensverwaltung in der Schweiz gewidmet ist, und organisiert Finanzveranstaltungen für dasselbe Publikum. Sie stützt sich auf die Kompetenzen und das solide Netzwerk ihrer Partner, die seit mehr als fünfzehn Jahren in der Banken- und Finanzindustrie tätig sind.

        Healthcare

        Rubrik

        MEGATRENDS HEALTHCARE

         

        • Cyrill Zimmerman
        • Head of Healthcare Funds & Mandates
        • Bellevue Asset Management
        • Von Andreas Schaffner

        «Der Gesundsheitsektor zeichnet sich durch starke Innovationskräfte aus»

        Die Coronavirus-Krise hat die Stärke des Sektors deutlich unter Beweis gestellt. Im Vergleich zu anderen Titeln haben die Pharmawerte die jüngsten Marktabschwächungen gut überstanden. Das Wachstumspotenzial ist beeindruckend, da mehrere Segmente aufgrund ausgezeichneter Fundamentaldaten und einer starken Innovationsfähigkeit an Bedeutung gewinnen, wie Cyrill Zimmermann hier betont.

        Was sind die Wachstumstreiber im Healthcare-Sektor?
        Ich sehe drei grosse Wachstumstreiber. Zunächst ist es die Demografie, die in den Industrieländern zur Überalterung führt. Das hat sich auch mit Covid nicht verändert und wurde diesen Juli durch die UNO erneut bestätigt. Der zweite Treiber sind Veränderungen im Lebensstil. Darunter meine ich etwa die schlechte Ernährung, zu wenig Bewegung und viel Stress; dies führt dann zu Übergewicht und Fettleibigkeit. Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen deshalb auch in Gegenden zu, die bisher eher traditionelle Lebensweisen und Ernährungsformen gepflegt hatten. Dies sieht man nicht nur in Ländern wie den USA oder Mexiko, sondern vermehrt auch in Japan oder in den arabischen Ländern.
        Der dritte Wachstums-treiber sind die Innovationen in den beiden Bereichen Biotechnologie Medizintechnik. Zudem nimmt die Mittelschicht insbesondere in den Emerging Markets zu. Hier sticht China heraus. Diese Mittelschicht hilft bei der Finanzierbarkeit des Gesundheitssystem – neben den staatlichen Stellen.

        Insgesamt ein robustes Umfeld, also. Was sind die Gründe?
        Ja. Die Gesundheitsindustrie zeichnet sich durch ihre Innovationsstärke aus, was letztlich auch für Anleger sehr attraktiv ist. Es macht die Industrie zudem konjunkturresistent und führt dazu, dass wir jährliche Wachstumsraten von 5 bis 6 Prozent sehen, in einzelnen Subsektoren sind sie noch höher.

        In diesen Untersektoren haben die Digital-Health-Aktien jedoch einen ziemlich grossen Rückschlag erlitten, was auf die Korrektur der Technologiewerte zurückzuführen ist….
        Absolut. Längerfristig wissen wir: Es geht darum, die Effizienz im Gesundheitssystem zu steigern. Allein in den USA rechnet das Beraterhaus McKinsey damit, dass man jährliche Kosten von 300 Milliarden USD einsparen könnte. Zum Beispiel beim Spitalwesen, das auch in den USA ineffizient ist. Aber auch in anderen Gebieten, in welchen das Gesundheitswesen noch nicht so gut ausgebaut ist. Wir sehen unter anderem einen Mangel an Ärzten und Probleme beim Zugang zu neuen Behandlungsmethoden. Hier versprechen wir uns viel vom technologischen Fortschritt. Kürzlich wurde ein Produkt für die Diabetesbehandlung zugelassen, das den Blutzuckerspiegel mittels Sensoren misst und diese Daten an ein beliebiges mobiles Gerät übermittelt. So kann die Ausschüttungsrate einer Insulinpumpe reguliert werden, womit eine Fernüberwachung von Diabetikern ermöglicht wird.

        Wie stark ist die USA als grösster Markt im Bereich Healthcare dominierend?
        Die USA bilden mit Gesundheitsausgaben von über 10’000 USD pro Person im Jahr den grössten Markt, und es befinden sich da auch die grössten Anbieter, die insgesamt einen Umsatz von über 700 Milliarden USD pro Jahr erwirtschaften. So sind die USA insbesondere in den Bereichen Biotech und Medtech die Innovationsführer.

        Wie sieht es mit der Schweiz aus?
        Hinsichtlich Ausgaben pro Person sind wir auf Platz zwei! Das ist die Seite der Verbraucher. Natürlich sind wir auch auf der Seite der Produzenten sehr gut mit den beiden grossen Pharma-Giganten Roche und Novartis sowie hervorragenden Medtech-Pionieren wie Straumann, Sonova, Tecan oder auch mit Mettler Toledo, Ypsomed und Medartis sehr gut aufgestellt. Nichtsdestotrotz: Die Venture-Capital-Kultur, die in den USA enorm hohe Investitionen vorallem im Bereich Biotech ermöglichen, ist nicht vergleichbar.

        Und wie sieht es mit Emerging Markets aus? Immerhin haben Sie vor ein paar Jahren einen entsprechenden Fonds aufgelegt?
        Interessanterweise holt China sehr stark im Bereich Medtech aber auch Biotech auf. Zudem sind die Chinesen in Bereichen der medizinischen Dienstleistungen wie spezialisierte Kliniken oder Healthcare-IT-Firmen gut aufgestellt, zumal sie auch Lösungen auf der Basis der künstlichen Intelligenz anbieten. Produktionsländer wie Indien machen enorme Sprünge im Bereich Generika. Es werden inzwischen im grossen Stil auch Biosimilars hergestellt – die Nachahmerprodukte von patentabgelaufenen Biotech-Medikamenten. Eine spannende Firma ist diesbezüglich die indische Biocon, die für Brustkrebs eine zugelassene Indikation hat. Wir sind ferner in die grösste indische Spitalkette, Appollo Hospitals, investiert. Desweiteren ist Südkorea im Biosimilars Bereich mit den beiden Firmen Celltrion und Samsung Biologics erfolgreich unterwegs. Unter dem Strich sind wir auch bei den breiteren Healthcare Strategien im Vergleich zum MSCI World Healthcare Index weniger stark in den USA investiert, während wir Asien übergewichten.

        Welche Rolle spielen die grossen Tech-Unternehmen, wie Apple, Google oder Amazon? Vor ein paar Jahren zitterte die Industrie angesichts der Pläne der Giganten ja noch.
        Einzelne Unternehmen werden sicher in der Zukunft mit den Technologie-Giganten in den USA oder China noch stärker zusammenarbeiten. Etwa wenn es um Big Data oder die Analyse von Daten geht. Oder auch bei der Logistik ist eine Zusammenarbeit mit Amazon denkbar. Doch bei Medikamenten und Medtech-Produkten ist der Sicherheitsstandard und die Komplexität hoch. Die Eintrittsbarrieren im Gesundheitssektor sind folglich enorm hoch.

        Welche Firmen werden den Markt in den nächsten 5 Jahren prägen?
        Wegen diesen hohen Eintrittsbarrieren gehen wir nicht von grösseren Verschiebungen aus, insbesondere im klassischen Pharma-Business. Die Kosten für die Entwicklung von Therapieformen sind tendenziell gestiegen. Es braucht nach wie vor rund 10 Jahre für die Entwicklung eines Medikaments und das kostet im Normalfall rund eine halbe Milliarde Dollar. Nicht zu vergessen: Erst einmal entwickelt, heisst noch lange nicht, dass ein Produkt auf dem Markt kommt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Wirkstoff die Phase 1 übersteht, liegt bei lediglich 10 Prozent.

        Wie sieht es abseits von Big Pharma aus?
        Wir haben beispielsweise interessante Unternehmen in China oder in Indien im Bereich der Telemedizin auf dem Radar. Etwa Ping An Good Doctor oder die bereits erwähnte Appollo Hospitals. In den USA bildet das Telemedizin Unternehmen Teladoc mit seinen 80 Millionen. Kunden den First Mover. Europa ist aufgrund der Datenschutz-Bestimmungen diesbezüglich etwas zögerlicher. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir bei zunehmendem Kostendruck auch Lösungen in einzelnen Bereichen sehen werden, etwa wenn es darum geht, einen Dermatologen oder Psychiater zu konsultieren. Denn die Kosten von Facetime-Konsultationen sind um ein Vielfaches geringer als ein Besuch beim Arzt.

        Welche Strategie verfolgen Sie mit Bellevue?
        Wir waren immer schon aktive Investoren. Im Bereich Healthcare ist passives Investieren oft ein ungewollt aktiver Entscheid: Die meisten haben deshalb zu viel Large Caps, zu viel Pharma und sind nicht global diversifiziert. Wir investieren aktiv mit einem starken Fokus auf werthaltige Mid Caps, setzen auf lokale Champions in den Emerging Markets, die den kostengünstigen Zugang zu Medizin sicherstellen sowie auf ausgewählte Innovationsführer in Industrieländer.

        Biografie
        Cyrill Zimmerman
        Bellevue Asset Management

        Cyrill Zimmerman ist Head of Healthcare Funds & Mandates und Mitglied der Geschäftsleitung von Bellevue Asset Management. Er gründete Adamant Biomedical Investments im Jahr 2001 und leitete die Investmentboutique bis zu ihrer Übernahme durch Bellevue im Jahr 2014. Bellevue wurde von Martin Bisang und Ernst Müller-Möhl gegründet und begann 1993, sich mit der Investmentgesellschaft BB Biotech auf den Gesundheitssektor zu spezialisieren. Das in diesem Sektor investierte Vermögen beläuft sich bis Ende 2021 auf 10,9 Milliarden CHF. Cyrill Zimmerman hält einen Doktortitel der Universität Zürich.

          Sie werden auch mögen

          Sphere

          The Swiss Financial Arena

          Die Agentur SPHERE ist auf Investor Relations spezialisiert. Sie gibt das Magazin SPHERE heraus, das den Fachleuten der Vermögensverwaltung und der Vermögensverwaltung in der Schweiz gewidmet ist, und organisiert Finanzveranstaltungen für dasselbe Publikum. Sie stützt sich auf die Kompetenzen und das solide Netzwerk ihrer Partner, die seit mehr als fünfzehn Jahren in der Banken- und Finanzindustrie tätig sind.

          Foodtech

          Rubrik

          MEGATRENDS FOODTECH

           

          • Interview Erich Sieber
          • General partner
          • PeakBridge
          • Von Elsa Floret

          „Ein Unternehmen wie Google oder Moderna steht in der Nahrungsmittelindustrie noch nicht am Start“

          Für den englischen Historiker Eric Hobsbawm gab es das Zeitalter der Revolutionen, das Zeitalter des Kapitals und das der Imperien. Hier zog er die Trennlinie zwischen dem 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Heute würde er die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts wahrscheinlich als Zeitalter der Transformation bezeichnen. Neue Technologien, gesellschaftliche Herausforderungen und ökologische Notstände – die Welt muss sich in rasantem Tempo neu erfinden. Betroffen sind alle Sektoren, und in jeder Ausgabe wollen wir beleuchten, wie dieser Wandel Form annimmt. Beginnen wir mit der Ernährung und ihren zahlreichen Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen.

          Wie schnell verändert sich die Nahrungsmittelindustrie?
          Die Nahrungsmittelindustrie begann ihre Transformation erst mit der „grünen Revolution“ in den 1960er Jahren, der Nutzung der Agrochemie und der Einführung von Düngemitteln, Pestiziden, Bewässerungssystemen und – später, in den 1990er Jahren – mit den gentechnisch modifizierten Organismen, den OGM. Anders als in anderen Branchen wie Software und Biotechnologie ist seit den 2000er Jahren kein neuer Nahrungsmittelgigant entstanden. Ein Unternehmen wie Google oder Moderna steht in der Nahrungsmittelindustrie noch nicht am Start. Grund für diese Transformationslücke sind fehlende Innovationen. Die zehn grössten Nahrungsmittelkonzerne haben zwischen 2015 und 2020 gerade einmal 2 Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung investiert. Im IT-Sektor und in der Biotechnologie beziffert sich das Investitionsvolumen auf 45 Milliarden bzw. 42 Milliarden. Heutzutage ist die Lebensmittelproduktion hochgradig ineffizient und völlig aus dem Gleichgewicht geraten: Sie trägt 30% bis 33% zu den Treibhausgasemissionen bei, wobei ein Drittel der Produktion verschwendet wird. Deshalb ist eine grundlegende Umgestaltung der Produktionsketten erforderlich.

          Könnten Sie die Entwicklung der Nahrungsmittelindustrie beschreiben und die Akteure nennen, die sie dauerhaft umwälzen werden?
          Seit einiger Zeit ist eine neue Dynamik zu beobachten, die zur Entstehung einer neuen Anlageklasse geführt hat: Agri-Foodtech. Im Jahr 2010 noch vollkommen unbekannt, repräsentierte sie 2021 bereits ein jährliches Investitionsvolumen von über 50 Milliarden US-Dollar. Das Wachstumstempo von Agri-Foodtech hat sich gemessen an den Investitionen, die sich zwischen 2020 und 2021 fast verdoppelt haben, gewaltig beschleunigt. Angesichts der Grösse des traditionellen Lebensmittelmarkts von 8.000 Milliarden US-Dollar sind dem Wachstumspotenzial dieses Sektors praktisch keine Grenzen gesetzt.

          Welche Bereiche werden in den kommenden 5 Jahren von Foodtech abgedeckt?
          Wir beobachten durch politische Entscheidungen angetriebene strategische Investitionen, mit denen die Ernährungssicherheit derjenigen Volkswirtschaften garantiert werden soll, denen es an Widerstandsfähigkeit mangelt und die hochgradig von Importen abhängig sind. Dazu gehören Investitionen in Technologien zur Produktion alternativer Proteine und von Fleisch aus Zellkulturen – ein Bereich, der hauptsächlich von China vorangetrieben wird – und alternative landwirtschaftliche Systeme wie vertikale Hydroponik-Farmen für die Golfstaaten.
          Ferner steht zu hoffen, dass die Segmente und Technologien, die zielführende Lösungen für die klimatischen, ernährungstechnischen und gesundheitlichen Herausforderungen bieten, in fünf Jahren eine wichtigere Rolle im Foodtech-Spektrum einnehmen werden, als weniger ausgeklügelte Technologien mit nicht nachgewiesenen sozialen und ökologischen Vorteilen.

          Wie würden Sie das typische Profil des neuen Verbrauchers beschreiben?
          Der neue Konsument ist sprunghaft und unentschlossen. Er wechselt seine Ernährungsweisen wie seine Hemden. Gleichzeitig ist er auch sehr engagiert und kann eine gesamte Branche mit einem Shitstorm in die Knie zwingen. Was wir essen, hat heute eine politische, soziale, identitätsstiftende und ethische Dimension erreicht. Unsere Ernährungsgewohnheiten können uns aus einer Gruppe von Menschen ausschliessen oder ein Gefühl der Gemeinschaftszugehörigkeit erzeugen. Das Essen, das seit jeher Menschen anlässlich einer Mahlzeit zusammenbringt, hat sich zu einem Akt der Rebellion, des Misstrauens oder der Spaltung innerhalb einer Gruppe, eines Haushalts oder einer Familie entwickelt. Wir arbeiten zum Beispiel mit Tastewise zusammen, um die Beweggründe der ‚neuen Konsumenten‘ zu analysieren und auszuwerten. Tastewise scannt in Echtzeit Millionen von Restaurantmenüs, Rezepten, Diskussionen und öffentlichen Bewertungen auf Google Review, Yelp, Trip Advisor und in sozialen Netzwerken.

          Hat die generelle Entwicklung des Verbraucherverhaltens hin zu mehr Gesundheit durch bessere Ernährung, Transparenz und ständigem Zugang zu Lebensmitteln zur Folge, dass die Ernährung auf seiner Prioritätenliste ganz nach oben rückt?
          In den europäischen Gesellschaften scheint sich die Maslowsche Bedürfnispyramide seit der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine umgekehrt zu haben. Wir legen immer mehr Wert auf essenzielle Bedürfnisse wie Lebensmittelsicherheit, Zugang zu Zutaten und Sicherheit alternativer Energiequellen. Bis vor zehn Jahren war dies noch nicht der Fall. Die Ernährung hält sich an der Spitze unserer Agenda, denn die Pandemie hat sie in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt.
          Während die USA durch Metaverse und Kryptowährungen abgelenkt sind, ist Europa bei Technologien, die langfristige Lösungen für die klimatischen, energetischen und ernährungstechnischen Herausforderungen bieten, einen Schritt voraus. Das Ökosystem aus öffentlichen Institutionen, Universitäten und Forschungszentren in diesem Bereich bietet europäischen Unternehmern eine vergleichsweise robustere Infrastruktur zur Entwicklung von Technologien, die diesen Übergang flankieren.

          Wie bewerten Sie die Investitions-möglichkeiten, die durch die Anforderungen an Transparenz und Nachhaltigkeit im Lebensmittelbereich entstehen?
          Unsere Ansicht nach ist die Digitalisierung ein Schlüssel zu mehr Transparenz, Nachhaltigkeit und Rückverfolgbarkeit. Die Produktionsketten in der Lebensmittelindustrie weisen von allen Branchen das niedrigsten Digitalisierungsniveau auf. Wir sehen attraktive und konkrete Investitionsmöglichkeiten in den Bereichen der künstlichen Intelligenz, Big Data, Sensoren und Blockchain-Anwendungen entlang der Lebensmittelkette.

          Muss die Nahrungsmittelproduktion zur Bekämpfung von Lebensmittelmangel und Klimawandel sowie zur Erfüllung der Konsumbedürfnisse einer wachsenden urbanen Bevölkerung nicht völlig neu überdacht werden?
          Die Regionalisierung und Relokalisierung der Nahrungsmittelproduktion ist auf dem Vormarsch und soll politische, gesundheitliche und makroökonomische Schocks wie Inflation und schwankende Rohstoffpreise besser abfedern. Darüber hinaus müssen die Veränderungen infolge der globalen Erwärmung antizipiert werden. Eine solche Transformation kann nur über einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont und mit der Unterstützung technologischer Fazilitatoren erfolgen.

          Welche Investitionsmöglichkeiten entstehen hierdurch?
          Möglichkeiten gibt es viele. Für PeakBridge sind folgende Bereiche besonders interessant und entwicklungsfähig: alternative Systeme, die auf Präzisionslandwirtschaft, innovativen und proprietären Anbau- und Verarbeitungsprozessen beruhen oder Systeme ohne Bodenbearbeitung, alternative Proteine und neue Lebensmittel, die durch verschiedene Technologien wie Fermentation gewonnen werden, die Aufwertung von bisher wenig genutzten Lebensmitteln und die Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung.

          Welche Megatrends prägen die Nahrungsmittelindustrie?
          Unsere Lebensmittelsysteme sind mit sechs grossen Herausforderungen konfrontiert: geopolitische Risiken, Nachhaltigkeitsrisiken, Bevölkerungswachstum und mangelnde Widerstandsfähigkeit der Nahrungsmittelketten, sich ändernde Verbraucheranforderungen in Bezug auf Gesundheit, Ernährung und CO2-Bilanz, Mangel an Finanzierungen für Innovationen und die fehlende Digitalisierung.
          Diese Herausforderungen werden durch das aktuelle politische und wirtschaftliche Umfeld noch verschärft: steigende Preise für Energie und Agrarrohstoffe und eine drohende Unterbrechung von Lieferketten.

          Welche Sektoren bieten in diesem Zusammenhang das grösste Potenzial?
          Wir glauben, dass es fünf bisher kaum genutzte Sektoren oder Segmente mit Potenzial gibt, in denen Europa gegenüber den USA eindeutig einen Schritt voraus ist.
          Erstens: innovative Zutaten. Die Herstellung optimierter Zutaten oder die Lösung bestehender Probleme wie zum Beispiel Beschaffung, Qualität, Kosten, Nährwert- und Geschmacksprofil oder gesetzliche Bestimmungen.
          An zweiter Stelle stehen Technologien für alternative Proteine: nachhaltige Alternativen zu tierischen Proteinen mit Schwerpunkt auf Fazilitatoren und technologisch differenzierenden Produkten.
          Drittens sind Digitalisierung und Lebensmittelsysteme 4.0 mit Schwerpunkt auf der Transformation der Wertschöpfungsketten nach der Ernte ein strategisch wichtiges Segment für PeakBridge. Viertens können durch die Digitalisierung Probleme bei der Rückverfolgbarkeit, Sicherheit, Produktion und Verschwendung von Lebensmitteln gesteuert werden.
          Uns interessiert die Schnittstelle zwischen Ernährung und Gesundheit, das heisst Verbesserungen in puncto ‚richtige Ernährung‘, Gesundheit und Wohlbefinden durch Produkte und Dienstleistungen mit nachweislichen Vorteilen.
          Und schliesslich alternative landwirtschaftliche Systeme, die die Produktion von Nahrungsquellen neu definieren. Diese Systeme verändern die bestehende Anbaumethoden oder entwickeln Verfahren ohne Bodenbearbeitung, die eine unbedingte Notwendigkeit sind, wenn man aus den konventionellen landwirtschaftlichen Mustern ausbrechen und bisher wenig erforschte Zutaten anbauen will.

          Biografie

          Erich Sieber

          PeakBridge

          Erich Sieber ist einer der Gründer und Partner von PeakBridge, einer auf Foodtech spezialisierten Risikokapital-gesellschaft, die er 2017 mit Nadav Berger ins Leben gerufen hat. Sieber und Berger sind Pioniere für Investments in der Nahrungsmittel-industrie, da sie den ersten Fonds aufgelegt haben, der dieses Anlagethema besetzt. Als ehemaliger Partner des Innovationsfonds von Nestlé arbeitete Erich Sieber für das Weltwirtschaftsforum und das deutsche Finanzministerium. Er besitzt einen Bachelor in Handel, Wirtschaft und Recht der Universität St. Gallen (HSG) einen dreisprachigen MBA der EAP-ESCP (Paris-Oxford-Berlin) und einen Master of Law (LLM) in Finanzrecht der Universität Genf.

            Sie werden auch mögen

            Sphere

            The Swiss Financial Arena

            Die Agentur SPHERE ist auf Investor Relations spezialisiert. Sie gibt das Magazin SPHERE heraus, das den Fachleuten der Vermögensverwaltung und der Vermögensverwaltung in der Schweiz gewidmet ist, und organisiert Finanzveranstaltungen für dasselbe Publikum. Sie stützt sich auf die Kompetenzen und das solide Netzwerk ihrer Partner, die seit mehr als fünfzehn Jahren in der Banken- und Finanzindustrie tätig sind.