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Mit Aktienanteilen Werte generieren

Trotz des nach wie vor belastenden Umfelds folgt der Aufschwung bei riskanten Anlagen im ersten Quartal einer gewissen Logik. Stéphanie de Torquat, CIO bei Silex, analysiert die Situation.

Nach einem schwarzen Jahr für Anleger startete 2023 mit positiven Vorzeichen und einer breiten Hausse riskanter Anlagen. Obwohl diese Hausse scheinbar einen Widerspruch zum historischen Tempo der Zinserhöhungen darstellt, steht sie de facto im Einklang mit der derzeitigen Konjunkturphase,

denn Aktienkurse sind nichts anderes als die Kombination von zwei Elementen: der Bewertung, dass heisst dem Preis, den Anleger bereit sind, für eine Einheit des erzielten Gewinns (Kurs-Gewinn-Verhältnis, KGV) zu zahlen einerseits, und der Höhe des erzielten Gewinns andererseits.

Die Bewertung lässt sich leicht durch die Zinsentwicklung erklären. Wenn Anleger hohe Renditen mit akzeptablen Risiken erzielen können, wie dies derzeit der Fall ist, verlangen sie einen höheren Gewinn pro gezahlter Einheit. Die Folge ist ein Rückgang des KGV. Tendieren die Renditen jedoch gen Null, sind die Anleger eher bereit, teure Aktien zu kaufen, getreu dem TINA-Prinzip: There Is No Alternative. KGVs und Zinsen stehen somit in einem umgekehrten Verhältnis zueinander.

Das Gewinnwachstum ist an die Dynamik der Wirtschaft gekoppelt, die einen entscheidenden Faktor für die Fähigkeit der Unternehmen zur Erzielung von Gewinnen darstellt.

Der Makro-/Aktienzyklus besteht aus vier unterschiedlichen Phasen, die in den USA bereits gut erkennbar sind.

  1. 1. März 2020 bis Dezember 2021: Die Zentralbanken senken die Zinsen, um die Wirtschaft aus der Rezession herauszuholen. KGVs und Gewinne steigen und ermöglichen hohe Kurszuwächse am Aktienmarkt: +114% für den S&P 500-Index, +54% annualisiert.
  2. 2. Januar 2022 bis Dezember 2022: Die Zentralbanken heben die Leitzinsen an, um die Überhitzung der Wirtschaft zu dämpfen. Die Folge ist ein Rückgang der KGVs. Das Wirtschaftswachstum bleibt robust, die Unternehmensgewinne stabil, doch die Aktienmärkte korrigieren. Dies ist die erste Phase des Baissemarkts. Der S&P 500 bricht um 20% ein.
  3. 3. Seit Januar 2023: Die Zentralbanken signalisieren das Ende ihres Straffungszyklus. Infolgedessen stabilisieren sich die Bewertungen. Da die verschärften Bedingungen noch nicht in vollem Umfang auf die Realwirtschaft durchgeschlagen haben, bleiben die Unternehmensgewinne solide. Aktien sind volatil, doch es bildet sich kein klarer Trend aus. Dies ist die schwierigste Phase des Baissemarkts, denn es kann zu drastischen Eindeckungskäufen von Shortpositionen kommen, weil die Investoren die Hausse nach einem schwierigen Jahr auf keinen Fall verpassen dürfen. In dieser Phase befinden wir uns derzeit. Angesichts der Disinflation und des robusten Arbeitsmarktes nutzen Anleger Kursrücksetzer für Käufe. Allerdings sind angesichts des Rezessionsgespensts, dem die restriktive US-Notenbank die Tür öffnet, auch Verkäufe bei Höchstständen nicht auszuschliessen.
  4. 4. Kommt die Rezession, dann brechen die Gewinne ein und die Aktienkurse stürzen erneut auf Tiefststände ab, bis Zinssenkungen der Federal Reserve gegensteuern und höhere Bewertungsmultiples –und damit letztendlich auch eine Erholung der Gewinne – ermöglichen, wenn das Wirtschaftswachstum wieder anzieht.

Im Falle einer sanften Landung müssen die Gewinne nicht einbrechen und die Aktienkurse bleiben stabil. Doch in einem Szenario, das letztlich auf eine Rezession hinausläuft, mit der wir zwischen Ende 2023 und Mitte 2024 rechnen, ist eine vorsichtige Allokation oberstes Gebot.

Deshalb sind wir überzeugt, dass die richtige Strategie zur Erzielung von Wertsteigerungen im derzeitigen Umfeld auf eine sehr selektive Positionierung in bestimmten Sektoren und eine geschickte Einzeltitelauswahl setzen muss. In dieser Hinsicht besteht eine Diskrepanz zwischen der jüngsten Super-Rallye zyklischer Titel in Europa gegenüber defensiven Werten und den makroökonomischen Fundamentaldaten. Durch die Unterbewertung defensiver Aktien entsteht unserer Ansicht nach ein sehr attraktiver Einstiegspunkt in das besonders defensive Marktsegment, das zyklische Werte übertreffen dürfte.

 

Stéphanie de Torquat

SILEX

Stéphanie de Torquat ist seit letztem Herbst Chief Investment Officer von Silex. Davor war sie Senior-Volkswirtin und Mitglied des Anlageausschusses von Lombard Odier. Von 2006 bis 2010 war sie als Mitglied des Investmentstrategieteams bei Goldman Sachs Asset Management in London hauptsächlich für institutionelle Kunden zuständig. Stéphanie de Torquat ist Absolventin der Pariser École Nationale de la Statistique et de l’Administration Économique (ENSAE) und verfügt über einen Master of Science in Financial Engineering der Columbia University, New York.

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