Digital Solutions

  • Interview
  • Alessandro Bizzozero, Partner, BRP
  • Achille Deodato, CEO, Indigita

«Immer mehr digitale Lösungen sind zu sehr wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar»

Bevor die Compliance-Funktion zu einem Kostenfaktor wird, der für Vermögensverwalter zunehmend erschwinglich erscheint, sollte sie zunächst als eine Art Katalysator in einer Wachstumsstrategie betrachtet werden. Für Alessandro Bizzozero und Achille Deodato schafft sie die Grundlage für die Entwicklung des Unternehmens.

Von Jérôme Sicard

Gibt es eine Möglichkeit, die Gewichtung der Compliance in Form von Zeit oder Geld zu messen, die für ihre Bearbeitung aufgewendet wird?

Alessandro Bizzozero. Compliance ist ein weit gefasster Begriff, der gesetzliche Vorschriften, Industriestandards und interne Richtlinien, einschliesslich rechtlicher Fragen und regulatorischer Kontrolle, umfasst. Anstatt sie als Belastung zu betrachten, sollte sie vielmehr als Garantie dafür gesehen werden, dass ein Unternehmen innerhalb des gesetzlichen Rahmens operiert. Sie stärkt daher das Vertrauen in den Markt sowie dessen Wettbewerbsfähigkeit. Die Verletzung von Vorschriften kann in der Schweiz und im Ausland erhebliche Kosten verursachen. In dieser Hinsicht bedeutet die Compliance in Wirklichkeit, dass man Geld spart.

Achille Deodato. Die Betriebskosten für die Compliance lassen sich in direkte Ausgaben – Gehälter, Systeme und Zeitaufwand – und indirekte Ausgaben – Schulungen, Beraterhonorare und betriebliche Verzögerungen – unterteilen. Um diese Kosten zu quantifizieren, gibt es wichtige Key Performance Indicators (KPIs) wie die Kosten für die Compliance als Prozentsatz der Einnahmen, die für Compliance-Aktivitäten aufgewendete Zeit und die Anzahl der Vorfälle im Zusammenhang mit der Compliance. Sie tragen dazu bei, die finanzielle und zeitliche Belastung durch die Compliance zu bewältigen.

Inwiefern helfen digitale Lösungen wie die Ihre den Vermögensverwaltern, Zeit und Geld zu sparen?

Alessandro Bizzozero. Digitale Lösungen gehören heute zum Alltag von Vermögensverwaltern. Sie sind unerlässlich, um auf aktuelle Datenbanken zuzugreifen und grosse Datenmengen zu verarbeiten. Ich würde sogar noch weiter gehen: Sie sind für den reibungslosen Ablauf des Unternehmens notwendig und tragen zur Verbesserung der Dienstleistungen für die Kunden bei.

Achille Deodato. Sie erleichtern auch die Entwicklung des Geschäfts. Durch die Integration der richtigen Instrumente können Vermögensverwalter die Betriebskosten erheblich senken und die Gesamtleistung des Unternehmens steigern. Wir beobachten, dass immer mehr gebrauchsfertige digitale Lösungen zu sehr wettbewerbsfähigen Preisen auf dem Markt verfügbar sind. Für einen mittelgrossen Vermögensverwalter bedeutet die Nutzung einer geeigneten digitalen Lösung eine Einsparung von ein bis zwei Vollzeitstellen!

Wie gross ist der Umfang der Daten, die Sie in den letzten zehn Jahren verwaltet haben, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen?

Alessandro Bizzozero. Das Volumen ist exponentiell gewachsen! Zu den historischen Daten, die sich auf die Bekämpfung der Geldwäsche beziehen, mussten die Vermögensverwalter grenzüberschreitende Daten, Steuerdaten, ESG, FIDLEG und so weiter hinzufügen.

In unserem Fall, bei BRP, decken wir mit unseren Länderkatalogen mehr als 190 Gerichtsbarkeiten ab. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Für die Erstellung eines Katalogs zu grenzüberschreitenden Dienstleistungen müssen in der Regel vier bis sechs lokale Vorschriften pro Gerichtsbarkeit konsultiert werden. Wenn man bedenkt, dass die grenzüberschreitende Compliance nur ein Teil der Daten ist, die für die Durchführung von Geschäften erforderlich sind, wird deutlich, dass die Rahmenbedingungen für Finanzinstitute sehr komplex geworden sind.

Bis vor Kurzem hatten unabhängige Vermögensverwalter in der Schweiz geringere regulatorische Verpflichtungen als Banken. Sie beschränkten sich hauptsächlich auf die Bekämpfung der Geldwäsche. Mit den neuen Vorschriften müssen sich die UVVs nun in vielen Bereichen denselben Verpflichtungen wie Banken stellen, weshalb sie grosse Datenmengen verarbeiten müssen.

Achille Deodato. Glücklicherweise bieten digitale Lösungen und die gemeinsame Nutzung von Dienstleistungen den Vermögensverwaltern heute praktikable Möglichkeiten, diese Daten gut zu organisieren, sie effizient zu verwalten, ihre Compliance zu gewährleisten und gleichzeitig die operative Kontrolle zu behalten.

Wie sollten Vermögensverwalter diese Compliance-Themen angehen?

Alessandro Bizzozero. Die Kosten sind bei den Vermögensverwaltern deutlich gestiegen, und die Compliance ist zum grossen Teil für diesen Anstieg verantwortlich. Doch auch wenn das Umfeld schwierig erscheinen mag, sehen wir dennoch Chancen. Es gibt viele Möglichkeiten, sie zu nutzen, vorausgesetzt, man ist bereit, ein wenig zu investieren. Vermögensverwalter können sich beispielsweise zusammenschliessen und die Kosten teilen, indem sie Plattformen beitreten, die die Zusammenlegung der Kosten für Compliance-Themen erleichtern. Sie können auch mit spezialisierten Dienstleistern zusammenarbeiten oder spezifische Lösungen kaufen. In diesem Fall können sie die Compliance-Funktion intern mit einem vereinfachten System wahrnehmen.

Achille Deodato. Es ist klar, dass strategische Investitionen in Betracht gezogen werden müssen. Es ist entscheidend, den Schwerpunkt auf die Qualität der Mitarbeiter zu legen, die für die Compliance zuständig sind, und nicht auf deren Quantität. Sie müssen ein breites Spektrum von regulatorischen Aspekten effizient bearbeiten können. Experten mit Erfahrung im Bereich kleinerer Banken weisen daher aufgrund ihrer Vielseitigkeit ein ideales Profil auf. Darüber hinaus ist es für Vermögensverwalter von Vorteil, in gebrauchsfertige digitale Lösungen zu investieren, die benutzerfreundlich sind und sich nahtlos integrieren lassen, um eine aufwändige IT-Integration zu vermeiden.

Wie setzt man Prioritäten?

Alessandro Bizzozero. Indem man sich auf die Schulung und Entwicklung von Mitarbeitern konzentriert, insbesondere in Bereichen wie Geldwäschebekämpfung, FIDLEG und grenzüberschreitenden Aktivitäten.

Achille Deodato. Zu den Prioritäten würde ich Datenverwaltungssysteme hinzufügen, die die Erfassung und Pflege der KYC-Dokumentation sowie des Risikoprofils rationalisieren. Diese Systeme müssen den Vorschriften in den Ländern folgen, in denen der Vermögensverwalter tätig ist. Automatisierte Überwachungsinstrumente können zudem helfen, die Transaktionen von Kunden zu verfolgen und verdächtige Aktivitäten schnell zu identifizieren oder zu untersuchen. Und schliesslich stellt die Einführung digitaler Plattformen für regulatorische Updates sicher, dass das Compliance-Team über die neuesten regulatorischen Änderungen auf dem Laufenden gehalten wird, so dass es diese schnell umsetzen kann.

Apropos Anforderungen: Das FIDLEG verlangt von den Vermögensverwaltern jedes Jahr zahlreiche Stunden an regulatorischer Schulung. Wie können sie diese am besten nutzen?

Alessandro Bizzozero. Am besten konzentrieren sich die Vermögensverwalter auf die praktische Anwendung und das kontinuierliche Lernen. Sie können zum Beispiel Schulungen organisieren, die reale Situationen und Fallstudien in Bezug auf die Aktivitäten des Unternehmens beinhalten. Die Mitarbeiter können dann das, was sie über die Vorschriften wissen, in einem praktischen Kontext anwenden.

Achille Deodato. Die Nutzung von E-Learning-Plattformen kann einen flexiblen, bedarfsorientierten Zugang zu Lernmaterialien bieten, sodass die Mitarbeiter in ihrem eigenen Tempo und nach ihren eigenen Zeitplänen lernen können. Die Integration interaktiver E-Learning-Module und virtueller Simulationen kann das Engagement und die Fähigkeit, komplexe regulatorische Informationen zu verinnerlichen, verbessern.

Auf welche Kernthemen sollte man sich am ehesten konzentrieren?

Alessandro Bizzozero. Das FIDLEG sieht einige zentrale Anforderungen für unabhängige Vermögensverwalter vor. Wie zum Beispiel mindestens zwei qualifizierte Verwaltungsratsmitglieder mit einer entsprechenden Ausbildung und Berufserfahrung im Bereich der Vermögensverwaltung. Zweitens verlangt das FIDLEG die Einführung einer Compliance-Funktion, eines Risikomanagements und eines internen Kontrollsystems, um die zweite Verteidigungslinie zu professionalisieren. Drittens müssen UVVs über ein Mindestkapital von 100.000 Schweizer Franken und über angemessene Garantien verfügen, die durch eine Berufshaftpflichtversicherung ergänzt werden können. Zudem stellt die FINMA-Bewilligung einen bedeutenden kulturellen Wandel dar, der die Vermögensverwalter zu einer raschen Umgestaltung des Governance-Rahmens zwingt.

Welche Art von regulatorischer Überlastung erwarten Sie heute nach der Krise der Credit Suisse?

Achille Deodato. Möglicherweise wird die FINMA für Vermögensverwalter eine Regelung für Führungskräfte einführen, die mit derjenigen für Banken identisch ist. Eine solche Änderung würde eine persönliche Haftung für die Mitglieder des Verwaltungsrates und die Führungskräfte mit sich bringen. Dann wird es für die Vermögensverwalter womöglich schwieriger, unabhängige Mitglieder für die Verwaltungsräte zu finden.

 

Achille Deodato

Indigita

Achille Deodato verfügt über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung im Bankensektor und in der Beratung. Seit 2019 ist Achille Deodato CEO von Indigita, einem RegTech, das sich auf Cross-Border-Compliance spezialisiert hat. Das Unternehmen wurde 2016 gegründet und ist eine Tochtergesellschaft von BRP Bizzozero & Partners. Zuvor war Achille Deodato unter anderem CEO von Procivis und CCO der indischen Hinduja Bank Switzerland. Er hat einen MBA von der IMD Business School in Lausanne und einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der LUISS-Universität in Rom. Er hält einen MBA von der IMD Business School und einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der LUISS Universität in Rom.

 

Alessandro Bizzozero

BRP

Alessandro Bizzozero ist Rechtsanwalt und Doktor der Rechtswissenschaften und verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung im Bankwesen und im Regulierungsbereich. Er war stellvertretender Direktor der Abteilung für Bewilligungen bei der Eidgenössischen Bankenkommission, der heutigen FINMA, Direktor bei PwC Schweiz und Leiter der Group Compliance in einer internationalen Bankengruppe. Darüber hinaus unterrichtet er an der HEG Arc in Neuenburg sowie im Rahmen des Kurses «CAS in Compliance Management» in Genf und im Centro Studi Villa Negroni in Lugano.

 

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