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Chips made in China: eine unumstössliche Realität

Die US-Sanktionen gegen China haben dazu geführt, dass das grosse Interesse Chinas an einer Chipindustrie, in der es nicht wirklich positioniert ist, unterstrichen wurde. Zumindest für den Moment. Langfristig ist klar, dass sich das Land auf einen Durchbruch in diesem Bereich vorbereitet.

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Die ersten US-Sanktionen gegen China wurden unter Präsident Trump verhängt und unter Joe Biden weiter verschärft, sie betreffen vor allem die Chipindustrie. Durch diese Sanktionen soll der Zugang des Landes zu militärisch nutzbaren Spitzentechnologien mit dem Ziel beschränkt werden, Pekings geostrategische Ambitionen zu bremsen, aber auch die amerikanische Dominanz zu schützen.

Die Sanktionen hatten zur Folge, dass Huawei, einem der weltweit führenden Anbieter von Telekommunikationsausrüstungen, de facto der Zugang zu westlichen Märkten, insbesondere zu den Märkten für die neuen 5G-Netze, verwehrt wurde. Anfang September überraschte Huawei die Welt mit der Einführung eines Telefons mit einem in China entwickelten Chip und einer technologischen Raffinesse, die als unerreichbar galt. Bei näherer Betrachtung war diese Überraschung aber keine.

Halbleiter – eine kritische strategische Priorität

Halbleiter sind eigentlich Transistoren und die Grundbausteine von Chips. Sie sind heute überall zu finden – in Computern, Telefonen, Waschmaschinen, Autos, Flugzeugen, Satelliten, Telefon- und Stromnetzen sowie in medizinischen Geräten. Sie sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken.

Die Kontrolle ihrer Fertigungsketten ist daher zu einer strategischen Priorität avanciert, zumal sich diese Ketten perfekt an die Globalisierung angepasst haben. Der Hauptprozessor des Geräts, auf dem Sie diesen Text lesen, wurde wahrscheinlich in den USA entwickelt, kommt aber aus einer taiwanesischen Fabrik, die wiederum mit europäischen Maschinen ausgerüstet ist. In der Covid-Krise hat man gesehen, wie Störungen dieser Kette unangenehme Folgen für alle von ihr abhängigen Anwendungen haben.

China verfolgt eine langfristige Strategie

Das macht die chinesische Regierung schon seit einiger Zeit. Bereits 2015 sollte ein strategischer Plan sicherstellen, dass 70% der im Inland verwendeten Halbleiter bis 2025 von inländischen Unternehmen hergestellt werden. Ein ehrgeiziges Ziel, das aufgrund der Sanktionen gefährdet ist. Doch das Ziel ist klar: China will in diesem sensiblen Sektor auf keinen Fall vom Ausland abhängig sein. Zur Erreichung dieses Ziels ist die Regierung bereit, langfristig viele Hundert Milliarden Dollar zu investieren.

Folglich werden alle Vergeltungsmassnahmen das Unvermeidliche nur hinauszögern. Die Geschichte hat gezeigt, dass sich der technologische Fortschritt unweigerlich irgendwann durchsetzt, auch unter Rahmenbedingungen, die für die Verbreitung von Ideen, Waren und die Freizügigkeit von Personen weitaus weniger günstig sind. Zudem sind Sanktionen kontraproduktiv – sie befeuern das Streben nach Unabhängigkeit und dehnen das Entwicklungsspektrum auf Bereiche aus, die ursprünglich mitunter nicht vorgesehen waren.

Die Aussichten?

Auch wenn der Wille zur Unabhängigkeit unerschütterlich zu sein scheint, bestehen kurzfristig noch einige Grauzonen. Der Chip im neuesten Huawei-Modell ist vor diesem Hintergrund eine technologische Meisterleistung, doch ob seine Herstellung vom wirtschaftlich Standpunkt aus rentabel sein wird, ist fraglich, da sie durch die Sanktionen erschwert wird. Darüber hinaus hinkt er in puncto Gravurtiefe, das heisst die Fähigkeit, die Miniaturisierung der Transistoren auf dem Chip zur Leistungssteigerung zu reduzieren, mindestens zwei Generationen hinter der westlichen Produktion her. Um diesen Rückstand aufzuholen, ist eine Technologie erforderlich, über die derzeit nur der europäische Chip-Hersteller ASML verfügt.

Wie dem auch sei, trotz des Sanktionsdrucks der USA liegt vor den chinesischen Akteure in dieser Branche, insbesondere vor den OEMs, den Giessereien und dem gesamten Ökosystem von Zulieferern eine glänzende Zukunft. Sie werden von der Regierung und auch von der öffentlichen Meinung unterstützt, da nationale Champions gefördert werden sollen. Angesichts des gigantischen Binnenmarkts zahlen sich die hohen Investitionen aus. Und selbst wenn China ein System mit mehreren Geschwindigkeiten aufbauen müsste, könnte der Branche die Zeit in die Hand spielen. Kein Problem für ein Land, das den weisen Laotse hervorgebracht hat, dem wir folgenden berühmten Spruch verdanken: „Wenn dich jemand beleidigt hat, suche keine Rache. Setze dich an den Fluss und schon bald wirst du seine Leiche vorbeitreiben sehen. ” Im konkreten Fall ist es wohl sinnlos, sich gegen das Unausweichliche zu stemmen.

Charles Bordes

AtonRà

Charles Bordes ist Mitglied im Investmentteam von AtonRâ Partners, dem Genfer Spezialisten für thematische Investments. Bordes deckt insbesondere Strategien mit Technologieschwerpunkt wie künstliche Intelligenz, Robotik, Cybersicherheit und Raumfahrt ab. Davor war er sechs Jahre lang zunächst Sell-Side-Analyst bei AlphaValue, wo er den IT-Hardware & Technology verantwortete, dann als Analyst für Small & Midcaps bei Kepler Cheuvreux, wobei der Fokus stets auf Technologieunternehmen lag. Bordes verfügt über einen Master in Finanzwirtschaft der Kedge Business School (Bordeaux, Frankreich).