• Angelika Hernandez
  • Managing Director
  • Marcuard Heritage

Warum die Schweizer Vermögensverwaltungsbranche
eine dringende Nachhilfe in SDGs benötigt

Die Zeit des Wegschauens ist vorbei – Nachhaltigkeit ist nicht nur eine vorübergehende Modeerscheinung! Während die Welt um uns herum voranschreitet, scheinen einige in der Schweizer Vermögensverwaltungsbranche immer noch die Augen vor dem Thema Nachhaltigkeit zu verschließen. Aber wir können es uns nicht mehr leisten.

Laut den Vereinten Nationen benötigen wir jährlich 5-7 Billionen US-Dollar, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 zu erreichen – eine Aufgabe, bei der der Finanzsektor eine entscheidende Rolle spielt. Doch gemäß einer UBS-Studie haben nur 22 Prozent der Finanzprofis eine klare Vorstellung davon, was die SDGs sind und wie man sie umsetzt. Das ist ein alarmierender Zustand, denn um die SDGs erfolgreich umzusetzen, ist es notwendig, dass auch der Finanzsektor sich engagiert.

Früher erlebte ich es bei Credit Suisse, dann bei UBS und dachte, in der Welt der Externen Vermögensverwaltern wäre es anders. Doch auch heute bin ich immer wieder überrascht, wie viele Kollegen sich immer noch hinter einigen “Ausreden” verstecken, um dem Thema “Nachhaltigkeit” zu entgehen. Während einige Banken zumindest oberflächlich versuchen, sich dem Thema zu stellen, sind es gerade die weniger regulierten EVVs, die sich mit Ausreden und Scheinheiligkeit aus der Verantwortung stehlen.

Ausreden:

Ausrede «Nachhaltigkeit ist nur für institutionelle Anleger relevant»

Lassen Sie uns mit den Fakten beginnen: Im Jahr 2021 verwalteten die Schweizer Banken insgesamt ein Vermögen in Höhe von rund ca. 8.800 Milliarden Schweizer Franken, schätzungsweise 10% wird von unabhängigen Vermögensverwaltern verwaltet.

Als Schweizer EVVs haben wir eine Verantwortung, sicherzustellen, dass unsere Anlagestrategien den Nachhaltigkeitszielen entsprechen.

Ausrede «We are no Charity.”

Wollen wir wirklich glauben, dass Nachhaltigkeit Rendite kostet? Eine Studie von Morningstar zeigt, dass nachhaltige Fonds genauso gut oder sogar besser abschneiden als konventionelle Fonds. Und laut McKinsey erzielen Unternehmen, die in Nachhaltigkeit investieren, durchschnittlich 15% höhere Renditen als ihre Konkurrenten. Wenn das nicht genug ist, um uns zu überzeugen, sollten wir uns daran erinnern, dass immer mehr Anleger nachhaltige Investitionen bevorzugen – und das sind nicht nur Hippies und Öko-Aktivisten. Es ist ein Mythos, dass Nachhaltigkeit Rendite kostet. Außerdem bevorzugen immer mehr Anleger nachhaltige Investitionen, insbesondere Millennials, die bis 2025 etwa 75% der Arbeitskräfte ausmachen werden. Nachhaltigkeit kann ebenso Wettbewerbsvorteil sein, indem es Reputation und Markenbekanntheit steigert und Kunden und Mitarbeiter bindet. Es gibt bereits erfolgreiche EVVs in der Schweiz, die bewiesen haben, dass Nachhaltigkeit und finanzielle Rendite Hand in Hand gehen können.

Ausrede «Budget»

Natürlich gibt es Kosten für die Integration von ESG-Faktoren in den Investitionsprozess, aber die sind in den letzten Jahren dramatisch gesunken. Es geht hier um begrenzte Wahrnehmung der langfristigen Vorteile von Nachhaltigkeit, mangelnde Kenntnisse über Nachhaltigkeitsthemen oder einfach eine Priorisierung anderer Geschäftsziele.

Oft führt die Notwendigkeit einer Umstellung auf Nachhaltigkeit zu finanziellen Bedenken. Doch sollten wir nicht nur eine moralische Verpflichtung fühlen, sondern auch erkennen, dass Nachhaltigkeit langfristig gesehen eine finanzielle Chance darstellt.

Wie können EVVs diesen Umstieg finanzieren? Eine Möglichkeit besteht in der Kostenteilung durch die Zusammenarbeit mit anderen EVVs, Branchenverbänden und Kooperationen. Darüber hinaus gibt es öffentliche Förderprogramme, die auf Nachhaltigkeitsinitiativen in der Wirtschaft abzielen. Gemäss Forbes können langfristige Vorteile von Nachhaltigkeit die kurzfristigen Kosten schnell ausgleichen.

Ausrede «Greenwashing»

Greenwashing wird es leider wahrscheinlich immer geben. Es entwertet aber nicht das Konzept der Nachhaltigkeit an sich, sondern bedeutet lediglich, dass Unternehmen fälschlicherweise behaupten, nachhaltig zu sein, ohne tatsächlich die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Es gibt heute viele Nachhaltigkeitsstandards und -kriterien, sowie Regulierungsbehörden und Branchenverbände, die Maßnahmen gegen Greenwashing und für Nachhaltigkeit in der Finanzbranche ergreifen. Zudem «sind Investoren besser informiert und haben gelernt, Wahrheit von Fiktion zu unterscheiden», wie Intels Director of Corporate Responsability sagte.

Ausrede “Kunde will Return”

Ist längst überholt und ignoriert die Realität des Marktes. Unternehmen, die sich auf Nachhaltigkeit konzentrieren, haben in der Regel eine bessere Performance als ihre Mitbewerber – das belegt nicht nur Harvard Business Review, sondern auch zahlreiche andere Studien. Wie soll der Kunde nachhaltige Anlagen verlangen, wenn er nicht darüber aufgeklärt wird? Es ist Teil des Fiduciary Duty des EVV, den Kunden über verschiedene Anlagemöglichkeiten und deren Risiken und Vorteile zu informieren, einschließlich der Nachhaltigkeit. Indem der EVV den Kunden über diese Themen aufklärt, kann er dazu beitragen, ein Bewusstsein für nachhaltige Anlagen zu schaffen und eine langfristig positive Auswirkung auf die Gesellschaft und die Umwelt zu erzielen. Wie das Sprichwort sagt: “Die Frage des Huhns und des Eis”. Wenn der EVV die Kunden nicht über nachhaltige Anlagen aufklärt, können sie auch nicht danach verlangen.

Ausrede «Beeinträchtigt die Diversifikation»

Es ist wichtig zu betonen, dass Nachhaltigkeit und Diversifikation kein Widerspruch sind. Eine Studie von MSCI hat beispielsweise ergeben, dass nachhaltige Fonds in turbulenten Marktphasen tendenziell besser abschneiden als traditionelle Fonds. Eine andere Untersuchung von Morningstar hat gezeigt, dass nachhaltige Fonds in einigen Jahren sogar eine geringere Volatilität aufwiesen als traditionelle Fonds.

Ausrede «Wir haben das Know-How nicht”

 Kein Problem! Es gibt eine wachsende Anzahl von Drittanbietern, die Nachhaltigkeitsbewertungen und -analysen für Unternehmen und Anlageprodukte anbieten. Einige dieser Anbieter umfassen MSCI ESG Research, Sustainalytics und ISS ESG. Durch die Zusammenarbeit mit diesen Anbietern können EVVs Nachhaltigkeitsbewertungen für potenzielle Investitionen erhalten, ohne vorerst – oder zumindest während der «Übergangsphase»- intern Know-how aufzubauen.

Ausrede «Regulierung verlangt es nicht»

Die Schweizer Regulierungsbehörden, wie FINMA und SIX, haben im Jahr 2020 Leitlinien und Initiativen zur Förderung von Nachhaltigkeit eingeführt. Als Branche müssen wir uns auch auf weitere regulatorische Veränderungen vorbereiten. Wir müssen sicherstellen, dass wir in allen Bereichen unserer Arbeit ethisch handeln und den regulatorischen Anforderungen entsprechen. «Unternehmen, die sich jetzt darauf vorbereiten, haben einen klaren Wettbewerbsvorteil» -Financial Times. Obligatorische Anti-Geldwäscherei und Compliance-Trainings sind genauso wichtig wie eine umfassende Ausbildung in Nachhaltigkeit.

Schluss mit Ausreden: SDG 4 und 17 im Fokus als Schlüssel zur nachhaltigen Vermögensverwaltung!

Laut einer Studie von PwC glauben 72% der CEOs, dass Bildung der wichtigste Faktor ist, um den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit voranzutreiben. Eine Studie von Deloitte hat sogar ergeben, dass Unternehmen, die in die Bildung ihrer Mitarbeiter in Bezug auf Nachhaltigkeit investieren, ein höheres Anlagepotenzial haben als Unternehmen, die dies nicht tun.

SDG 4 “Bildung” kann somit also einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Nachhaltigkeit in der Vermögensverwaltungsbranche leisten. Durch Schulungen, Workshops und Fortbildungen können EVVs über die neuesten Entwicklungen und Trends in der Nachhaltigkeit informiert werden, sowie über Best Practices und Strategien für eine erfolgreiche Integration von Nachhaltigkeit in ihre Geschäftspraktiken.

Darüber hinaus können Bildungsinitiativen dazu beitragen, die Ausreden zu entkräften, indem sie zeigen, dass Nachhaltigkeit nicht nur moralisch wichtig ist, sondern auch finanzielle Vorteile bietet. Indem EVVs besser verstehen, wie Nachhaltigkeit und Finanzen miteinander verknüpft sind, können sie Kunden überzeugender überzeugen und auch ihre eigenen Geschäftspraktiken verbessern.

Daher sollten wir als Branche auf SDG 4 – Bildung setzen und auch mehr Partnerschaften und Kooperationen (SDG 17) eingehen, um gemeinsam unsere Kräfte zu bündeln und die SDGs zu erreichen.

Als Schweizer EVVs haben wir eine einzigartige Chance, eine führende Rolle bei der Förderung von Nachhaltigkeit in der Vermögensverwaltungsbranche zu spielen. Wir müssen aufhören, uns hinter Ausreden zu verstecken, und stattdessen aktiv an der Umsetzung der SDGs arbeiten. Denn letztendlich ist es nicht nur unsere moralische Verpflichtung, sondern auch eine finanzielle Chance, die wir nicht verpassen sollten.

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