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  • Interview mit Steffen Pauls
  • Gründer und CEO
  • Moonfare

«Wir sehen uns als digitales investment-Office für Private equity»

Steffen Pauls hat Moonfare gegründet und daraus die weltweit grösste Private-Equity-Plattform für Privatanleger gezimmert. Die Mission des ehemaligen KKR-Managers ist es, die Anlageklasse einer breiteren Basis von Anlegern zugänglich zu machen. Nun eröffnet Moonfare das erste Büro in Zürich. Im Interview spricht er über die Strategie, die dahintersteckt und welche Ziele er in der Schweiz verfolgt.

Sie sind mit Moonfare auf einer Mission. Nicht zum Mond, aber zumindest in die Schweiz. Um was geht es?
Steffen Pauls. Schauen Sie doch, was der- zeit im Bereich Private Equity passiert. Die grossen privaten Anleger aber auch die weltweit grössten Pensionskassen sowie die renommierten Endowment Funds von Harvard oder Yale, sind stark in diesem Bereich investiert: Zum Teil investieren Sie über die Hälfte ihres Kapitals in diese Anlageklasse. Bei Privatanlegern sind es im Schnitt drei Prozent. Dort dominieren noch die 60:40-Portfolios. Das ist in Zeiten, wie diesen ein Problem. Das wollen wir mit unserem Ansatz ändern.

Derzeit sind die Anleger für neue Ideen nicht so offen. Täusche ich mich da?
Wir erleben es anders. Unsere Industrie wächst ja immer noch um acht Prozent jährlich. Private Equity ist entscheidend, wenn es um das volkswirtschaftliche Wachstum geht, aber auch wenn es um die Energie-Transformation geht. Ein Grund, sich jetzt mit dieser Anlageklasse zu befas- sen sind auch die tiefen Preise. Historisch gesehen, waren Rezessionsphasen verbunden mit volatilen Aktienmärkten immer sehr gute Zeiten für Private Equity.

Privatanleger haben bisher das risiko gescheut, oder die Fonds waren für Anleger mit einem einsatz von unter 10 Millionen US-Dollar – geschlossen. Was ist bei Ihnen anders?
Ja, genau hier setzen wir an. Investieren in Private Equity ist hochkomplex auf Seiten der Administration. Legal und Compliance sind entscheidend. Wir haben einen voll digitalen Prozess aufgesetzt, der ihnen in 15 Minuten eine Akkreditierung ermöglicht und dies bei einem Einsatz von 125’000 US- Dollar. Wir scannen ausserdem für die Anleger ein Universum von 4000 Fonds von welchen es dann jährlich im Schnitt 20 auf die Plattform schaffen. Ein Team von mehr als 15 Mitarbeitern arbeitet an dieser Investment- Auswahl. Das machen wir mittlerweile über die unterschiedlichsten Anlagestrategien, von Buyout, Late-Stage bis hin zu Infrastruktur. Wir kuratieren also praktisch jede grössere Unterklasse in diesem Bereich. Wir ermöglichen Investitionen in Baskets oder auch direkt in die einzelnen Fonds.

Ein «ewiges» Thema beim Thema Private equity sind die langen Haltefristen, die Nachzahlungen und der Sekundärmarkt. Das hat viele Privatanleger ferngehalten. Wie haben Sie das gelöst?
Wir haben intern einen Sekundärmarkt aufgebaut, auf dem Anleger ihre Fondsanteile anbieten können. Die Tatsache, dass wir ein Sekundärmarkt aufgebaut haben, senkt das Risiko für den Anleger, dass sein Geld für 10 Jahre gebunden ist. Wir stellen den Anleger einen Pfad zur Liquidität zu Verfügung. Zusammen mit der tiefen Volatilität der Assetklasse kommt das den Anlegern in Zeiten wie diesen entgegen, wenn also die Volatilität der kotieren Aktienmärkte tatsächlich ein zentrales Thema ist.

Inflationsschutz ist derzeit in aller Munde. Was bietet da Private equity als Möglichkeit ?
Private Equity, insbesondere das Buy-out und Infrastruktur-Segment, investiert vornehmlich in Sachwerte. Zudem erwirtschafteten die besten Private Equity Fonds in diesem Segment historisch im Schnitt mehr als 20% Rendite jährlich, so dass auch nach Inflation Netto noch ein beachtlicher Return bleibt.

Kommen wir zum Thema regulierung – auch das beschäftigt nicht nur Privatanleger, sondern viele potentielle B2B-Kunden in der Schweiz derzeit. Was können Sie hierzu sagen?
Regulierung ist ein Riesenthema. Und es ist zentral, dass die Assetklasse reguliert wird. Der Schutz der Anleger soll im Vordergrund stehen. Ich stelle hier insbesondere auch in der Schweiz bei der FINMA eine steile Lernkurve fest. Die Offenheit der Regulatoren ist deutlich spürbar. Der Wille, auch das Thema zu verstehen. Hier sind wir inzwischen mei- lenweit von der Abneigung, die wir noch vor wenigen Jahren gespürt haben. Klar ist, dass wir alle Akkreditierungs-Prozesse durchlaufen müssen. Anleger müssen qualifiziert sein. Der komplexe Prozess bis hin zum Reporting haben wir digitalisiert und wir bieten ihn entsprechend unseren Kunden an.

Welche rolle spielt der Schweizer Markt für Moonfare?
Schon heute ist die Schweiz unser drittwichtigster Markt. Zehn Prozent der insgesamt rund 2,5 Milliarden investieren Assets kommen schon heute aus der Schweiz. Kommt hinzu, dass der Markt im Vergleich zu anderen Europäischen Märkten schon ziemlich aufgeklärt ist in Bezug auf Private Equity. Wir wollen mit der Präsenz in der Schweiz aber auch gezielt Vermögensverwalter, Family Offices und Muliti-Family- Offices angehen. Wir bringen mit unserem Konzept ein ganz neues Angebot im Bereich Zugang, Education, Vertrieb und IT. Mit der Grösse, die wir anbieten, können nur die ganz grossen auch in der Schweiz mithalten. Wir sehen uns als digitales Investment-Office für Private Equity

Das heisst, Sie öffnen auch Ihre Plattform vermögensverwaltern und Banken?
Ja genau. Wir bieten schon heute gegen 100 Banken, Family Offices und grösseren Vermögensverwaltern weltweit die Möglichkeit an, ihren Kunden in einer White-Label-Lösung unsere Plattform zur Verfügung zu stellen. Diese Lösung eignet sich auch für Vermögensverwalter oder kleinere Privatbanken aber auch Multi-Family-Offices. Eine unseren jüngsten Beispielen in der Schweiz für eine solche Zusammenarbeit ist diejenige mit Bordier&Cie. wo wir zunächst für Schweizer Kunden ein Angebot ermöglicht haben. Seit dem Juni dieses Jahres tun wir dies auch für Bordier-Kunden in Asien. Bordier hat uns in einem gewissen Sinn auch geholfen, den Sprung nach Asien zu schaffen.

Woher kam ihre Begeisterung für das Thema Private equity eigentlich?
Wie sie wissen, war ich vor Moonfare bei KKR verantwortlich für Deutschland. Ich kenne die Industrie und die Kunden sehr gut. Aus dieser Erfahrung heraus habe ich es schon damals als unfair empfunden, dass 97 Prozent der Anleger nicht in diese Anlageklasse investieren können. So habe ich 2016 die Firma gegründet und heute sind wir die grösste digitale Plattform für Private-Equity in der Welt. Wir sind aktiv in 24 Ländern, in allen wesentlichen Kontinen- ten und beschäftigen c. 250 Mitarbeiter.

Wenn Sie die Private-equity-welt der Achtziger Jahren mit der heutigen welt vergleichen, was hat sich am meisten verändert?
In einem Wort: Der Ansatz, mit welchem die Unternehmen auf die Firmen zugehen. Das ist nicht vergleichbar. Heute ist das Financial Engineering, das mit den Worten von Henry Kravis, dem Urvater von Private Equity und Gründer von KKR, nicht mehr im Focus, sondern es geht darum die Unternehmen strategisch und operationell neu auszurichten und zum Erfolg zu führen. Heute stellen die grossen Player ganze Teams von Spezialisten zu Verfügung. Das reicht von Einkauf, Digitalisierung, Umsatzoptimierung bis hin zur Internationalisierung. Die Investoren sind sich der volkwirtschaftlichen Verantwortung bewusst. Sie wissen, dass es diese kleineren Unternehmen auch sind, die die Arbeitsplätze der Zukunft schaffen. Und sie wissen grosse Investoren im Rücken, Pensionskassen beispielsweise, die sie auf diesem Weg unterstützen.

Welche rolle spielt spielt Blockchain im Bereich Private equity?
Es wird nicht nur in Private Equity eine zentrale Rolle spielen. Davon bin ich überzeugt. Ich verbringe derzeit über 30 Prozent meiner Zeit mit dem Thema. Hier passiert etwas Fundamentales – es wird die Industrie noch einmal stark demokratisieren. Lassen Sie mich eine historische Parallele mit dem Aktienmarkt ziehen. Auch der war früher nur einer Handvoll Superreichen vorbehalten. Denken sie etwa an die reichen Familien des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Heute kann jeder mit einem Robin-Hood-Account an den Börsen für relativ wenig Geld handeln. Das gleiche passiert derzeit im Bereich Privatmärkte. Und bei diesem Prozess wird Blockchain entscheidend unterstützen.

In welcher richtung sehen Sie das passieren?
Ich spreche hier nicht von Firmen, in welchen investiert werden kann. Und ich spreche auch nicht von Crypto-Währungen. Das kommt hinzu. Aber die Tokenisierung etwa von Fonds-Anteilen wird die Liquidität in diesem Segment noch einmal entscheidend erhöhen. Kommen alle anderen Möglichkeiten von Smart-Contracts hinzu, die Transaktionen vereinfachen werden.

Steffen Pauls

Moonfare

Steffen Pauls gründete Moonfare 2016. Das Berliner Startup zählt nach eigenen Angaben über 3000 Kunden, die zusammen bereits mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar über die Plattform investiert haben. In 2022 hat Monfare ein Büro in Zürich erröffnet. Vor 2016 war Steffen Paul bei KKR für den Bereich Private Equity in Deutschland zuständig. Davor war er Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender von firstfive. Steffen Pauls hat einen B.A. mit Auszeichnung von der Universität Mannheim und der Hochschule für Wirtschaftswissenschaften. Ausserdem erwarb er einen PhD. an der Universität Trier. Pauls arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Harvard University, wo er auch seine Masterarbeit verfasste.

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    Expertise

    • Steven Kroese, Lars Honegger et Chris Davies
    • Bellevue Private Markets

    „Wir fokussieren uns auf ein Marktsegment, das viele Marktteilnehmer nicht auf dem Radar haben“

    Bellevue Asset Management hat Ende 2022 den Bereich Private Markets mit einem neuen Secondaries-Team, stark ausgebaut. Im Interview erläutern Steven Kroese, Lars Honegger und Chris Davies, die nach erfolgreichen Karrieren bei Partners Group zu Bellevue gestossen sind, wie die neue Strategie aussehen soll und wieso für sie dabei «Small is beautiful» wichtig ist.

    Sie haben im Dezember von der Partners Group zu Bellevue gewechselt. Welches Ziel verfolgen Sie als Secondaries-Spezialisten bei Bellevue?

    Steven Kroese: Einerseits bieten wir Investoren die Möglichkeit, am dynamischen Wachstum des Sekundärmarktes zu partizipieren. Anderseits haben wir einen klaren Plan, wie wir uns von der Konkurrenz abheben wollen. So fokussieren wir uns auf ein Marktsegment, das viele Marktteilnehmer nicht auf dem Radar haben. Während sich grosse Private Equity Secondaries-Player nicht um kleinere Transaktionen in der Grössenordnung von USD 1 bis 30 Mio. kümmern, sehen wir gerade hier hohes Potenzial für die Alpha-Generierung. Hierzu ist die Qualität der Fondsanteile, in die man investiert ganz entscheidend. Darüber hinaus müssen wir in der Lage sein, in diesem ineffizienten Segment des Marktes über unser Netzwerk Anlageopportunitäten zu identifizieren und zu nutzen, sowie das Portfolio effektiv zu diversifizieren und zu verwalten.

    Welche Kundengruppen wollen Sie erreichen?

    Chris Davies: Wir konzentrieren uns auf institutionelle Investoren und vermögende Privatkunden in der DACH-Region. Weiter haben wir Investoren aus UK im Fokus, wo wir besonderes Potenzial und Affinität für PE-Strategien orten. Die Nachfrage nach Sekundärmarktstrategien steigt stetig und wird auch zukünftig weiter wachsen. Aktuell sehen wir netto negative Cashflows von Primär-Fonds, das heisst die Kapitalabrufe übersteigen die Ausschüttung, sodass viele Anleger in diesem Bereich strukturell bedingt einem gewissen Verkaufsdruck ausgesetzt sind.

    Wie sehen Sie die gegenwärtigen Chancen im Bereich Private Markets – nicht zuletzt in Umfeld mit tendenziell höheren Zinsen?

    Lars Honegger. Wir reden heute von einem Käufermarkt. Die Abschläge zum Nettoinventarwert und auch das Angebot auf dem Sekundärmarkt nehmen zu. Cashflows von PE-Fonds sind bereits jetzt netto-negativ. Der Rekordbestand an „Dry Powder“ lässt vermuten, dass die Kapitalabrufe weiter zunehmen werden. Folglich wird auch der strukturelle Verkaufsdruck auf die Anleger (Limited Partners) wahrscheinlich anhalten. Schon heute werden Anteile an Secondary-Fonds aus Motiven verkauft, die nichts mit der Performance und der Qualität der Investments zu tun haben, sondern beispielsweise mit steigendem Liquiditätsbedarf einzelner Investoren. Dies ist eine sehr interessante Ausgangslage für uns, denn so kommen wir an erstklassige Anlageopportunitäten. Zudem sind Secondaries dank ihrer Stabilität und hohen Diversifikation ein idealer Portfolio-Baustein im derzeitigen Umfeld. Sollte sich das wirtschaftliche Gesamtumfeld wieder verbessern, partizipieren die Anleger ebenso daran.

    In welchem Bereich wollen Sie schwerpunktmässig tätig werden?

    Steven Kroese: Ganz nach dem Motto «Small is beautiful» konzentrieren wir uns auf kleinere, hauptsächlich Limited-Partner-Deals, die aufgrund geringer Markteffizienz und hohem Dealflow interessante Opportunitäten bieten. Dabei diversifizieren wir über verschiedene Dimensionen wie Anlagestil des Managers, Investmentstrategie, Geografie und Branchen-Allokation, sowie über Vintages. Das Resultat ist ein ausgewogenes und diversifiziertes Allwetterportfolio bestehend aus über 150 Unternehmen, das einen erheblichen Schutz vor Verlusten bietet.

     

    Biografie

    Steven Kroese, Lars Honegger & Chris Davies

    Bellevue Private Markets

    Steven Kroese, Lars Honegger und Chris Davies kommen von Partners Group und sind bei Bellevue seit dem 1. Dezember 2022 als Managing Partners und Mitglied des Bellevue Private Markets Investment Teams tägig.

    Steven Kroese war zuletzt als Senior Vice President im Management-Team des Bereichs Private Equity Integrated sowie Mitglied des Private Equity Secondaries Investment-Komitee bei Partners Group. Weitere berufliche Stationen waren die Société Générale sowie Invision. Er besitzt einen Master-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Radboud-Universität Nijmegen, Niederlande.

    Lars Honegger war bei Partners Group Senior Vice President und Mitglied im Management-Team des Bereichs Private Equity Integrated. Davor arbeitete er bei KPMG in Bern. Honegger ist eidgenössisch diplomierter Wirtschaftsprüfer und verfügt über einen Master in Accounting und Finance der Universität St. Gallen.

    Chris Davies war bei Partners Group zehn Jahre als Structuring Team Head, Legal Counsel und Mitglied im Management-Team tätig. Davor arbeitete er als Anwalt bei Darwin Gray LLP und Barnes & Partners Solicitors. Er ist seit 2008 zugelassener Anwalt an den obersten Gerichten in England und Wales.

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      Upgrade

      • Interview mit Mike Baur
      • Chairman & CEO
      • Swiss Ventures Group

      «Wir entwickeln mit Venture Asset Management eine neue Anlageklasse»

      Mike Baur gilt als einer der profiliertesten Venture-Investoren der Schweiz. Die von ihm mit gegründete Swiss Ventures Group spielt bei der Finanzierung und Entwicklung von Startups in der Schweiz eine wichtige Rolle. Im Interview erzählt Mike Baur, wie er mit dem Venture Asset Management Arm der Gruppe, die Serpentine Ventures, professionellen Investoren den Zugang zu Venture-Investitionen ermöglicht.

      Was steckt hinter dem Begriff Venture Asset Management?

      Wir entwickeln hier mit Venture Asset Management eine neue Anlageklasse, die professionellen Investoren risikogerecht den Zugang zu Venture-Investitionen ermöglicht. Wir haben über unsere Tochterfirma Serpentine Ventures, die eine Finma-Lizenz als Verwalterin kollektiver Anlagen hat, exklusiven Zugang zu den besten Startups des Landes. Daran sollten private und institutionelle Investoren teilhaben können.

      Der Markt zeichnete sich durch eine gewisse Exklusivität aus bisher. Wie wollen Sie das Thema «näher an den Mann» bringen?

      Wohlgemerkt, wir sprechen hier nicht von direkten Investments in einzelne Startups. Das findet nach wie vor auch statt. Ich spreche von einem Fondsprogramm, das wir aufgelegt haben. Dieses nimmt die Risikoselektion bei der Auswahl der Firmen vor: Das reicht vom Rookie Fund, der in Early Stage Firmen investiert bis hin zum Growth Fund der Wachstumsfinanzierungen tätigt. Ausserdem haben wir mit dem Swiss Diabetes Venture Fund einen Themenfonds aufgelegt, der ausschliesslich in Startups im Bereich von Diabetes investiert.

      Wie sieht die Nachfrage nach Fondslösungen im Bereich Venture Capital heute aus?

      Wir spüren nach wie vor ein hohes Interesse bei privaten Investoren und Family Offices. Allgemein sind die institutionellen Investoren zurückhaltender obwohl gerade das Late Stage und Growth Segment für sie passen würde – zumal die Preise hier momentan sehr attraktiv sind. Dies liegt auch daran, dass die Anlageklasse Venture noch zu wenig bekannt ist und in der Schweiz erst in einer Professionalisierungsphase steckt.

      Wie wollen Sie die Investoren nun überzeugen, diese Anlageklasse in Betracht zu ziehen?

      Die Anlageklasse Venture hat über die vergangenen zehn Jahre eine ausgezeichnete Investment Performance von annualisiert circa 22% erzielt. Damit ist sie die am besten performende Anlageklasse im alternativen Bereich. Unsere Herausforderung ist es, dies im Markt bekannt zu machen.

      Sie haben dazu auch eine Zusammenarbeit mit dem IMD im Bereich Ausbildung angekündigt. Was steckt dahinter?

      Vielen europäischen Investoren – ob Institutionell, Family-Office- oder Privatanleger – fehlt es an professionellem Know-how, um in Venture zu investieren, deshalb wird diese attraktive Anlageklasse kaum berücksichtigt. Das wollen wir in Zusammenarbeit mit dem IMD in Lausanne ändern, daher haben wir die akademische Initiative zum „European Venture Asset Management“ gestartet. Die Teilnehmer des zweitägigen Kurses können erwarten, dass sie qualitativ hochwertige, grundlegende Forschungsergebnisse und umsetzbare Erkenntnisse gewinnen. Zeitgleich spielt der Austausch unter Gleichgesinnten eine wichtige Rolle. Unser Ziel ist es das Verständnis, Bewusstsein und die Expertise im Bereich Venture Asset Management in der Schweiz und in Europa zu beschleunigen.

      Was sind hier die nächsten Schritte? Sehe ich Sie demnächst in einem Klassenzimmer?

      In diese Richtung habe ich keine Ambitionen – vielmehr wollen wir mit unserem einzigartigen professionellen Netzwerk der Swiss Ventures Group einen qualitativ hochwertigen Einblick in die Risikokapitalwelt geben. Der erste Lehrgang findet bereits im September am IMD statt.

      Ausbildung ist auch immer mit Kosten verbunden. Was bringt mir einen solchen Lehrgang, wenn meine Kunden noch nicht so weit sind?

      Die jüngere Investorengeneration fragt bereits gezielt nach Investitionen im Venture Bereich. Es ist folglich nur eine Frage der Zeit, wann eine Finanzberaterin zu Venture Capital befragt wird. Vor 30 Jahren wusste auch keiner, wie man systematisch in Private Equity investiert – wenn sie da zu den Early Adoptern gehörten, werden ihnen die Kunden das heute sicher danken.

      Wie nehmen Sie das derzeitige Umfeld wahr: Sind die Investoren im gegenwärtigen Umfeld bereit, Risiken einzugehen?

      Wir sind in einem schwierigen Marktumfeld und der Risikoappetit ist zu den vergangenen Jahren klar zurück gegangen. Aber bei genauer Betrachtung zeigt sich: Die Bewertungen im Venture Bereich sind klar niedriger als 2022 – der ideale Zeitpunkt für Investoren, um einzusteigen.

      Wie nehmen Sie dieses regulatorische Umfeld auch auf Seiten von institutionellen Investoren wahr?

      Das regulatorische Umfeld wird derzeit stark verbessert. Das sind sehr gute Nachrichten. Wir begrüssen natürlich, wenn sich Pensionskassen und Anlagestiftungen bewusstwerden, dass sie im Bereich der Startups nicht nur eine volkswirtschaftliche Aufgabe erfüllen. Sie stossen zeitgleich in eine Anlageklasse vor, die attraktive Renditen bieten kann. Hier sind wir im Vergleich zu den USA, wo die grossen Endowment Funds von Yale und Harvard – aber auch die grossen Pensionskassen in diese Anlageklassen substanziell investieren – immer noch weit im Rückstand. Ich sehe dies aber als riesige Chance für die Schweiz.

      Wir stehen erst am Anfang.

      Auf jeden Fall. Schauen Sie die Grössenordnungen an: Pensionskassen investieren gesamthaft gegen 1000 Milliarden Franken. Wenn wir nur 1 Prozent davon in Startups investieren würden, wären das 10 Milliarden Franken. Im Jahr 2021 wurden erst rund 3,1 Milliarden Franken in Startups investiert in der Schweiz. Das allein zeigt schon das Potenzial.

      Gibt es Ihrer Meinung nach eine Summe, etwas in Prozent des gesamten Anlagevolumens der Pensionskassen oder Family Offices, die für Sie richtig erscheint?

      Das muss in jedem Fall gesondert betrachtet werden. Eine realistische Zahl erscheint mir durchschnittlich 5%.

      Zurück zu den grossen Vorbildern: Die Endowment-Funds der grossen Universitäten in den USA aber auch die Kalifornische Pensionskasse, investieren schon länger in diesem Bereich. Dort reden wir von ganz anderen Anlagebeträgen. Wieso sieht das so anders aus in der Schweiz, und allgemein in Europa?

      Die USA hat historisch einen anderen Bezug zum Thema Venture Capital. Schauen Sie sich nur die Entstehungsgeschichte des Silicon Valleys an. Dort wurde schon vor Jahrzehnten zusammen mit grossen Universitäten und Pensionskassen in Venture Capital investiert. Hier in der Schweiz und auch in Europa ist das Thema Venture Capital vor allem für institutionelle Investoren erst noch in der Entstehungsphase. Nichtsdestotrotz haben sich die Investitionen in Venture Capital in den letzten drei Jahren in Europa verdoppelt.

      Wie sieht es auch mit dem Umfeld aus für Startups in der Schweiz?

      Hier hat sich in den vergangenen Jahren unglaublich viel getan – kein Startup kann mir heute noch sagen, dass er nicht zu einer Finanzierung kommt, im Bereich Early Stage. Später sieht es anders aus. Die Wachstumsfinanzierungen hinken aber im Vergleich zu den USA noch sehr stark hinterher. Im Europäischen Vergleich holen wir auf.

      Im Bereich Mid/Late-Stage sind die Beträge in der Schweiz zu gering. Hier sprechen wir – etwa auch in der Biotechnologie – auch von sehr hohen Beträgen. Was müsste sich ändern, dass wir hier grössere Investitions-Summen sehen?

      Das ist ein Thema, das wir mit unserem Growth Fund für Wachstumsfinanzierungen anpacken. Es braucht hier in der Schweiz mehr solcher Fonds, um sicher zu stellen, dass die Besten einheimischen Tech-Firmen aus der Schweiz heraus auch für die grossen Runden finanziert werden können.

      Ein grosses Thema ist die Innovationsstärke der Schweiz. Wie sehen Sie hier die Situation gegenwärtig auch angesichts der vielen positiven Signale aus der Startup-Welt?

      Die Schweiz bietet mit zwei Tech-Universitäten von Weltruf beste Voraussetzungen. Nun geht es darum unsere Innovationsstärke mit der neuen Generation von Gründern zusammen zu bringen und die Finanzierung der Besten von Early Stage zu Growth sicher zu stellen. Schaffen wir das, spielen wir ganz vorne mit.

      Zurück zu Ihnen und der Swiss Ventures Group. Wie soll sich die Gruppe, die in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen ist, weiterentwickeln?

      In den kommenden Jahren wollen wir zur ersten Adresse im Schweizer VC-Bereich, sowohl für Investoren als auch für Startups werden. Gleichzeitig wird sich unser Investment Fokus auch stärker auf Europa konzentrieren.

       

      Mike Baur

      Swiss Ventures Group

      Mike Baur ist ein Schweizer Venture-Investor and Entrepreneur. Er war fast 20 Jahre lang im Private Banking tätig, bevor er 2015 seine unternehmerische Reise begann und zusammen mit Max Meister und Oliver Walzer die Swiss Startup Factory gründete. Daraus ist die Swiss Ventures Group (SWVG) entstanden.

      Diese umfasst neben der Swiss Startup Factory, den Investmentarm Serpentine Ventures, BV4 als Venture-Itelligence-Boutique, Code Law als Anwaltskanzlei für Startups und Getgoing, die CFO-Dienstleistungen für Startups anbietet. Mike Baur hat einen MBA von der University of Rochester New York sowie einen Executive MBA von der Universität Bern.

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        Perspektiven

        • Fredy R. Flury
        • CEO
        • Tavis Capital

        „Das Marktumfeld vervielfacht die Chancen im Bereich Private Markets“

        Fredy R. Flury hat im Mai 2023 als CEO bei Tavis Capital übernommen, nachdem er zuvor 20 Jahre bei Vontobel tätig gewesen war. Mit Tavis Capital will er nun, eine breitere Produktepalette im Segment Private Markets und Liquid Alternatives anzubieten, ohne die DNA des Hauses aufzugeben.

        Sie haben im Mai 2022 bei Tavis Capital als CEO angefangen. Was war die Motivation hinter diesem Schritt?

        Ich wollte nach meinen über 17 Jahren bei Vontobel im Investment Banking nochmals etwas anderes machen und mein Wissen aus über 30 Jahren in dieses Team einbringen und an Talente weitergeben, dies aber ganz klar im Bereich Private Markets.

        Was haben Sie im ersten Jahr verändert?

        In den ersten sieben Monaten bei Tavis Capital haben wir an der neuen Strategie und Vision für die Gesellschaft gearbeitet.

        Wie genau?

        Tavis Capital war seit seiner Gründung im Jahr 2015 auf den Private Debt Markt Schweiz fokussiert. Als erstes wurde zusammen mit verschiedenen Pensionskassen ein Luxemburger Funds für Mezzanine Finanzierungen für Schweizer KMU realisiert und später kam dann noch ein Mandat der Credit Suisse AG für das Portfolio Management des Hypotheken Funds dazu. Unser Anspruch aber ist es den heutigen Kunden eine breitere Produktepalette im Segment Private Markets und Liquid Alternatives anzubieten, ohne unsere DNA aufzugeben. Bei Tavis Capital wollte ich die Gesellschaft breiter und innovativer aufstellen, das bedeutet auf vier Standbeine: Private Debt, Private Equity, Digital Assets und Liquid Alternatives.

        Welche Angebote stehen im Vordergrund?

        Ich bin ein starker Befürworter einer diversifizierten Produktestrategie. Wir möchten den Kunden die Möglichkeit geben zwischen den Produkten die bestmögliche Lösung für sich und ihre Anlagestrategie auszusuchen. Deshalb legen wir unseren Fokus auf alle vier Segmente.

        Wie ist das Team von Tavis heute zusammengestellt?

        Wir haben das Privileg immer noch zwei der Gründungspartner in der Gesellschaft zu haben. Dazu kamen neue Portfolio Manager im Bereich von Private Debt, Real Estate, Private Equity (Renewable Energies), Digital Assets und Liquid Alternatives.

        Wie sehen Sie die gegenwärtigen Chancen im Bereich Private Markets angesichts der Zinswende und tieferen Preisen?

        Die Märkte sind im Allgemeinen anspruchsvoller geworden. Ich bin der Meinung, dass das gegenwärtige Marktumfeld die Chancen im Bereich Private Markets sogar erhöht hat und die zu einer entsprechenden höheren Allokation im Portfolio führen sollte. Gerade die höheren Zinsen sind im Bereich von Private Debt wieder sehr interessant. Viele der Investitionsmöglichkeiten basieren auf «floating» Zinsen. Das bedeutet, dass sie die Zinsbewegung im Positiven wie Negativen mitmachen. Die höheren Zinssätze führen aber auch dazu, dass Private-Debt-Anlagen gegenüber Private Equity wieder attraktiver werden, da der zu erwartende Renditeunterschied kleiner wird.

        Gibt es Segmente, wo Sie besonders starkes Wachstum erwarten?

        Ja, es wird sehr wahrscheinlich, dass die Inflation uns noch lange begleiten wird. Aus diesem Grund werden sogenannte ‚Real Return Ansätze‘ in den nächsten Jahren interessant. Der Grund hierfür ist, dass sich das Profil von Vermögensrenditen während eines Dauer-Inflations-Regimes fundamental ändert. In diesen Zeiten, die durchaus mit den 1970er Jahren zu vergleichen sind, können Anleger weder durch Aktien noch nominale Anleihen positive Realerträge (Renditen nach Abzug der Inflation) erwirtschaften. Das traditionelle 60/40 Portfolio bietet also fast überhaupt keinen Schutz gegen Inflation. 2022 war hierfür ein gutes Beispiel dafür. Den effektivsten und liquidesten Inflationsschutz bieten hier nur Rohstoffe. Dieser Inflationsschutz kann nochmals um ein Vielfaches potenziert werden, wenn Rollverluste aktiv vermieden werden. Genau einen solchen Krisen-Alpha-fokussierten Ansatz verfolgt Tavis. es wird sehr wahrscheinlich, dass die Inflation uns noch lange begleiten wird. Aus diesem Grund werden sogenannte ‚Real Return Ansätze‘ in den nächsten Jahren interessant. Der Grund hierfür ist, dass sich das Profil von Vermögensrenditen während eines Dauer-Inflations-Regimes fundamental ändert. In diesen Zeiten, die durchaus mit den 1970er Jahren zu vergleichen sind, können Anleger weder durch Aktien noch nominale Anleihen positive Realerträge (Renditen nach Abzug der Inflation) erwirtschaften. Das traditionelle 60/40 Portfolio bietet also fast überhaupt keinen Schutz gegen Inflation. 2022 war hierfür ein gutes Beispiel dafür. Den effektivsten und liquidesten Inflationsschutz bieten hier nur Rohstoffe. Dieser Inflationsschutz kann nochmals um ein Vielfaches potenziert werden, wenn Rollverluste aktiv vermieden werden. Genau einen solchen Krisen-Alpha-fokussierten Ansatz verfolgt Tavis.

         

        Fredy R. Flury

        Tavis Capital

        Fredy R. Flury ist seit Mai 2022 CEO und Managing Partner bei Tavis Capital, einer der führenden Asset Manager für Private Markets in der Schweiz. Er verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in den Bereichen Investment Banking, Corporate Finance und Risk Management. Vor seiner Tätigkeit bei Tavis Capital war Fredy R. Flury bei 8FS AG und über 17 Jahre in leitender Position im Investment Banking bei Vontobelin Singapur und der Schweiz tätig. Davor arbeitete Fredy für die UBS Investment Bank in unterschiedlichen Positionen in Zürich und New York. Darüber hinaus ist er Verwaltungsrat bei der fedafin, der Schweizer Ratingagentur.

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          • Lavor Tzolov & Clément Wyplosz
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          Der richtige Platz in einem Ökosystem

          Für den Aufstieg in ein höheres Segment, den Ausbau ihrer Struktur, die Erweiterung ihres Angebots und die optimale Nutzung ihrer Stärken können unabhängige Vermögensverwalter Teil von Ökosystemen werden und somit Ressourcen, Kompetenzen und bisweilen sogar Prozesse gemeinsam nutzen. Eine attraktive Option, sofern sie durch eine strategische Bestandsaufnahme zur Festlegung der optimalen Positionierung flankiert wird.

          Der Rechtsrahmen und die Vorschriften für UVV ändern sich ständig. Durch die neuen Auflagen entstehen immer höhere Betriebskosten und damit auch höhere Anforderungen an die Rentabilität. UVV müssen sich daher auf die Steigerung des verwalteten Kundenvermögens konzentrieren, obwohl ihre Margen infolge des scharfen Wettbewerbs und der höheren Kundenanforderungen sinken. Angesichts dieser Vorgaben und Veränderungen müssen sie ihr Geschäftsmodell grundlegend überdenken.

          Wie können sie sich aber unter diesen Rahmenbedingungen ihr stärkstes Differenzierungsmerkmal, ihre Unabhängigkeit, bewahren? Derzeit kristallisieren sich zwei Megatrends heraus. Zum einen schliessen sich einige Vermögensverwalter zu grossen Wealth Management-Plattformen zusammen, die ihr Überleben sichern können. Doch müssen sie damit auch den Widerspruch zu der von ihnen gewünschten Unabhängigkeit und Flexibilität in Kauf nehmen, da die Organisation dieser Plattformen doch eher mit der einer traditionellen Bank vergleichbar ist. Und gerade von diesem Modell wollten sich die UVV doch vielfach verabschieden.

          Zum anderen stehen Vermögensverwalter, die an einem eher traditionellen Modell festhalten, das sämtliche Elemente der Wertschöpfungskette mit intern entwickelten Lösungen abdeckt, vor einer komplexen Herausforderung. Sie müssen ihre Unabhängigkeit wahren, gleichzeitig aber ihre Abläufe rationalisieren, damit sie die gesetzlichen Auflagen erfüllen und für ein immer anspruchsvolleres Umfeld richtig aufgestellt sind. Tatsache ist, dass die Kosten des technologischen Fortschritts für kleinere Strukturen untragbar geworden sind.

          Angesichts dieser gewaltigen Diskrepanz zwischen der gewünschten Aufrechterhaltung des traditionellen Geschäftsmodells einerseits und der unumgänglichen Industrialisierung andererseits besteht die Alternative in der Zusammenlegung bestimmter Kompetenzen, damit sich die UVV auf ihre Wettbewerbsvorteile konzentrieren können. So entsteht ein dynamisches Ökosystem zum Vorteil aller Partner.

          Was ist unter einem Ökosystem zu verstehen?

          Ein Ökosystem ist ein Netz von Kunden, Kompetenzen und Ressourcen, die von mehreren Partnern mittels Verträgen, in denen die Funktionsweise des Ökosystems geregelt ist, organisiert werden. Durch die Strukturierung eines Ökosystems können die Geschäftsaktivitäten und -funktionen der Partner effizienter organisiert und ein zusätzlicher Mehrwert erzielt werden, von dem vor allem zahlende Endkunden profitieren.

          Ein derartiges Ökosystem kann durch den Einsatz von Technologie zur Automatisierung und Digitalisierung bestimmter Abläufe des Datenaustauschs, der Datenverarbeitung und der Wertschöpfung sogar noch leistungsfähiger werden. Die Rede ist von einem digitalen Ökosystem.

          Strategische Bestandsaufnahme vor der Spezialisierung

          Unabhängige Vermögensverwalter sollten sich auf bestimmte Bereiche spezialisieren, damit sie ihren bestehenden Wettbewerbsvorsprung ausspielen können. Welche Spezialisierung gewählt werden sollte, hängt von einer strategischen und für jedes Unternehmen spezifischen Bestandsaufnahme ab. Auf einer derartigen Bestandsaufnahme beruht ein für alle Partner vorteilhaftes Ökosystem, denn auf diesem Weg identifizieren Vermögensverwalter die Elemente der Wertschöpfungskette, die im Unternehmen verbleiben sollen, und solche, die an externe Partner oder Dienstleister ausgelagert werden müssen. Diese Entscheidung setzt eine filigrane Analyse der Stärken und Schwächen eines Vermögensverwalters und seiner Struktur unter Berücksichtigung der konkreten Anforderungen seiner Kunden voraus.

          Liegt die Stärke eines Vermögensverwalters bei seinen Kundenbeziehungen, könnte er sich auf den maximalen Einsatz von CRM-Tools konzentrieren und so seine Effizienz und Servicequalität optimieren. Als Teil eines Ökosystems können seine Kunden von Kompetenzen anderer Experten profitieren, die sich auf die Verwaltung und auf Compliance spezialisiert haben. Umgekehrt kann sich ein Unternehmen, das für seine Anlagelösungen anerkannt ist, spezialisieren und ein komplexes PMS-System einsetzen, um seine Asset-Allokations-Strategien noch besser auf die Kundenanforderungen abzustimmen. Im Rahmen des Ökosystems kann der Vermögensverwalter seine Kompetenzen demnach allen Partnern anbieten, die sich auf die anderen Bereiche der Wertschöpfungskette spezialisiert haben – Beratung, Reporting oder Datenanalyse. Auf diese Weise profitiert der Endkunde von der spezifischen Expertise aller Partner, die sich ihrerseits ganz auf die Erweiterung ihrer jeweiligen Kompetenzen konzentrieren können.

          Wie formuliert man sein Leistungsversprechen?

          Die hierfür erforderliche Bestandsaufnahme ist alles andere als einfach. Die strategische Entscheidung über die Aufgabe von Aktivitäten, die für einen UVV bisher ein fester Bestandteil seines Unternehmens waren, ist eine riskante und schwierige Aufgabe. Vor der Entscheidung für eine Mitgliedschaft in einem Ökosystem kann ein Vermögensverwalter für seine strategische Entscheidungsfindung und die Identifikation von Partnern und geeigneten Tools den Service von spezialisierten Beratungsgesellschaften in Anspruch nehmen.

          Tools wie Business Model Canvas oder Value Proposition Canvas sind ebenfalls wertvolle Hilfsmittel zur genauen Bestimmung eines Teilbereichs, der künftig das Kerngeschäft sein wird. Das Ergebnis ist eine Inventur der gesamten Wertschöpfungskette, auf der sich der Vermögensverwalter unter Berücksichtigung seiner Ressourcen und Kompetenzen dann leichter positionieren kann.

          Darüber hinaus muss ein UVV komplizierte Entscheidungen in Bezug auf die Entwicklung des Ökosystems und seiner Bestandteile treffen: Soll er ein ganz neues Netzwerk aufbauen oder Teil bestehender Netzwerke werden? Ein kritisches Problem, das unbedingt vermieden werden muss, ist das „not invented here“-Syndrom. Mit anderen Worten: Die systematische Bevorzugung von intern entwickelten und häufig vergleichsweise teureren und zudem weniger effizienten Lösungen, deren Integration und Wartung schwieriger ist als der Einsatz von Lösungen externer Dienstleister.

          Organisation und Konfigurierung eines Ökosystems

          Die Wahl einer Spezialisierung bedeutet eine Defragmentierung der Wertschöpfungskette in ihre einzelnen Bestandteile. Der Aufbau eines Ökosystems erfordert folglich die erneute Konfiguration der Wertschöpfungskette, damit die Kunden in den Genuss der gepoolten Kompetenzen kommen.

          Ein effizientes Ökosystem und folglich auch das Angebot optimaler Serviceleistungen für den Kunden setzt voraus, dass alle Glieder der Wertschöpfungskette so gut wie möglich ineinandergreifen.

          Ziel der Konfigurierung eines Ökosystems ist das Angebot eines geeigneten Rechtsrahmens und die Bereitstellung offen zugänglicher und vernetzbarer Elemente für alle Partner durch Application Programming Interfaces (APIs). Diese Schnittstellen, über die sich verschiedene Anwendungen einfach mit dem Netzwerk verbinden können, sichern die maximale Interoperabilität, die für eine erfolgreiche und gesteuerte Integration unumgänglich ist. Technologische Tools sorgen nicht nur für den nötigen reibungslosen Ablauf, sondern auch für die Effizienz, Robustheit und letztendlich für die Rentabilität des Ökosystems.

          Aus Wettbewerbern werden Partner

          Unabhängig davon, wie exakt ein Ökosystem konfiguriert oder wie komplex seine Technologie ist, erfordert es vor allem eine neue Einstellung. In jedem Unternehmen genauso wie im gesamten Ökosystem müssen sich alle Partner für eine Kultur der Zusammenarbeit und Innovation basierend auf ihren jeweiligen Expertisebereichen stark machen.

          Intern können flexible und reaktive Arbeitsmethoden und Einstellungsverfahren zur Gewinnung und Bindung der erforderlichen Kompetenzen zu dieser Einstellung beitragen. Zudem sollte die Trennung der einzelnen Unternehmensfunktionen aufgehoben und eine Kultur der Kommunikation gefördert werden, wobei interne Widerstände bestimmter Einheiten, die die Vorteile des Ökosystems möglicherweise nicht erkennen, überwunden werden müssen.

          Und was im Unternehmen gilt, trifft auch auf die Beziehungen zwischen allen Partnern des Ökosystems zu. Noch vor dem Aufbau eines Ökosystems müssen sich die Partner auf gemeinsame Ziele und über grundlegende Fragen verständigen: Welche Strategien sind zur Erfüllung der Kundenanforderungen prioritär? Welche Dienstleister sollen aufgenommen werden? Nach welchen Regeln sollen Einkünfte und Zuständigkeiten auf die Mitglieder des Netzwerks verteilt werden? Welche Klippen müssen umschifft werden und wie? Welche Ziele werden mittel- bis langfristig anvisiert?

          Für diese Verständigung müssen sich die Partner austauschen und aufeinander eingehen. Unternehmen, die sich bis dahin als Konkurrenten betrachtet haben, sind nunmehr „Coopetition“-Akteure: Ehemalige Wettbewerber müssen am gleichen Strang ziehen, wenn sie ein für alle Beteiligten vorteilhaftes Ergebnis erreichen wollen.

          Diese Kultur der Kooperation bildet jedoch nur die Grundlage, denn es darf nicht vergessen werden, dass jeder Partner des Ökosystems eine Spezialisierung gewählt hat und deshalb nicht mehr im Alleingang arbeiten kann. Genau dieses strukturelle Abhängigkeitsverhältnis garantiert die optimale Einhaltung der Bedingungen der Partnerschaft seitens aller Mitglieder.

          Zudem können die Partnerschaften durch vertragliche Garantien gestärkt werden und eine optimale Abstimmung der Aktivitäten durch Klauseln gewährleisten, die beispielsweise die Verteilungsschlüssel des Upside regeln. Letztendlich und ungeachtet des regulatorischen Rahmens werden die Ausarbeitung und Implementierung praktischer, rechtlicher oder technologischer Branchenstandards die Zusammenarbeit durch eine stärkere Institutionalisierung der Partnerschaften fördern. Die Entwicklung einer organisatorischen Hyperstruktur, der sich am Aufbau tragfähiger und dynamischer Ökosysteme interessierte UVV anschliessen, könnte die Entwicklung klarer Normen für die Kooperation anstossen und die Transformation des Sektors beschleunigen.

          Unabhängigkeit oder Relevanz?

          Für viele UVV wird die Mitgliedschaft in einem Ökosystem unumgänglich, wenn sie ihren Fortbestand in einer Welt im Umbruch sicherstellen und die neuen Anforderungen ihrer Kunden bestmöglich erfüllen wollen.

          Fest steht, dass Spezialisierung und Kooperation zwar ein geringeres Mass an Autonomie bedeuten, gleichzeitig aber der Garant für die Wahrung der Unabhängigkeit sind.

          Natürlich ist die Mitgliedschaft in einem Ökosystem keine Verpflichtung. Bestimmte UVV bevorzugen möglicherweise das traditionelle Modell, doch diese Wahl geht angesichts des scharfen Wettbewerbs und der zunehmenden Regulierung mit Einschnitten bei den wirtschaftlichen Zielen einher.

           

          Clément Wyplosz

          Ortogon

          Clément Wyplosz ist Senior Business Analyst bei Ortogon. Davor war er bei EY in London tätig, wo er Banken in Bezug auf politische, finanzielle und regulatorische Risiken beriet und das Global Regulatory Network leitete. Clément Wyplosz besitzt einen Abschluss in International Relations der London School of Economics und der University of Chicago.

           

          Iavor Tzolov

          Ortogon

          Iavor Tzolov schuf Ortogon, ein strategisches Beratungsunternehmen, spezialisiert auf den Bankensektor. Zuvor besetzte er den Posten des Verantwortlichen für Strategie und Entwicklung bei der Privatbank Piguet Galland in Genf. Er war ausserdem verantwortlicher Finanzmanager der Holdinggesellschaft Norinvest, notiert seit 2008 an der SIX Swiss Exchange und Hauptaktionär der Banque Cramer. Iavor Tzolov beteiligt sich ausserdem an der Entwicklung von mehreren Start-ups, besonders aktiv im Bereich der Fintech.

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            Die Agentur SPHERE ist auf Investor Relations spezialisiert. Sie gibt das Magazin SPHERE heraus, das den Fachleuten der Vermögensverwaltung und der Vermögensverwaltung in der Schweiz gewidmet ist, und organisiert Finanzveranstaltungen für dasselbe Publikum. Sie stützt sich auf die Kompetenzen und das solide Netzwerk ihrer Partner, die seit mehr als fünfzehn Jahren in der Banken- und Finanzindustrie tätig sind.